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# taz.de -- Hamburger Kampnagel Sommerfestival: Somalische Piraten in Hamburg
> Schulkinder haben für die Performance "Parlez!" in Hamburg ehemalige
> Piraten interviewt - die Inszenierung überzeugt.
Bild: Wie entert man ein Containerschiff? Wie wird man Pirat? Wie viel Geld has…
Interviews mit somalischen Piraten wollte das Performance-Kollektiv
Geheimagentur für sein neues Projekt führen. Doch schnell war klar, dass
sich das nicht so einfach würde realisieren lassen. Als Erstes fiel den
Hamburger Performern, die als anonymes Kollektiv auftreten und bekannt sind
für unkonventionelle Aktionen wie das öffentliche Verbrennen von Geld, der
Piratenprozess am Hamburger Landgericht ein: Dort werden derzeit zehn zum
Teil geständige Somalier der Piraterie angeklagt.
Die Performer wollten die Somalier in der Untersuchungshaft besuchen,
bekamen aber keine Besuchserlaubnis. Also überlegten sie, selbst nach
Somalia zu reisen. Aber auch das wäre nicht gegangen: zu gefährlich. Der
Kontakt zu sechs ehemaligen Piraten kam schließlich über Mohamed Agane
Farah, den Leiter der Nichtregierungsorganisation Hornlink, zustande.
Farah ist nun als Übersetzer ein Akteur der Inszenierung, die am
vergangenen Mittwoch auf Kampnagel Hamburg Premiere hatte. Die Zuschauer
blicken auf einen lang gezogenen, leeren Bühnenraum, der begrenzt ist durch
eine Leinwand auf der einen und eine Schiffsbrücke auf der anderen Seite.
Mit dem Mikro in der Hand erzählen die Performer, wie es dazu kam, dass nun
auf einer Leinwand die Projektionen von sechs jungen vermummten Männern zu
sehen sind. "Parlez! Echte Piraten. Recherchen in der Höhle des
Zackenbarsches" hat die Geheimagentur das Stück genannt.
Schlau ist, was die Geheimagentur aus der Gelegenheit zum Gespräch mit den
ehemaligen Piraten gemacht hat. Die Performer ließen acht- und neunjährige
Schulkinder Fragen aufschreiben und stellten sie den Piraten. Die Kinder,
so das Kalkül, sind einerseits Piratenexperten - sie alle kennen die
Figuren der populären Kultur wie Jack Sparrow oder Blackbeard. Andererseits
sind Kinder unbefangen und fragen genau das, was auch Erwachsene wissen
wollen: Wie entert man ein Containerschiff? Wie wird man Pirat? Wie viel
Geld hast du erbeutet? Hast du mal jemanden umgebracht?
In der szenischen Umsetzung auf Kampnagel sind es fünf Kinder in
Schwimmwesten, die die Fragen an die sechs Piraten auf der Videoleinwand
stellen. Von den vermummten Piraten sind nur die Augen zu sehen und die
gestikulierenden Hände, außerdem sind die größtenteils jungen Stimmen zu
hören: 15.000 US-Dollar brachte der Überfall sagt einer, sie wurden ihm
aber bei der Heimreise von Landpiraten gestohlen. Umgebracht habe er noch
niemanden, sagt ein anderer, aber gesehen habe er, wie jemand umgebracht
wurde.
Die Frage, wie man als junger Somalier Pirat wird, ist die zentrale Frage
des Stücks. Die Somalier erzählen von den Fishing Companies, die das Meer
vor der somalischen Küste leer fischen, und von den westlichen Schiffen,
die Giftmüll vor der Küste verklappen. Sie erzählen von Hunger, Armut und
Gesetzlosigkeit. Außerdem erzählen sie von der Wut, die sie auf jene haben,
die ihnen die Lebensgrundlage nehmen.
Das Verdienst der Vorführung ist, die Perspektive der Piraten auf den
Konflikt darzustellen. In der aktuellen politischen Debatte spielt diese so
gut wie keine Rolle: Es geht lediglich um die Frage, auf welche Art und
Weise der militärische Schutz der Schiffe verbessert werden könne.
Vor diesem Hintergrund wächst den Kindern als Interviewern eine weitere
Qualität zu. Sie sind nicht nur Experten und unbefangen, sie sind auch eine
neutrale Instanz in einem festgefahrenen Konflikt. Sie sind offen sowohl
für die Anliegen der Somalier als auch für die Interessen der Reedereien
und Seemänner. Diese Offenheit, das wird klar, wäre die Grundlage, den
Konflikt dauerhaft und friedlich zu lösen.
26 Aug 2011
## AUTOREN
Klaus Irler
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