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# taz.de -- Zur Arbeit befristet nach Europa: Die neuen Gastarbeiter
> Migrationsexperten plädieren dafür, eine Zuwanderung auf Zeit zuzulassen.
> Der Unterschied zu den "Gastarbeiter"- Programmen von früher liegt dabei
> im Detail.
Bild: Würden gerne auch legal einreisen: Afrikanische Flüchtlinge auf Sizilie…
BERLIN taz | Was kann Deutschland tun, um den Staaten Nordafrikas beim
Übergang zur Demokratie unter die Arme zu greifen und zugleich seinen
eigenen Wohlstand zu mehren? Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen
für Integration und Migration (SVR) plädiert jetzt dafür, aus solchen
Ländern eine "Zuwanderung auf Zeit" nach Europa zuzulassen – nicht zuletzt
mit Blick auf Lampedusa, wo Flüchtlinge aus Tunesien gerade offen gegen die
Zustände im Aufnahmelager der Insel revoltieren.
"Migration lässt sich in einer globalen Welt nicht verhindern", meint der
Wiener Migrationsforscher und SVR-Vorstand Heinz Faßmann. "Es geht darum,
sie zu managen." Die neue Zauberformel heißt: "Zirkuläre Migration". Ein
Konzept, das allen Seiten zu Gute kommen soll. Migranten profitieren, indem
sie im Ausland Arbeit finden und dort Kapital und Wissen anhäufen, mit dem
sie sich in ihrer Heimat ein besseres Leben aufbauen können. Die
Herkunftsländer profitieren von Rücküberweisungen aus dem Ausland sowie dem
Knowhow der Rückkehrer.
In ihrer Studie konnten die Forscher etwa am Beispiel von Ghana nachweisen,
dass dadurch die Wirtschaft solcher Länder gestärkt wird: das
Bruttoinlandsprodukt steigt, die Armutsquote sinkt, und der Handel zwischen
Herkunfts- und Zielland nimmt zun. Und die Aufnahmeländer können durch
gezielte Anwerbung ihren Bedarf an bestimmten Arbeitskräften decken.
Faßmann, Autor der Studie, denkt dabei etwa an "Alten- und
Krankenpflegerinnen oder Kfz-Mechaniker".
Der unabhängige Sachverständigenrat deutscher Stiftungen wurde 2008
gegründet, um Fragen der Integration und Migration wissenschaftlich zu
erforschen. Ihm gehören namhafte Institute - von Mercator bis Volkswagen -
an. In einem neuen Gutachten plädiert er für bilaterale Pilotprogramme zur
"zirkulären Migration".
## Begrenzter Aufenthalt
Dabei sollte der Arbeitsaufenthalt in der Bundesrepublik zeitlich begrenzt
werden, um eine Rückkehr in die Herkunftsländer zu gewährleisten. Im
Gegenzug sollten die Teilnehmer der Programme das Recht erhalten, öfter
wieder nach Deutschland einzureisen. Dazu müssten allerdings bestehende
Regeln im Visa-, Aufenthalts- und Arbeitsrecht geändert werden.
Der Unterschied zu den Gastarbeiter-Anwerbeabkommen der 1960er und 1970er
Jahre liegt im Detail. So sollen die Migranten bereits eine
Berufsausbildung mitbringen und nicht erst in Deutschland angelernt werden.
Auch soll den Herkunftsländern und deren Entwicklung stärker Rechnung
getragen werden, betonte Faßmann – etwa, indem man Kredite gewährt, um den
Rückkehrern eine Existenzgründung zu ermöglichen.
Die Partnerländer für solche Projekte müssten deshalb so gewählt werden,
dass diese Perspektive realistisch erscheint – etwa dadurch, dass sie
relative Rechtssicherheit, etwas Wohlstand und eine gewisse wirtschaftliche
Dynamik bieten.
Erste Schritte in diese Richtung gibt es bereits: So hat die EU mit den
Kapverden und Moldawien sogenannte Mobilitätspartnerschaften geschlossen,
die eine begrenzte Zuwanderung auf Zeit zulassen. Dabei geht es stets auch
darum, die illegale Migration aus diesen Ländern zu verringern. Nun gibt es
Pläne in der EU, diese Abkommen auf Tunesien auszuweiten.
## Der FDP-Minister zeigt sich offen
Auf einer Tagung des Sachverständigenrats am Mittwoch in Berlin zeigte sich
Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) offen dafür. Aus
entwicklungspolitischer Sicht sei die "befristete und oft mehrfache
Wanderung zwischen mehreren Ländern" zu begrüßen. Migranten seien die
"idealen Brückenbauer", doch leider sei das Bild von Migranten hierzulande
"sehr einseitig".
Für die gesamte Regierung sprach Niebel allerdings nicht. Was Innenminister
Hans-Peter Friedrich (CSU) davon hält, lässt sich nur ahnen. Auf der Tagung
wollte niemand aus seinem Ministerium dazu Stellung nehmen.
22 Sep 2011
## AUTOREN
Daniel Bax
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