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# taz.de -- Serben im Kosovo: Integration wird abgelehnt
> Teile des Nord-Kosovo sind ohne Kontrolle durch Prishtina. Nun hat die
> internationale Gemeinschaft trotz der Proteste serbischer Kosovaren zwei
> Grenzposten übernommen.
Bild: Ein freundlicher Hinweis an der serbisch-kosovarischen Grenze in Jarinje.
PRISHTINA taz | Das Kreuz ist mitten in die Straße betoniert. Das
christliche Zeichen soll den protestierenden Serben im Nord-Kosovo
moralischen Rückhalt für ihren Kampf um den Status Quo des zu Kosovo
gehörenden Serben-Gebietes geben. Gestern wurden Kieshaufen auf die Brücken
über den Ibar in der zwischen Serben und Albanern geteilten Stadt Mitrovica
gekippt. Auch die Straßen in anderen Teilen des Gebietes wurden
unpassierbar gemacht.
Die serbische Bevölkerung des an Serbien grenzenden Gebietes ist
mobilisiert. Die Mehrheit der Serben hier, so betont ihr Führer und Chef
der Polizei (MUP) Radenko Nedeljkovic, "lehnt die Integration dieses
Gebietes in den Staat Kosovo kategorisch ab". Seit die Regierung in
Prishtina im Juli handsteichartig die Grenzübergänge Jarinje und Brnjak von
Sonderpolizisten besetzen ließ, sind die politischen Fronten in
Nordmitrovica wieder in Bewegung.
Vor allem nachdem klar wurde, dass die internationalen Kfor-Truppen unter
dem deutschen Kommandeur Erhard Bühler die Aktion der kosovoalbanischen
Führung unterstützte, liegen die Nerven bei vielen Serben des Gebietes
blank. Die Kfor erzwang mit ihrer Anwesenheit Grenzkontrollen. Nach einem
Abkommen mit der Regierung Serbiens zogen die Kfor-Truppen gestern wieder
ab und wurden trotz der serbischen Straßenblockaden, die mit Hubschraubern
überflogen wurden, durch Polizisten der europäischen Rechtsstasatsmision
Eulex sowie durch Kosovo-Polizisten aus Prishtina ersetzt.
Für die Regierung in Prishtina gab es kein zurück mehr. "Wir müssen die
Souveränität über die Grenzen unseres Landes herstellen", sagt
Außenminister Enver Hoxhaj der taz. "Die bisherige Lage ist wirtschaftlich
und politisch für uns untragbar." Serbien verbiete die Einfuhr
kosovarischer Waren, weil es Zollstempel mit dem Aufdruck Republik Kosovo
ablehnt, habe jedoch eigene Waren im Kosovo abgesetzt. Erst nach Besetzung
der Grenzstationen habe Belgrad dann nachgegeben. Am 2. September wurde
eine Lösung mit dem Zollstempel gefunden, doch Nordmitrovica mache da nicht
mit.
"Es handelt sich im Norden um ein Gebiet, das von niemandem richtig
kontrolliert wird," sagt der Amerikaner Jeff Bieley, der seit langem in
internationalen Organisationen im Kosovo arbeitet. "Nach dem Bombenkrieg
der Nato gegen Serbien wurde festgelegt, dass das gesamte Gebiet Kosovos
von Nato-Truppen besetzt wird," erinnert er. Doch vollständig sei das nicht
geschehen. Die französischen Truppen seien auf den Brücken über den Ibar
stehengeblieben. "Bis heute gelang es den internationalen Instiutionen
nicht, im Süden wie im Norden auf gleiche Weise zu arbeiten."
## Kontrolle über Schulsystem und Gesundheitswesen
Im Süden wurde der Ahtisaari-Plan nach der Unabhängigkeit 2008 umgesetzt.
Darin haben die serbischen Gemeinden weitgehende Rechte. So kontrollieren
sie das Schulsystem und die Gesundheitsversorgung, akzeptieren aber den
Kosovostaat und nehmen an Wahlen teil. Ministerpräsident Hashim Thaci hat
drei serbische Minister im Kabinett und einen serbischen Vize.
Der Norden weigerte sich den Ahtisaari-Plan zu azeptieren. "Dort ist ein
Gemisch aus politischen Interessen der Machterhaltung, der Ideologie, aber
auch der Wirtschaft entstanden," sagt der kosovarische Regierungsberater
Ylber Hysa. Er untersuchte in einer Studie die Strukturen im Norden.
Reguläre Wahlen und der Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen seien
verhindert worden. General Bühler hatte vor seiner Ablösung am 7. September
mehrfach erklärt, im Norden zögen die Mafia, politische Parteien und Teile
der MUP (Polizei) an einem Strang.
Die Interessen der Parallelstrukturen an offenen Grenze lägen auf der Hand,
sagt Hysa. "Jahrelang wurde zollfreies Benzin nach Nord-Kosovo geschmuggelt
und dann wieder in Serbien verkauft." Serbien habe lange zugesehen, obwohl
dies der eigenen Wirtschaft geschadet hat. Serbien pumpte auch Hunderte
Millionen Euro in die serbischen Institutionen im Kosovo. Präsident Boris
Tadic versuche so den Norden zu beeinflussen. In der dortigen kleinen
Zivilgesellschaft aktive Serben wie Miodrag Marinkovic fürchten eine
Eskalation. "Die Menschen hier haben Angst vor Prishtina. Sie fühlen sich
Serbien verbunden. Aber viele wollen auch in einem Rechtsstaat leben."
16 Sep 2011
## AUTOREN
Erich Rathfelder
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