# taz.de -- Kurt Scheel über Europa und das Rauchen: "Denken muss sein wie ein… | |
> Kurt Scheel war dreißig Jahre Redakteur und Herausgeber des "Merkur". Nun | |
> hört er auf - mit einem Heft über "Nonkonformismus". | |
Bild: "Was die anderen machen, reizt mich häufig nicht. Ich bin anders, von Na… | |
Dieses Periodikum machte in den vergangenen Jahren gerade bei Linken viel | |
Ärger: "Der Merkur" - Untertitel: "Deutsche Zeitschrift für europäisches | |
Denken" - gilt manchen als Organ von Neokonservativen, Pickelhauben und | |
Islamhassern. Kurt Scheel, neben Karl Heinz Bohrer Herausgeber der | |
Zeitschrift, hört wie sein Kollege zum Jahresende mit seiner Tätigkeit auf. | |
Wir treffen ihn in seinem Büro in Berlin-Charlottenburg, einer gediegenen | |
Bürgerwohnung. Geraucht wird aus purem Missverständnis heraus nicht: Der | |
Gastgeber denkt, der Interviewer vertrüge das Qualmen gesundheitlich nicht. | |
taz: Herr Scheel, ist für Sie ein Leben ohne den "Merkur" überhaupt | |
denkbar? | |
Kurt Scheel: Jaaa. | |
In dieser Zustimmung schimmert Skepsis. | |
Ich weiß nicht, wie es sich anfühlen wird, aber denkbar ist das auf jeden | |
Fall. Ich mache das ja nun sehr lange - es war mein Traumberuf. Aber es ist | |
auch sehr anstrengend. Ich freue mich, diese Last aus der Hand zu geben. | |
Was hat Sie erschöpft? | |
Nicht, dass ich keinen Urlaub machen konnte oder zu stark angebunden war, | |
sondern es war die Verantwortung. Karl Heinz Bohrer schwebte ja mehr über | |
den Wassern. Ich habe alles vom Manuskript bis zum Druck … | |
… als Mann im Bergwerk der Heftproduktion? | |
Ja, in etwa. Monat für Monat Sorge dafür zu tragen, dass es alles perfekt | |
wird. | |
Der "Merkur" trägt seit seiner Gründung den Untertitel "Deutsche | |
Zeitschrift für europäisches Denken". Ist dies im Hinblick auf Europa | |
Programm - und momentan ein sehr aktuelles? | |
Bohrer und ich haben diesen Untertitel als freiheitliches, westliches | |
Denken übersetzt. Ich weiß nicht, was der Merkur mit diesem aktuellen | |
Europakram machen sollte, ich fürchte jedoch, dass wir auf sehr heikle | |
Punkte kämen. | |
Die wollen Sie uns nicht vorenthalten, bitte. | |
Die offizielle Politik aller Bundesregierungen war immer: Wir brauchen mehr | |
Europa. Ich halte das für totalen Quatsch. Der Merkur hat in dieser | |
Hinsicht eine sehr kluge Position vertreten. Wir waren ja nie | |
Fahnenschwenker für irgendeine Sache, auch nicht für die der EU. Unser | |
großer Helfer und Berater war Ralf Dahrendorf, der zu Zeiten, als | |
europakritische Töne von Linken, auch von unserem früheren Autor Jürgen | |
Habermas, als nationalistisch denunziert werden konnten, genau diese | |
vertrat. | |
Was hatte er gegen Europa? | |
Das zentrale intellektuelle Monitum von Dahrendorf war: Die EU ist keine | |
demokratische Institution. Brüssel ist hauptsächlich ein | |
Verwaltungsapparat. Das könnte man nur ändern, wenn man die Vereinigten | |
Staaten von Europa herstellt. | |
Darauf läuft es doch hinaus, oder? | |
Wenn in einem Nationalstaat wie Deutschland der Länderfinanzausgleich | |
zwischen Baden-Württemberg und Bremen nicht funktioniert, sozusagen | |
kriegerische Emotionen hervorruft - wie kann das dann zwischen Finnland und | |
Portugal funktionieren? Die Rhetorik zu Europa serviert dauernd Sollens-, | |
keine Seinsvorstellungen. Diese verzweifelte, unpolitische Rede im Stil von | |
