| # taz.de -- Fußball: Hertha BSC: Man übt sich in Bescheidenheit | |
| > Den Deutschen Meister kann man zwar besiegen, gegen Augsburg reicht's | |
| > aber trotzdem nur für ein glückliches 2:2. | |
| Bild: Hertha-Spieler Tunay Torun jubelt nach seinem Tor. | |
| Viel hat am Samstag nicht gefehlt und Hertha-Trainer Markus Babbel hätte | |
| mit seinem Augsburger Kollegen Jos Luhukay Blutsbrüderschaft geschlossen. | |
| Mit erregter Stimme erklärte Luhukay, wie schwer es für einen Neuling in | |
| der Bundesliga ist, wenn da Vereine wie Bayer Leverkusen einfach mal so | |
| starke Spieler wie Eren Derdiyok und André Schürrle einwechseln könnten. | |
| Babbel lächelte bei diesem Vortrag über das ganze Gesicht. Luhukay schien | |
| ihm aus tiefster Seele zu sprechen. Auch der Berliner Coach erweckt derzeit | |
| gern den Eindruck, als ob sich sein Team mit Spielzeugschwertern in einem | |
| echten Kampf behaupten müsse. | |
| Brüderlich hatten sich die beiden Aufsteiger beim 2:2 vor 48.385 Zuschauern | |
| im Olympiastadion die Punkte geteilt. Und angesichts dessen, wie die Partie | |
| hin und her wogte, konnte man trotz des um 20 Millionen Euro höheren | |
| Hertha-Etats tatsächlich glauben, dass sich auf dem Rasen zwillingsgleiche | |
| Schicksalsgenossen im Partnerlook (dünnes Nervenkostüm) gegenüberstanden. | |
| Babbel fühlte sich bestätigt, hatte er doch nach dem jüngsten | |
| Überraschungserfolg beim Deutschen Meister Borussia Dortmund inständig vor | |
| dem öffentlichen Erwartungsdruck gewarnt, Augsburg sei einfach zu schlagen. | |
| Er prophezeite ganz richtig ein "Duell auf Augenhöhe". Recht behalten | |
| wollte Babbel mit seiner Prognose aber gewiss nicht. Im Gegenteil: Sein | |
| angestacheltes Team sollte ihn widerlegen. | |
| Hertha jedoch spielte vor allem in der ersten Halbzeit ohne jeglichen Mut | |
| zum Risiko. "Wir waren zu passiv, zu statisch", befand Kapitän Andre | |
| Mijatovic. Bis zum Führungstreffer der Gäste, den nach einer Ecke der | |
| völlig ungedeckt stehende Hajime Hosogai in der 20. Minute erzielte, hatten | |
| die Berliner nicht einmal einen Schussversuch auf das gegnerische Tor | |
| vorzuweisen. Manager Michael Preetz verortete das Problem im | |
| psychologischen Bereich: "Wir hatten in der Pause das Gefühl, dass die | |
| Jungs gar nicht wussten, was sie zu leisten imstande sind." Eine | |
| erstaunliche Erkenntnis. Normalerweise haben Teams, die gerade den | |
| deutschen Meister geschlagen haben, nicht mit solchen Zweifeln zu kämpfen. | |
| Möglicherweise erstarren die Hertha-Profis weniger vor großen Gegner wie | |
| Borussia Dortmund oder Werder Bremen (nächsten Sonntag) als vor der großen | |
| Erwartungshaltung. Auch weil man den Spielern den Druck nehmen möchte, wird | |
| die Vereinsführung nicht müde zu betonen, dass man im Vergleich zu früher | |
| "eine bescheidenere Sicht" pflegt und nur den Klassenerhalt im Sinn hat. | |
| Hertha ist immer noch dabei, in einem unruhigen Umfeld einen Stilwandel zu | |
| etablieren: vom Surrealismus zum neuen Biedermeiertum. Werner Gegenbauer | |
| betonte im Vorwort der Vereinspostille: "Wir Herthaner bleiben auf dem | |
| Boden - auch wenn manche von außen das nicht verstehen wollen." | |
| Vielleicht plagt Hertha aber auch ein spieltaktisches Problem. Das | |
| Reagieren liegt den Berlinern offensichtlich mehr als das Agieren. Gegen | |
| die defensiv eingestellten Augsburger fehlte es über weite Strecken am | |
| Vermögen, das Spiel zu gestalten. Tunay Torun, der Torschütze zum 2:1, | |
| räumte ein: "Wir sind gefährlich, wenn wir kontern können, weil wir | |
| schnelle Leute vorne haben." Babbel hingegen wand ein: "In der zweiten | |
| Halbzeit haben wir phasenweise bewiesen, dass wir das Spiel machen können." | |
| In der Tat sorgte insbesondere Raffael für deutlich mehr Unruhe in der | |
| gegnerischen Hälfte und konnte oft nur durch Fouls von den Augsburgern | |
| ausgebremst werden. | |
| Die Hertha-Tore indes bereiteten die Gäste durch Abspielfehler vor. Nach | |
| nur 22 Sekunden in der zweiten Halbzeit profitierte Patrick Ebert von einem | |
| solchen Fehlpass und bediente mit einem schönen weiten Pass Christian Lell, | |
| der zum Ausgleich traf. Noch haarsträubender indes war der Fauxpas, der dem | |
| Berliner Führungstreffer vorausging. Der Augsburger Innenverteidiger Gibril | |
| Sankoh verlor den Ball bei dem Versuch, am Strafraum Elegantes zu | |
| vollbringen an Pierre-Michel Lassoga. Der daraufhin in Szene gesetzte Torun | |
| vollendete dagegen schnörkellos. | |
| Dass die Augsburger trotzdem wieder ins Spiel fanden, lag vornehmlich an | |
| den Berlinern. Etwas ratlos konstatierte Babbel: "Leider haben wir es nach | |
| dem 2:1 versäumt, dranzubleiben. Wir sind wieder in diese Passivität | |
| geraten." Aber als einer der Hauptbotschafter der neuen Bescheidenheit | |
| versicherte Babbel, nicht unzufrieden mit dem Remis zu sein. Am Ende habe | |
| er gar befürchtet, dass die Gäste sogar noch gewinnen würden. Sein Fazit | |
| lautete: "Wenn wir nur ein, zwei Prozent nachlassen, reicht es nicht für | |
| drei Punkte - auch nicht gegen Augsburg. | |
| 18 Sep 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Johannes Kopp | |
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