# taz.de -- Green Fashion: Proteinfaser statt Hautfalte | |
> Ökomode ist im Luxussegment angekommen: Die Zwillingsschwestern Anja und | |
> Sandra Umann entwerfen vegane Kleidung fernab von Ökoklischees | |
Bild: Luxus und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus | |
Die E-Mail-Signatur ist lyrisch untertitelt: "Zwei Wege boten sich mir dar, | |
ich nahm den Weg, der weniger begangen war, und das veränderte mein Leben", | |
steht unter Mails von Anja Umann. Die Zeilen des US-Dichters Robert Frost | |
bringen den Weg der beiden Gründerinnen des Modelabels Umasan auf den | |
Punkt: "Sich vegan zu ernähren ist mit den Jahren einfacher geworden, aber | |
mit der Mode ist es immer noch unheimlich schwierig", sagt Anja Umann, die | |
für das Design verantwortlich ist. Mit ihrer Schwester Sandra hat sie im | |
März ihre erste Kollektion herausgebracht. | |
Es gibt einzelne Designer wie Stella McCartney, die zwar ein paar vegane | |
Kollektionen machen, oder Designer, die eine vegane T-Shirt-Kollektion | |
entwerfen. Aber so konsequent wie Umasan hat bislang noch keiner die | |
gesamte Kollektion mitsamt Wertschöpfungskette aus nichttierischen und | |
schadstofffreien Komponenten umgesetzt. | |
Im Flagshipstore in Mitte gibt es keine Spur von Ökobaumwollschick. | |
Stattdessen hängen im schlichten weißen Laden asymmetrisch geschnittene | |
Oberteile und funktionale Hosen an der Stange - meist schwarz und elegant. | |
"Wenn unsere Kunden etwas kaufen, erzählen wir es oft persönlich", sagt | |
Sandra Umann, die sich um Produktion und Marketing kümmert, über den | |
Verzicht auf tierische Produkte wie Seide und Wolle. "Seide kommt von | |
Seidenraupen, und Merinoschafe werden mit extra vielen Hautfalten | |
gezüchtet, damit sie mehr Wolle hergeben", erzählt Sandra Umann. Aber mehr | |
Hautfalten würden auch zu mehr Parasiten führen, die befallenen Stellen | |
würden den Schafen dann bei lebendigem Leib abgezogen. Dabei gebe es längst | |
Stoffe, die Seide und Wolle ersetzen könnten, auch beim Tragekomfort, | |
ergänzt Anja. Sie zieht den langen Ärmel eines schwarzen Shirts hervor, das | |
an der Stange hängt. Weich und leicht ist der Stoff. "Soft - oder? Das ist | |
Sojaseide, eine Proteinfaser, die Seide ersetzen kann. Wir benutzen nur | |
Soja- und nicht Milchproteinfasern", sagt sie. Ihre Knöpfe seien nicht aus | |
Plastik oder Leder, sondern aus Stein. | |
Zudem achtet das Label darauf, dass bei der Produktion keine Schadstoffe | |
freigesetzt werden. "Unsere Wertschöpfungskette können wir nur | |
kontrollieren, wenn wir mit wenigen Stofflieferanten und Produktionsstätten | |
zusammenarbeiten", sagt Sandra Umann. Dafür suchten die Schwestern in der | |
Schweiz und Portugal nach Lieferanten, die mindestens den EU-Richtlinien | |
für Umweltschutz und Schadstoffreduzierung folgen. Bei der Produktion | |
"arbeiten wir wegen der langen Lieferwege nicht mit asiatischen Unternehmen | |
zusammen - und weil wir uns nicht sicher sein können, ob ein Kind an der | |
Nähmaschine sitzt", sagt Sandra Umann. | |
Zugleich positionieren die Schwestern ihr Label im High-End-Preissegment. | |
"Luxus und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus", findet Anja Umann, | |
"man kann auch Gutes tun, ohne auf etwas zu verzichten." Nur bei den | |
Schuhen klappt es noch nicht. Hier gibt es für die Designerin noch keinen | |
ästhetischen und qualitativ gleichwertigen Ersatz zu Leder. Obwohl sie sich | |
seit vier Jahren vegan ernährt, behält bei Schuhen die Ästhetik die | |
Oberhand. Allerdings trage sie meist Secondhandschuhe, sagt Anja Umann. | |
"Schuhe aus Kunstleder, die mit sehr vielen Schadstoffen hergestellt | |
werden, sind auch keine gute Alternative." | |
Auch Eleganz und Tragekomfort sind für Umasan keine unvereinbaren | |
Gegensätze: "Wir arbeiten viel mit asiatischer Schnittführung, die | |
europäische ist nicht so bewegungsfreundlich", sagt Anja Umann, die vor der | |
Gründung der eigenen Marke zwei Jahre als Assistentin für den renommierten | |
japanischen Designer Yohji Yamamoto in Paris gearbeitet hat. Die Japaner | |
würden viel mehr Extremitäten berücksichtigen. Mehr zu den Abständen und | |
Winkeln beim Schnitt will sie nicht verraten. Das sei schließlich das große | |
Geheimnis. "Wir wollen auch nicht jede Saison neue Trends setzen", sagt | |
Sandra Umann, "sondern zeitlose und daher nachhaltige Mode entwerfen." Mit | |
den aus Baumrinde gewonnen Schwarz- und Grautönen möchten sie die sonst so | |
schnelllebige Modewelt entschleunigen. "Mit diesen Nichtfarben sehen unsere | |
Kleider nicht neu aus. Ich fühle mich selbst auch erst in neuen Sachen | |
wohl, wenn ich sie paarmal getragen habe", meint die Designerin. | |
Angst vor mangelndem Erfolg aufgrund ihres in der Modebranche etwas | |
ungewöhnlichen Konzepts kennen die Zwillingsschwestern nicht. Schon 2008 | |
haben sie den Start ihres Labels vorbereitet, sich um die Finanzierung | |
gekümmert und mit einigen privaten und öffentlichen Investoren verbunden. | |
"Die Gesellschaft befindet sich im Umbruch, und wir begleiten diesen Wandel | |
als Pioniere mit", sagt Anja Umann. "Wir glauben eher, dass die untergehen, | |
die diesen Weg jetzt nicht gehen und den Wandel verpassen." | |
20 Sep 2011 | |
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Textilien | |
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