Seien-wir-alle-lieb-rücken-wir-alle-enger-zusammen, ist Unfug. Man kann | |
Europa nicht einfach beschließen. | |
So bleibt es, wie es ist? | |
Nur unter einer Bedingung werden Karten völlig neu gemischt: nach einem | |
Krieg. Dann ist alles möglich. Wer denkt, jetzt könne so weitergemacht | |
werden, hat keine Ahnung von Politik, jedenfalls nicht im Sinne Alexander | |
Kluges Politik als Form von Intensität. | |
Krieg? Sie denken, es fehlt, wie in den USA des 19. Jahrhunderts, ein | |
Bürgerkrieg, um das Land zu einen? | |
Der war nötig, auch für die Befreiung der Sklaven. Das muss man wohl so | |
kaltherzig sagen. Der große Soziologie Karl Otto Hondrich sprach, so hieß | |
auch sein Buch, vom "Lehrmeister Krieg". Als er das in Frankfurt | |
vorstellte, war er gleich zum Kriegshetzer erklärt worden. Natürlich | |
wünscht sich niemand einen Krieg in Europa. Aber dieses naive | |
Legoland-Denken wie in den Zeitungen oder im Bundestag deprimiert mich. Man | |
wünscht sich dauernd was und sagt nicht, was diesen Wünschen emotional, | |
historisch und politisch entgegensteht. | |
Sie nannten das Stichwort: Seins- statt Sollensvorstellungen. Ist der | |
"Merkur" so zu charakterisieren: ein Periodikum, in dem aufgeschrieben | |
steht, was ist - nicht, was sein soll? | |
Ja, das fand ich immer interessanter. Zunächst aus ästhetischen Gründen. | |
Die Leute, die Sollensvorstellungen vertreten, sind mir durch die Bank | |
unsympathisch. Mit denen möchte ich nicht befreundet sein, die quakeln so | |
rum, tun sich wichtig und wissen Bescheid. | |
Welchen Typus meinen Sie? | |
Den durchblickenden Leserbriefschreiber vor allem, den verachte ich. Die | |
taz ist in dieser Hinsicht auch nicht ganz schlecht, aber die wirkliche | |
Avantgarde dieser Position ist die Zeit. Immer dieser Duktus im Stile von | |
Überschriften wie: Was die Menschheit jetzt tun muss. Diese Attitüde aus | |
Größenwahn und keine Ahnung haben - lächerlich. Wer Visionen hat, muss | |
woanders hingehen, aber bitte nicht zum Merkur. | |
Ein harsches Urteil. | |
In der deutschen Presse schienen mir jene Leute, die erzählen, was sie | |
täten, wenn sie der Kaiser von China wären, immer überrepräsentiert. | |
Umstritten ist Ihre Zeitschrift nicht immer gewesen. | |
Bis 1989 war alles easy. Ich habe 1980 angefangen, Bohrer 1984. Wir konnten | |
im Unterschied zu den Zeitungen längere, tiefer gehende Texte | |
veröffentlichen - und wir hätten ewig so weitermachen können. Dann kam | |
1989, und für uns begann ein neues Leben. Aus der Ameisenperspektive, aus | |
unserer nämlich, waren wir uns einig: Der Zusammenbruch der DDR ist prima. | |
Bohrer als anarchischer Konservativer, ich als Linker mit | |
sozialdemokratischem Hau, wir sagten: DDR - weg! Wiedervereinigung - ja! | |
Wir waren eindeutig. | |
Viele haben alles mögliche befürchtet bei der Wiedervereinigung. Sie nicht? | |
So von wegen Viertes Reich? Was für ein Quatsch! Wenn man sich selbst im | |
Spiegel anguckte oder die Leute auf der Straße, wusste man doch, da würde, | |
jedenfalls zu meinen Lebzeiten, nicht der bekannte alte Blödsinn | |
wiederholt. Das haben wir sehr deutlich formuliert, und das hat dann | |
schnell zu Zerwürfnissen mit wichtigen Leuten geführt. | |
Gut eine Dekade später hieß es, Sie und der "Merkur" seien Kriegstreiber, | |
im Zusammenhang mit 9/11. Das traf Sie nicht minder? | |
