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# taz.de -- Frauen in Afghanistan: Mit den Soldaten geht der Fortschritt
> Die Stärkung der Frauenrechte war lange eine wichtige Legitimation für
> den Nato-Einsatz am Hindukusch. Nun ist von einer Umkehr der Prioritäten
> die Rede. Zum Leidwesen der Frauen.
Bild: Düstere Zukunft: Mit dem Rückzug des Westens bleiben Warlords, regional…
KABUL/BERLIN taz | Mit wachsendem Misstrauen verfolgen afghanische
Frauenorganisationen die Entwicklung in ihrem Land. Je länger
Geheimgespräche der US-Regierung und des Westens mit Talibanvertretern über
einen möglichen Friedensprozess dauern, desto mehr drohen die Rechte von
Frauen - lange Jahre eine wichtige Begründung der westlichen Präsenz am
Hindukusch - ins Hintertreffen zu geraten, so die Befürchtung.
US-Außenministerin Hillary Clinton hat eingeräumt, dass es "kein angenehmes
Geschäft" sei, mit den Taliban eine politische Lösung des Krieges
auszuhandeln. Doch wie Clinton ihre Zusage einlösen kann, bei Frauen- und
Menschenrechten in Afghanistan keinen Zentimeter vom bisher Erreichten
abzuweichen, ist unklar.
Aus Kreisen der US-Regierung ist inzwischen von einer Umkehr der
Prioritäten die Rede. "Frauen und ihre Rechte werden angesichts der neuen
Agenda auf dem Rücksitz Platz nehmen müssen", kommentierte unlängst ein
Offizieller der US-Regierung. Fraueninteressen seien für den
Verhandlungsprozess "belastende Steine im Rucksack".
Die Taliban schüren ihrerseits Ängste, indem sie zu Kernfragen der Frauen-
und Menschenrechte die afghanische Bevölkerung im Unklaren lassen. Auch
Experten rätseln, ob die Öffnung hin zu mehr Bildung für Mädchen in einigen
ländlichen Distrikten eine grundsätzlich veränderte Haltung spiegelt.
Ehemaligen Taliban, von denen einige bereits wieder in offiziellen Gremien
sitzen, scheint etwa die Präsenz von Frauen in exponierten Medienberufen
ein Dorn im Auge.
## Kein Fortschritt ohne Sicherheit
Aktivistinnen befürchten aber auch, dass mit dem Abzug des westlichen
Militärs Warlords, regionale Machthaber und Kriminelle im Umfeld der
afghanischen Regierung ohne Kontrolle blieben. "Wenn die Ausländer
abziehen, gibt es keinen Unterschied zwischen einem Talib und einem
Warlord", sagen sie. Unter Präsident Hamid Karsai wurden seit 2001 einige
Schritte eingeleitet, um Würde und Lebensbedingungen der weiblichen
Bevölkerung zu verbessern.
Artikel 44 der Verfassung überträgt dem Staat die Aufgabe, Frauen den
Zugang zu Bildung sicherzustellen. Zwar haben sich in den Städten die
Lebensbedingungen für Frauen zum Teil verbessert, doch wachsen angesichts
des größer werdenden Einflusses der Taliban in direkter Nähe von Kabul und
anderer Städte Zweifel, wie nachhaltig diese Fortschritte sind.
Wenig änderte sich zudem in den Provinzen. Trotz milliardenschwerer Hilfen
prägen etwa Zwangsheirat und die faktische Unmöglichkeit, beruflich am
öffentlichen Leben teilzunehmen, weiterhin den Alltag. Mit Sorge beobachten
Frauenorganisationen das Versagen von Regierung und Behörden auf
Provinzebene: Persönliche Vorteilnahme, Korruption und der fehlende Wille,
Drogenmafias das Handwerk zu legen, stärken jene Kräfte, die mit Taliban
und Aufständischen zum Teil in Verbindung stehen und allesamt ein
abschätziges Frauenbild haben.
Experten, die eine Roadmap für Frauenrechte befürworten, empfehlen ein
gemäßigtes Tempo, das Kultur, Tradition und Religion der ländlichen
Bevölkerung miteinbezieht. Nicht zum ersten Mal, so argumentieren sie,
drohe eine Spaltung: in der Hauptstadt eine westliche beeinflusste Elite,
die in Kabul für ihre Ziele und Rechte streitet, während die Wirklichkeit
auf dem Land scheinbar losgelöst davon existiert. Doch Fortschritt für die
afghanischen Frauen kann es ohnehin nur dann geben, wenn es auch Sicherheit
und wirtschaftliche Entwicklung gibt.
9 Sep 2011
## AUTOREN
Martin Gerner
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