# taz.de -- Krise in Äthiopien: Hunger nach Menschenrechten | |
> Die politische Unterdrückung in Äthiopien wächst parallel mit der | |
> Hungerkrise. Es gibt Vorwürfe, das autoritäre Regime selektiere bei der | |
> Verteilung von Nothilfe. | |
Bild: Hungerkrise in Äthiopien. | |
BERLIN/ADDIS ABEBA taz | Verschleppungen von Oppositionellen in | |
Foltergefängnisse, Inhaftierungen von Journalisten, Ausweisungen von | |
Menschenrechtlern: Während sich die Nahrungsmittelnot in Äthiopien | |
zuspitzt, macht das Land mit zunehmenden Menschrechtsverletzungen | |
Schlagzeilen. So wurden die zwei populären Oppositionspolitiker Bekele | |
Gerba und Olbana Lelisa nach einem Treffen mit Vertretern der | |
Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) vergangene Woche von | |
einer Anti-Terror-Einheit festgenommen. Menschenrechtsorganisationen gehen | |
davon aus, dass die beiden ins berüchtigte Foltergefängnis Maikelawi | |
gebracht wurden. Rechtsbeistand und Kontakt zur Außenwelt werden Häftlingen | |
dort verwehrt. | |
Die Festnahmen begründete der Regierungssprecher mit "Terrorismus und | |
Verbindungen zur OLF" (Oromo Liberation Front). Die OLF, die sich für mehr | |
Autonomie der südlichen Oromogebiete einsetzt, wurde kürzlich für illegal | |
erklärt. Die zwei inhaftierten Politiker gehören allerdings der gemäßigten | |
Oromo Federal Democratic Movement (OFDM) an. Der wahre Grund für die | |
Verhaftungen scheint das Treffen der zwei Politiker mit AI zu sein. Deren | |
Vertreter prüften bei ihrem Besuch Berichte über | |
Menschenrechtsverletzungen. Die AI-Delegation wurde nach eigenen Angaben | |
auf Schritt und Tritt von der Polizei bewacht, fotografiert und unmittelbar | |
nach dem Treffen mit Gerba aufgefordert, das Land zu verlassen. | |
Das autoritäre Regime von Präsident Meles Zenawi benutzt strenge | |
Anti-Terrorismus-Gesetze, um die politische Opposition kleinzuhalten. Im | |
April sagte der jetzt festgenommene Gerba der taz in Addis Abeba: "Wenn du | |
in der falschen politischen Partei bist, legen sie dir heimlich Sprengstoff | |
in die Wohnung. Danach wirst du als Terrorist verurteilt." Bereits über | |
hundert Oppositionspolitiker und Journalisten wurden seit Beginn des Jahres | |
wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung | |
inhaftiert. "Oppositionelle werden in den Gefängnissen systematisch mental | |
und körperlich geschädigt, um sie aus dem Verkehr zu ziehen", sagt der | |
frühere äthiopische Präsident Nagasso Gidada, selbst ein Oromo, der taz. | |
Nicht nur Politiker, sondern das gesamte Volk der Oromo würden von der | |
äthiopischen Regierung unterdrückt. "Unser Müll wird nicht abgeholt, unser | |
Trinkwasser ist verdreckt, die Regierung tut nichts für unsere Leute", | |
sagte Gerba. Dabei bilden Oromos mit einem Anteil von 35 Prozent die größte | |
Bevölkerungsgruppe des Landes. Auf ihrem Gebiet Oromia, das von | |
sudanesischen bis zur somalischen Grenze reicht, werden Äthiopiens | |
wichtigste Exportwaren produziert, darunter Kaffee und Gold. Doch die | |
Regierung und Generäle gehören zu den Tigrayans und unterdrücken die Oromos | |
wegen ihres strategisch wichtigen Landes. | |
Gerba soll Amnesty International davon berichtet haben, dass die Regierung | |
Oromos und Oppositionellen Nahrungshilfen verweigert. Auch Inhaftierungen | |
von Äthiopiern seien zur Sprache gekommen, die BBC-Reportern Informationen | |
über Folterungen und die selektive Weitergabe internationale Nothilfe | |
geliefert hatten. Die BBC hatte kürzlich eine Reportage über den Missbrauch | |
von Entwicklungshilfegeldern zur politischen Repression gedreht. | |
"Äthiopien wird sich nicht demokratisieren, solange die äthiopischen | |
Machthaber von internationalen Regierungen, die deutsche eingeschlossen, | |
finanziell unterstützt werden", meint Expräsident Gidada. Der Zeitpunkt | |
dieser Vorwürfe ist brisant: Äthiopien durchlebt zur Zeit die schlimmste | |
Dürre seit 60 Jahren und hat gerade bei den Vereinten Nationen zusätzliche | |
Hilfen beantragt. Die Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen und | |
politisch motivierte Selektion bei der Verteilung der Hilfe könnten jetzt | |
verhindern, dass Äthiopien die angeforderten Nothilfen erhält. | |
9 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
E. Beis | |
J. Kornder | |
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