# taz.de -- Rechtspopulist Wilders in Berlin: Sarrazin zieht nicht mehr richtig | |
> Der Kandidat der "Freiheit", René Stadtkewitz, holt den holländischen | |
> Rechtspopulisten Geert Wilders zur Unterstützung. Die antimuslimische | |
> Szene feiert, aber die Anfangseuphorie ist verflogen. | |
Bild: Hundert Euro, um ihn zu hören: Rechtspopulist Geert Wilders. | |
Es ist eine eigenartige Wahlkampfveranstaltung, die bis zu 100 Euro | |
Eintritt kostet. Das Event der "Freiheit"-Partei des aus der CDU | |
verstoßenen René Stadtkewitz am Samstag ist denn auch mehr ein Logentreffen | |
der antimuslimischen Bewegung. Gekommen aus allen Ecken der Republik ins | |
Maritim Hotel in der Nähe des Potsdamer Platzes, um ihr Idol zu hören: | |
Geert Wilders, den holländischen Rechtsaußen. | |
Man trägt graue Jacketts und weiße Hemden. Im Veranstaltungssaal sitzen | |
geschniegelte Jünglinge und gesetzte Ehepaare, insgesamt rund 500 Personen. | |
Schon vor einem knappen Jahr, im Oktober 2010, ist Wilders auf Einladung | |
von Stadtkewitz in der deutschen Hauptstadt aufgetreten. Doch diesmal | |
bleiben Sitze leer. | |
## "Die Kanzlerin schwafelt" | |
"Wer sagt, der Islam gehört zu Deutschland, will die Islamisierung", gibt | |
Stadtkewitz als erster Redner die Linie vor. Und zieht immer wieder | |
Sarrazin heran. Ein Jahr nach dessen Bestseller habe die Politik nichts | |
getan. "Die Kanzlerin schwafelt lieber, wir leisten Widerstand." | |
Stadtkewitz malt düstere Bilder: "ungehemmte" Zuwanderung, ein | |
"aufgezwungener Kulturkonflikt", "rotzfreche" arabische Großfamilien. Es | |
wirkt abgenutzt, ein Jahr nach Veröffentlichung des Sarrazin-Pamphlets. | |
Dann kommt Wilders, lässig, unter Standing Ovations. Und geht zuerst auf | |
den Attentäter von Norwegen ein. "Das ist keiner von uns, wir glauben an | |
friedliche Lösungen", sagt der blonde PVV-Chef. Und dreht den Spieß um: Man | |
lehne ja gerade den Islam wegen dessen "gewalttätiger Natur" ab. Wilders | |
zählt auf, was man in Holland demnächst durchsetzen werde: Burkaverbot, | |
Begrenzung der Einwanderung, Entzug der Staatsbürgerschaft für | |
Eingebürgerte bei schweren Straftaten. Begeisterter Applaus. | |
Zwei Linke unterbrechen die Rede mit "Antifascista"-Rufen - und werden | |
unter Getöse von Ordnern aus dem Saal befördert. Auch vor dem Hotel stehen | |
rund 50 Protestierer hinter Polizeigittern. "Es gibt so viel | |
inspirierendere Leute in Holland als Wilders", sagt ein 27-jähriger | |
Niederländer im rosa Polohemd. Zuletzt habe die "Liberalität" in seinem | |
Land gelitten. | |
## "Schon genug bezahlt" | |
Drinnen holt Wilders zu seinem zweiten Großthema aus: dem Kampf gegen die | |
EU. Ein "paneuropäischer Superstaat" bedrohe die Nationen, verschuldete | |
EU-Mitglieder müssten raus aus dem Euro. "Wir haben schon genug für andere | |
bezahlt." Den Zuhörern empfiehlt Wilders Patriotismus. "Die westliche | |
Kultur ist anderen weit überlegen." Wieder Applaus. | |
Dennoch: Gegenüber der ekstatischen Aufnahme von Wilders und Stadtkewitz | |
vor einem Jahr ist der Empfang merklich nüchterner. Das damalige Ziel, die | |
zigtausendfache Sarrazin-Leserschaft an die "Freiheit" zu binden, wurde | |
verfehlt. Stadtkewitz sieht nicht nur wegen Wilders knallroter Krawatte | |
blass aus neben dem holländischen Großpopulisten. Im Berliner Wahlkampf ist | |
seine Partei nicht präsent, in Umfragen rangiert sie unter "ferner liefen". | |
"Du schaffst das, René", ermuntert Wilders Stadtkewitz. Vielleicht auch, | |
weil der vor einem Jahr selbst bekannte: Sollte die "Freiheit" die | |
5-Prozent-Hürde in Berlin nicht schaffen, sei sie "so gut wie tot". | |
4 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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