Man hat uns übel genommen, dass wir die Idee des Westens betonten, dass wir | |
Freiheit auch verteidigt sehen wollten. In einer deutschen Zeitung stand, | |
der Merkur setzt die Pickelhaube auf. | |
Man attestierte Ihnen gar Kriegstreiberei. | |
Solche Wörter gab es, ja. Okay, die standen im Feuilleton, und das muss man | |
nicht alles so ernst nehmen. Ich war doch so ein guter freundlicher Mensch, | |
und plötzlich guckte mir im Spiegel der Nazi entgegen! | |
Weil der "Merkur" "westliche Werte" unterstrich? | |
Diese Werte haben wir immer vertreten. In der Sache hatte sich nichts | |
geändert, aber wir haben es deutlicher formuliert, auch in Sachen Islam, | |
den wir als illiberal beschrieben. Wir sind von einigen nicht mehr | |
wahrgenommen worden als Leute, die etwas Interessantes beisteuern, sondern | |
die durchdrehen und wahnsinnig sind. Wir wurden gefragt: Was habt ihr denn | |
für konservatives Zeugs im Blatt? Und wir antworteten: Besser als so ein | |
abgestandener Linkskram. | |
Linkskram - was soll das sein? | |
Ein Antikapitalismus, der 1989 nicht ernst nimmt. Für mich waren | |
diejenigen, die 1990 ff. weiterhin auf den bösen Kapitalismus und die | |
Globalisierung einhämmerten, unterbelichtet. | |
Inwiefern? | |
Aus der Perspektive des lieben Gottes mögen die Unterschiede zwischen | |
Bundesrepublik und DDR klein gewesen sein, aber aus unser aller | |
Ameisensicht nicht. Wenn es hieß, die Idee des Sozialismus wäre gut | |
gewesen, die Umsetzung jedoch schlecht, ist das in jeder Hinsicht | |
intellektuell nicht relevant. Von Linken hieß es auch nach 1989, die | |
Grundwidersprüche sind doch weiterhin da. Aber diese hohe Warte der | |
Geschichtsbetrachtung leuchtet mir nicht ein. Es ist nun einmal so: Überall | |
dort, wo Freiheit herrscht, gibt es auch Kapitalismus. | |
Sie legen sich offenbar gern mit allen an. Schätzen Sie keine | |
Gemütlichkeit? | |
Im Leben? Doch. Aber nicht im Denken. Denken muss sein wie ein Foxterrier. | |
Bissig. | |
Im neuen "Merkur", dem Sonderheft zu Nonkonformismus, lästern Sie wieder | |
Günter Grass an. Warum gerade ihn? | |
Ein neuer Nonkonformismus kann nicht den der fünfziger Jahre wiederbeleben, | |
wo es so etwas wie Allzuständigkeit und prämierte Großmäuligkeit gab. Ein | |
selbstgerechtes Rumpelstilzchen wie Günter Grass ist nur noch komisch | |
heutzutage. | |
Doch weshalb füllen sich die Säle, wird Grass angekündigt? | |
Wie ich schon vor vierzig Jahren zu Willy Brandt sagte … - so beginnt er | |
seine Statements. Um noch anzufügen, dass er, Brandt, gut beraten gewesen | |
wäre, wenn er mehr auf ihn, Grass, gehört hätte! Das anzuschauen ist | |
einfach lustig. Ein Kuriosum im senfbraunen Cordanzug, literarisch seit | |
vielen Jahren nicht mehr interessant. Das ist wie bei den Stones oder bei | |
Helden der Volksmusik: Begleitet von Fans, die schunkeln wollen. Aber das | |
ärgert mich nicht. | |
… was ärgert Sie denn? | |
Bei richtig lebendigen Menschen Denkfaulheit. Die des Günter Grass kann man | |
seinem Alter zuschreiben und dass er prominent bleiben will. | |
Im "Merkur" ist gern der Gutmensch verlästert worden. Haben Sie etwas gegen | |
gute Menschen? | |
Ursprünglich war der Begriff Gutmensch nützlich, um die eigenen Leute zu | |
ironisieren. Solche, die eben sagen, man sollte, könnte, müsste. Menschlich | |
ist das völlig in Ordnung, aber das ist das Gegenteil von Politik. | |
Was meinen Sie damit? | |
