# taz.de -- Kommentar Sozialproteste in Israel: Die Regierung will verhandeln | |
> Die Bevölkerung will nicht länger schweigend zusehen, wie sich die Kluft | |
> zwischen Arm und Reich vergrößert. Sie hat erkannt, wie Politik und Markt | |
> unter Druck zu setzen sind. | |
Die Sozialbewegung Israels hat die nationale Agenda auf den Kopf gestellt. | |
Auch wenn die Zelte der Protestcamper diese Woche abgebaut werden, gibt es | |
für die Politiker kein Zurück zur alten Tagesordnung. Spätestens bis zu den | |
nächsten Wahlen müssen die Parteien neben Antworten auf | |
sicherheitspolitische Fragen auch ein sozioökonomisches Programm bieten. | |
In den letzten fünf Wochen hat sich das zivilgesellschaftliche Bewusstsein | |
in Israel verändert. Die Bürger haben erfahren, dass sie über Facebook | |
Massen mobilisieren können. Es muss gar nicht darum gehen, die Regierung zu | |
stürzen oder staatliche Untersuchungen voranzutreiben. | |
Es reicht schon, das ein oder andere skrupellose Unternehmen unter Druck zu | |
setzen. Allein das Drohen mit Boykott hat Teuerungen verhindert und dazu | |
geführt, dass Supermarktketten mit dem Studentenverband über Preise für | |
Grundnahrungsmittel verhandeln. | |
Die Bevölkerung will nicht länger schweigend zusehen, wie sich die Kluft | |
zwischen Arm und Reich vergrößert. Worte wie "Kapitalist" bekommen eine | |
neue Bedeutung. Da ist nicht mehr einfach nur von einem Reichen die Rede, | |
sondern von einem, der es sich auf Kosten anderer gutgehen lässt, einem | |
Ausbeuter vor allem der Mittelschicht, also einem, der sich schämen sollte. | |
Die Regierung ist unter Druck und bereit zu Reformen. Der Initiatorin der | |
Zeltbewegung Daphni Leef geht es aber um die Abkehr von der freien | |
Marktwirtschaft zurück zur Verstaatlichung, ein Ziel, das die großen | |
Parteien, inklusive Arbeitspartei, längst nicht mehr verfolgen. | |
Eine eigene Liste hätte kaum Überlebenschancen, solange sie eine | |
Einthemenpartei bleibt. Pragmatischer wäre es, mit der Regierungskommission | |
zu kooperieren, die mit der Lösung der sozialen Probleme beauftragt ist. | |
4 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sozialproteste in Israel: Protestbewegung mobilisiert wieder | |
Die Aktivisten sind enttäuscht über den Regierungsbeschluss zur sozialen | |
Lage. Demnach sollen die Militärausgaben gekürzt und hunderttausende neue | |
Wohnungen gebaut werden. | |
Anschlag auf Moschee im Westjordanland: Die Rache der israelischen Siedler | |
Israelische Siedler haben versucht, eine Moschee im Westjordanland in Brand | |
zu setzen – vermutlich als Vergeltung für den Abriss von illegal | |
errichteten Siedlerhäusern. | |
Sozialproteste in Israel: 450.000 gehen auf die Straße | |
Bei der größten Demonstration in der Geschichte des Landes fordern die | |
Teilnehmer mehr soziale Gerechtigkeit. 90 Prozent der Bevölkerung stehen | |
hinter ihnen. | |
Sozialproteste in Israel: "Wir sind die neuen Israelis" | |
Trotz gegenteiliger Prophezeiungen haben die Sozialproteste nichts von | |
ihrer Stärke eingebüßt. 450.000 Menschen gingen am Samstag in mehreren | |
Städten auf die Straße - so viele wie noch nie. |