# taz.de -- Die Sonstigen: B, die Bergpartei: Individuelle Idealisten | |
> Die "Bergpartei, die ÜberPartei" tritt nach der Fusion zum ersten Mal an. | |
> Doch nicht alle Kandidaten wollen ins Parlament. | |
Bild: Zwei der aktuellen Wahlplakate der Bergpartei | |
60 Sekunden Rauschen und Starren. Ein wenig irritiert ist man schon, wenn | |
man [1][den Wahlwerbespot] der "[2][Bergpartei, die ÜberPartei" (B)] sieht. | |
Und ein wenig schmunzeln muss man auch. Außer Verkehrsrauschen ist nichts | |
zu hören. Im Hintergrund sieht man Autos. Im Vordergrund steht erst | |
Benjamin Richter, dann Nils Kurvin und schließlich Alice Grinda. Alle drei | |
kandidieren auf der Bezirksliste in Friedrichshain-Kreuzberg für die | |
Abgeordnetenhauswahl. Alle drei starren den Zuschauer schweigend an. | |
"Da macht Benni den ganzen großen Schweiger", ruft Hauke Stiewe und lacht | |
herzhaft. Stiewe ist 40, trägt ein T-Shirt mit Totenkopf-Motiv und eine | |
ausgeblichene, schwarze Cappy auf dem Kopf. Er sitzt auf einer Bierbank im | |
Hof seines Clubs "Lovelite" in Friedrichshain, ihm gegenüber Benjamin | |
Richter. Ein paar Meter weiter backen Freunde Pizza in einem alten | |
Steinofen. Kinder wuseln durch die Gegend. In der Ecke hängt ein altes | |
Wahlkampfplakat "Wählt Hauke". | |
Stiewe kandidiert für die B-Partei als Direktkandidat in Friedrichshain. Er | |
redet so viel, wie Richter im Werbespot schweigt. Aber irgendwie muss man | |
ja auch erklären, was die B-Partei mit dem Video bezwecken will. "Nichts zu | |
sagen, das ist der Schocker", ist sich Stiewe sicher. Die Leute sollen zum | |
Nachdenken angeregt werden. "Die anderen Politiker versprechen alles und | |
halten nichts." Ja, und ein bisschen Kunst sei das Video auch. Schließlich | |
bestehe die Partei aus vielen Künstlern. | |
"Bergpartei, die ÜberPartei": Der Name klingt so sperrig, weil man sich | |
nicht auf einen ganz neuen Namen einigen konnte. Denn die Partei gibt es | |
erst seit April. Sie entstand aus der Bergpartei und der ÜberPartei. Man | |
kannte sich schon länger, die Grundhaltung stimmte, und mit mehr | |
Mitgliedern kann man mehr stemmen. 320 sind es jetzt, mal mehr, mal | |
weniger. Trotzdem sind es momentan dieselben wie zuvor, die den Wahlkampf | |
schmeißen: Stiewe, Richter und Jan Theiler, der Bundesvorsitzende und | |
Wahlplakatentwickler. | |
Sie sind dieses Jahr etwas spät dran. "Wir sind halt voll die Verpeilis", | |
sagt Stiewe und grinst. Ein paar Plakate hängen schon, die anderen werden | |
noch gebastelt. Alles Eigenarbeit, versteht sich. 500 Siebdrucke und zehn | |
Großwandplakate sollen es werden. Der Hof des Lovelite dient als | |
Produktionsstätte. "Ist doch bescheuert, wie das die großen Parteien | |
machen", sagt Stiewe. "Die drucken Bewerbungsfotos und beauftragen eine | |
Firma mit dem Marketing. Voll am Leben vorbei." | |
Die Mitglieder der B-Partei machen dort Politik, wo sie wohnen: in Pankow, | |
Friedrichshain und Kreuzberg. Auf den Plakaten stehen Parolen wie | |
"Revolution, morgen 15 Uhr", "Fahrräder brennen nicht" oder "Denken und | |
denken lassen". Was genau die B-Partei will, ist nicht ganz klar. Es kommt | |
darauf an, wen man fragt. Bergpartei und ÜberPartei gründeten sich | |
unabhängig voneinander im Juli 2005 in Berlin. Die Bergpartei wollte den | |
Palast der Republik als künstlerischen Freiraum retten, die ÜberPartei | |
brauchte eine Plattform für ihre Kapitalismuskritik. Während der ehemalige | |
Hausbesetzer Stiewe von der Bergpartei in seinem Kiez Friedrichshain | |
Politik macht, stellt sich Richter von der ÜberPartei eher vor die | |
japanische Botschaft, wenn in Japan der G-8-Gipfel tagt. "Was uns | |
verbindet, ist der Zweifel an allem", sagt Richter und zwirbelt an seinem | |
langen Bart. Richter ist ein ruhiger Typ, er denkt lange nach, bevor er | |
antwortet. Nur manchmal wird er leidenschaftlich: "Wir sind alle | |
Individualisten. Wir machen jeder unser eigenes Ding. Das ist toll." | |
Was das für den Wahlkampf bedeutet? Jeder Kandidat hat eigene konkrete | |
Forderungen. Stiewe will eine Regelung für die Mieten. "Es kann nicht sein, | |
dass die alten Friedrichshainer aus ihrem Kiez ziehen müssen, weil die | |
Mieten steigen." Er will aufklären und die Demokratie fördern. "Die | |
Menschen sollen ganz frei entscheiden, ob sie uns wählen wollen." Und was | |
ist mit der "Förderung des Formationstanzes" im Manifest der Bergpartei? | |
Stiewe lacht laut auf. Ja, damals am Anfang, da habe man die Leute auf der | |
Straße gefragt, was sie sich wünschen. Daraus sei das Bergparteimanifest | |
entstanden. Eine Spaßpartei sei man nicht, beteuert er. Aber Politik solle | |
auch Spaß machen. | |
Dass es die B-Partei ins Parlament schafft, hält Stiewe für | |
unwahrscheinlich. Bei der letzten Wahl erhielt die Bergpartei 1.961 | |
Erststimmen, berlinweit sind das 0,1 Prozent. Und wenn es diesmal klappt? | |
"Dann stelle ich mich der Herausforderung", sagt Stiewe. "Ich bin Realist. | |
Um etwas durchzusetzen, brauche ich eine große Partei." Richter will gar | |
nicht gewählt werden. Die Sitzungen der Politiker seien total langweilig. | |
"Schlafen kann ich auch zu Hause." Sollte er aber ins Abgeordnetenhaus | |
kommen, gebe es von ihm nur Blockadepolitik. "Ich will den Leuten im | |
Wahlkampf vermitteln, dass das Parlament Quatsch ist." | |
27 Aug 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=b2bpSbJbRXg | |
[2] http://www.bergpartei.de | |
## AUTOREN | |
Julia Fiedler | |
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