Am Beispiel der Grünen: Deren Entwicklung und Erfolg basiert darauf, dass | |
sie tatsächlich einen epochalen Wandel mitinitiiert haben. Bis dato war der | |
Gegenstand der Politik der Bürger. Jetzt ist es aber der Mensch. | |
Können Sie uns diesen Unterschied definieren? | |
Der Bürger ist Teil des Staates, aber er ist nicht insgesamt Gegenstand der | |
Politik, sondern nur seine Schauseite. Er hat Pflichten und vor allem | |
Rechte. Was er "hinten" macht, geht den Staat nichts an, er kann fressen, | |
saufen, sonst was machen. Der Bezug auf den "Menschen" hat schnell einen | |
totalitären Zug - er meint den Zugriff aufs Ganze. | |
Wie zeigt sich das im Alltag? | |
Plötzlich soll ich zum Beispiel nicht mehr rauchen. Die Iren haben sogar | |
damit angefangen, ihre qualmenden Pubs zu schließen. Jetzt geht es um die | |
Gesundheit aller. Früher sah es nur hässlich aus, wenn jemand so eine Wampe | |
hat wie ich. Heute traut man sich kaum zu sagen: Das ist vielleicht für | |
meine Gesundheit nicht gut, aber kümmer du dich um deinen Kram! Ich kümmer' | |
mich schon um meinen. | |
Das Passivrauchen schädigt … | |
Ja, so konnte das durchgesetzt werden, dieser alltägliche Antiliberalismus: | |
Weil es hieß, Passivrauchen tötet. Obwohl es statistisch nicht bewiesen | |
wurde. Irgendwann wird wohl der Anblick meines Bauches ungeborene Kinder | |
erschrecken … | |
Schlank zu sein ist das neue Ideal der Mittelschichten, die ja gern grün | |
wählen. | |
Ich wähl' nicht grün, wie Sie sehen! Ich wär' schon gerne schlanker, aber | |
wem das nicht gefällt, dem sag ich eben: Mir gefällt auch nicht alles, wenn | |
ich auf die Straße gehe. 98 Prozent der Menschen, aus den verschiedensten | |
Gründen, missfallen mir. Damit muss man zurechtkommen. Arschgeweihe, die | |
tun meinem Auge weh, ich mach' aus meinem ästhetischen Urteil aber keine | |
Politik. Überall diese moralischen Urteile, die sich als Fürsorge ausgeben, | |
schrecklich. | |
Was halten Sie dann vom neuen Star der Protestszene, dem "Wutbürger"? | |
Ist doch nichts Neues! Not in my backyard - darauf läuft es raus. Das | |
versteht man, da darf man nicht hyperkritisch sein. Ja, ich will nicht, | |
dass das Asylantenheim neben meinem Haus gebaut wird. Das dürfte man | |
vielleicht nicht sagen, aber in Sachen Startbahn darf man seine Sorge | |
vortragen. Was mich rasend macht, ist, dass das menschheitsgeschichtlich | |
aufgeblasen wird. Über allem schwebt so ein moralisches Ding wie: Was wir | |
als Deutsche nicht gegen Hitler getan haben, machen wir jetzt gegen den | |
Bahnhof. | |
Noch so ein Aufreger: Der Papst kommt. Soll man gegen ihn protestieren? | |
Man muss verdammt gute Gründe haben, gegen ihn zu demonstrieren. Beim Schah | |
damals in Westberlin, das habe ich eingesehen. Dass es ärgerlich ist, wenn | |
so ein Gauner in so einer devoten subalternen Weise hofiert wird. Aber der | |
Papst? Sozusagen ein ausländisches Staatsoberhaupt. Wenn Katholen Kinder | |
missbrauchen, sollen sie in den Knast oder was auch immer. Aber dass er | |
hierherkommt - na und? | |
Sie scheint gar nichts zu betreffen, was politisch allgemein auf der Agenda | |
steht. | |
Natürlich geht mich das alles an: Demografie, Bildungspolitik, | |
Gletscherschmelze. Aber ich muss doch zur Kenntnis nehmen, dass, | |
beispielsweise, der Klimawandel weder mit "Vernetzung" noch mit nationaler | |
