# taz.de -- Justiz in China: Verschleppen soll legal werden | |
> Das behördliche "Verschwindenlassen" unliebsamer Personen wie des | |
> Künstlers Ai Weiwei soll erleichtert werden. Ohne die Unterrichtung von | |
> Angehörigen. | |
Bild: Demonstration für Ai Weiwei in Shanghai im November letzten Jahres. | |
BERLIN taz | Nachdem Anfang April der regimekritische Künstler Ai Weiwei in | |
Peking von der Polizei verschleppt worden war, wurde seine Familie in den | |
81 Tagen seines Verschwindens nie von den Behörden über seinen | |
Aufenthaltsort informiert. Damit verstießen Justiz und Polizei selbst gegen | |
Chinas Recht, das sie vorgeben zu schützen. | |
Ähnlich waren sie zuvor mit dem späteren Friedensnobelpreisträger Liu | |
Xiabao verfahren und gehen so auch seit diesem Frühjahr mit Dutzenden | |
Aktivisten um. Diesen Rechtsbruch soll jetzt - trotz vieler | |
Rechtsstaatsdialoge mit westlichen Staaten - eine geplante Reform des | |
Strafprozessrechts legalisieren. | |
Ein am Dienstag auf der Webseite des Nationalen Volkskongresses, Chinas | |
Scheinparlament, veröffentlichter Gesetzesvorschlag sieht für die milde | |
Haftform der "Überwachung zu Hause" (eine Art Hausarrest) | |
besorgniserregende Ausnahmen vor. Bisher war ein Gefangenhalten in einem | |
"Gasthaus" ("schwarzes Gefängnis") der Polizei statt in der eigenen Wohnung | |
nur dann legal, wenn die Person weit entfernt von ihrem Heimatort | |
aufgegriffen wurde, erklärt der Menschenrechtsexperte Joshua Rosenzweig der | |
taz. | |
Er leitete bis vor kurzem das Hongkonger Büro der | |
US-Menschenrechtsorganisation Dui Hua Foundation. "Doch bald dürfen laut | |
dem Entwurf Personen, die der Gefährdung der nationalen Sicherheit, des | |
Terrorismus oder größerer Korruption verdächtigt werden, legal an | |
unbekannten Orten festgehalten werden. Es entfällt dann auch die Pflicht | |
zur Unterrichtung der Angehörigen, wenn dies Ermittlungen stören könnte." | |
Rosenzweig nennt dies "Legalisierung des Verschwindenlassens". | |
"Menschenrechtsverteidigern wird oft vorgeworfen, die nationale Sicherheit | |
zu gefährden", sagt Wang Songlian von der Organisation China Human Rights | |
Defenders der taz. "Das Gesetz stärkt die Macht der Polizei, statt | |
Individuen besser vor Übergriffen des Staates zu schützen. Das ist | |
beunruhigend." | |
Die Behörden müssten laut Rosenzweig künftig nicht mehr wie bei regulärer | |
Festnahme spätestens nach 30 Tagen einen Haftbefehl vorlegen, sondern | |
hätten beim Arrest an einem beliebigen Ort dafür sechs Monate Zeit. Dies | |
würde den verbreiteten Missbrauch legalisieren. Eine weitere geplante | |
Verschärfung sieht Rosenzweig darin, dass Überwachungen und | |
Telefonüberwachungen künftig von unteren Verwaltungsebenen angeordnet | |
werden können. | |
Positiv ist, dass künftig keine mehr durch Folter erzwungenen Geständnisse | |
verwendet werden dürfen. Doch wenn Verdächtige offiziell verschleppt werden | |
dürfen und damit jedes legalen Schutzes beraubt sind, wird kaum zu prüfen | |
sein, unter welchen Umständen Aussagen tatsächlich gemacht wurden. | |
1 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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