# taz.de -- Ungültige Stimmzettel: Reißen, krickeln, pöbeln | |
> Wer Beschimpfungen oder Lob auf den Wahlzettel schreibt, macht seine | |
> Stimme ungültig. Das Wahlrecht ist streng. In Berlin haben solche | |
> Stimmzettel trotzdem Einfluss. | |
Bild: Ob Absicht oder Unfall: Viele Stimmzettel werden ungültig abgegeben. | |
BERLIN taz | Genau 28.241 Berliner haben bei der letzten Wahl zum | |
Landesparlament vor fünf Jahren ungültig gewählt. Sie haben also auf dem | |
Zettel für die Zweitstimme gar kein Kreuz gemacht oder zwei, sie haben den | |
Wahlzettel einmal durchgerissen, sie haben einen großen Strich quer über | |
das ganze Blatt gezogen oder "Wowereit verrecke" auf die Rückseite | |
geschrieben. "Wowereit ist super" wäre übrigens genauso ungültig. Das | |
Wahlrecht ist da strikt. Genau wie die Auszähler, die der Reihe nach jeden | |
der drei Stimmzettel begutachten, die ein Wähler in Berlin bekommt - für | |
die Erst- und Zweitstimme zum Landesparlament und für die Wahl zum | |
Bezirksparlament. Für die Zettel gilt: Auf jeden kommt nur ein Kreuz. Alles | |
andere zählt nicht. | |
Es gibt zwei sehr unterschiedliche Ursachen, warum Wähler keine gültige | |
Stimme abgeben: Die einen wollen es nicht, die anderen schaffen es nicht. | |
Die einen wählen ungültig, um damit ihrem Protest Ausdruck zu verleihen, | |
die anderen sind mit dem Stimmzettel überfordert. Doch wie groß der Anteil | |
der beiden Gruppen ist - dazu gibt es keine Statistik, keine Umfrage. | |
Auffällig ist jedenfalls, dass immer mehr Menschen ungültig wählen. Bei der | |
vorletzten Berlin-Wahl gab es rund 21.400 ungültige Stimmen, bei der Wahl | |
davor waren es 17.600. Sollte die Zahl derer, die am Stimmzettel | |
gescheitert sind, wirklich innerhalb weniger Jahre um rund zwei Drittel | |
angestiegen sein? Oder spricht das nicht doch eher für viele Protestwähler? | |
Auf vielen Webseiten, die zur ungültigen Wahl aufrufen, steht ein kleiner, | |
eingängiger Spruch: "Wenn Wahlen etwas ändern könnten, dann wären sie | |
verboten." Nach dieser Logik müsste jedoch auch das ungültige Wählen | |
verboten sein. Tatsächlich ist es aber eine Möglichkeit, die das Wahlrecht | |
ausdrücklich vorsieht. Das zeigte sich besonders bei den Wahlcomputern, die | |
bei mehreren Wahlen in Deutschland zum Einsatz kamen. Weil man bei der | |
Computerwahl den Stimmzettel nicht zerreißen oder einmal quer über die | |
Seite durchstreichen konnte, gab es für die Protestwähler eine eigene | |
Taste, mit der sie ungültig wählen konnten. | |
## Hilfe für radikale Parteien | |
Wer ungültig wählt, wird allerdings oft mit dem Vorwurf konfrontiert, dass | |
er kleinen radikalen Parteien beim Sprung ins Parlament hilft. Schließlich | |
müssen Parteien dazu eine Hürde überwinden, die in der Regel bei 5 Prozent | |
der abgegebenen und gültigen Stimmen liegt. Je mehr Menschen nicht zur Wahl | |
gehen oder ungültig wählen, desto niedriger liegt diese Hürde. | |
Die einzige Ausnahme ist das Land Berlin. Hier wird die Hürde anhand aller | |
abgegebenen Stimmen berechnet - ob gültig oder nicht. 1999 scheiterten die | |
"Republikaner" im Bezirk Friedrichshain denkbar knapp an der für das | |
Bezirksparlament geltenden 3-Prozent-Hürde: Sie erhielten 2,998 Prozent der | |
abgegebenen Stimmen. Die 474 ungültigen Stimmen gaben dabei den Ausschlag. | |
Nur zwei ungültige Stimmen weniger, und die "Republikaner" hätten es | |
geschafft. | |
Freilich hebt die Hürde genauso an, wer eine gültige Stimme abgibt. Dabei | |
hat man sogar mehrere Versuche. Wer sein Kreuz zunächst versehentlich an | |
der falschen Stelle macht, sollte nicht versuchen, das durch einen Pfeil | |
oder eine andere Markierung zu korrigieren. Denn wer den Wahlhelfern sagt, | |
dass er sich verwählt hat, bekommt einen neuen Stimmzettel. | |
16 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Heiser | |
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