Politik zu bekämpfen ist. Ich freue mich nicht darüber, ich konstatiere das | |
nur. Man kann nicht mit drei, vier Fischer-Chören rufen: Geht in Euch! Das, | |
was ihr als gute Menschen euch wünscht, ist richtig, aber durchsetzen | |
können werdet ihr es nicht. | |
Haben Sie eine Idee, wie man das ändern könnte? | |
Hätte ich eine, könnte ich eine eigene Partei aufmachen. Man muss mit der | |
Begrenztheit des eigenen Lebens umgehen. Im Privatleben kann ich auf | |
Umweltgeschichten reagieren. | |
Trennen Sie Ihren Müll? | |
Ja, aber nicht gut genug. Wenn ich von Freunden ermahnt werde, reagiere ich | |
mit einem Wutanfall und sage: Und was ist mit deinen Fernreisen? Ich kenne | |
niemanden, der einen so kleinen ökologischen Fußabdruck hat wie ich. Ich | |
habe kein Auto, ich reise nicht gern, ich fliege auch nicht in die | |
Dominikanische Republik. Auf meiner Privatebene lebe ich so, dass der liebe | |
Gott ein Wohlgefallen an mir hat. | |
Sie reisen nicht? | |
Gelegentlich leihe ich mir für eine Woche ein Auto und kajuckel ein | |
bisschen durch Deutschland. Quedlinburg, Görlitz, dort spazieren gehen, | |
kieken, so was mache ich gern. Am Strand sonnen - das gönne ich allen | |
Menschen, aber seit ich 25 war, habe ich so was nie machen wollen. | |
Was alle machen, hat für Sie wohl prinzipiell keinen Reiz? | |
Ich gehe nicht so weit zu sagen: Weil die anderen es machen, gefällt es mir | |
nicht. Aber mit einem gewissen Behagen stelle ich fest, dass es meist so | |
ist. Was die anderen machen, reizt mich häufig nicht. Ich bin anders, von | |
Natur aus. | |
Sie gehen doch auch dorthin, wo sehr viele andere sind, oder? | |
Okay, im Fußballstadion bin ich gern Teil dieser Masse. Oder beim | |
Popkonzert … | |
Wann waren Sie bei einem? | |
Bei den Beatles, 1966 in Hamburg. Zuletzt waren es die Stones in Berlin. | |
Vor mir saßen zwei Männer, die waren wahrscheinlich so alt wie ich, aber | |
sahen aus wie meine Großväter, mit weißen Zottelhaaren. Sie trugen | |
Motorradkutten, echte Kawenzmänner. Dann ging das los, und sie schunkelten. | |
Fast bin ich selbst in Tränen ausgebrochen, vor Rührung. Und dachte ganz | |
kurz: Eigentlich sind wir alle Brüder! | |
Sie sind doch wohl nicht vorsätzlich eigen? | |
Ich schätze Distanz zur Welt, zur Gesellschaft - ohne mich jetzt gleich mit | |
einer tabubrechenden Schrift damit großzumackern. | |
Sie sind doch aber kein Eremit? | |
Ich habe einen sehr intensiven Freundeskreis, my little family. Es ist die | |
Art von Familie, die mir gefällt. Ich hatte eine gute Familie, aber Familie | |
ist einem ja immer aufgedrungen. | |
Ist diese "Merkur"-Ausgabe über Nonkonformismus eine Art Erbschaft, die | |
Karl Heinz Bohrer und Sie hinterlassen? | |
Wir haben unsere Hefte nie strategisch angelegt - die über Dekadenz, | |
Ressentiments, Amerika, Religion. Aber dieses Heft, das wollten wir mit | |
Blick auf unseren Abschied hinterlassen. | |
In Ihrem Ruhestand … | |
Ich höre nur beim Merkur auf, ich gehe nicht in den Ruhestand. Ich möchte | |
schreiben, längere Sachen. Meine Autorschaft konnte ich in den dreißig | |
Jahren nicht so ausfüllen. Ich weiß nicht, ob ich dafür begabt bin. Wenn | |
nicht, dann koche ich eben wieder. Ich koche gern, und keiner meiner | |
Freunde traut sich, da etwas zu bemängeln. | |
19 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
Jan Feddersen | |
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