# taz.de -- Olaf Scholz, SPD-Chef und Bürgermeister: Reich, aber unsexy | |
> Seit einem halben Jahr verwaltet Olaf Scholz (SPD) Hamburg: Visionsfrei, | |
> glanzlos und erfolgreich. Die SPD im Bund wird sich diese Art zu regieren | |
> gut anschauen. | |
Bild: Chaosfrei und ohne Experimente: Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat Ruhe… | |
HAMBURG taz | Olaf Scholz spricht frei und formuliert stets druckreif. Das | |
wirkt souverän, doch die ganz große Kunst ist es nicht. Denn es sind die | |
immergleichen Textbausteine, die Hamburgs Bürgermeister herunterbetet. Sie | |
fehlen nie, ganz gleich ob Scholz vor dem Wirtschaftsrat, den | |
Gewerkschaften oder zu seinen Genossen spricht. | |
"Ordentlich regiert" werde Hamburg nun wieder, jedes seiner Wahlversprechen | |
"eins zu eins" umgesetzt und der Haushalt "eisenhart konsolidiert", lauten | |
die Kernbotschaften der Führungsfigur der hanseatischen Sozialdemokraten. | |
Erstmals in der Geschichte der Hamburger SPD sind Bürgermeister und | |
Parteichef ein und dieselbe Person. Alles Scholz. | |
Seit einem halben Jahr regieren Scholz & Friends nun die Hansestadt. Als | |
Landeschef hat der Ex-Bundesarbeitsminister zuvor nur ein gutes Jahr Zeit | |
gehabt, um getreu seinem Lieblingsmotto - "wer Führung bestellt, wird | |
Führung bekommen" - die heillos zerstrittene Hamburger SPD auf Linie zu | |
trimmen. | |
Mit dem Traumergebnis von 48,7 Prozent hat er sie im Februar nach zehn | |
Jahren harter Oppositionsbank auf die weichen Senatssessel geführt und | |
seiner Partei so bundesweit Rückenwind für das Superwahljahr 2011 beschert. | |
Seitdem gilt Scholz als Erfolgsgarant, einigen Sozialdemokraten gar als | |
Kandidat für größere Auftritte. Viel mehr als an Klaus Wowereit, dessen | |
Wiederwahl zum Berliner Bürgermeister vor wenigen Tagen das Wahljahr | |
beschloss, lässt sich an Scholz ablesen, welcher Politikstil auch die | |
SPD-Kanzlerkandidatendebatte bis 2013 prägen dürfte. | |
Scholz schillert nicht auf dem politischen Parkett. Aufreizend glanzlos | |
arbeitet er seine wenigen Wahlkampf-Versprechen ab - mit der | |
Unaufgeregtheit eines Chefbuchhalters und dem Führungsstil eines | |
Feldmarschalls. Senkung der Kindergartenbeiträge, Abschaffung der | |
Studiengebühren, ein Vertrag mit der Wohnungswirtschaft über den Neubau von | |
mindestens 5.400 Wohnungen pro Jahr und - mit Hilfe eines ungeplanten | |
Steuersegens - Absenkung der Nettokreditaufnahme bereits im laufenden Jahr: | |
Nach gerade einmal sechs Monaten ist all dies auf den Weg gebracht. | |
## Keine Experimente | |
"Klarheit - Verantwortung - Vertrauen" lauten die drei Begriffe, mit denen | |
Scholz und Hamburgs SPD für sich werben. Strukturkonservative WählerInnen, | |
die alles Neue fürchten, die schnörkellos, verlässlich und skandalfrei | |
regiert werden wollen, frei von politischen Experimenten und enervierendem | |
Koalitionsgezerre, werden so bedient. | |
Zum "avanti dilettanti" des schwarz-grünen Modellprojekts, das 2008 mit | |
ambitionierten Reformversprechen im Bildungs-, Umwelt- und Verkehrsbereich | |
startete und am Ende mit leeren Händen dastand, ist dies das passgenaue | |
Gegenmodell. | |
Für Scholz ist Regieren vor allem Handwerk. Reich, aber unsexy ist sein | |
Hamburg, für dessen Zukunft der Bürgermeister bislang keine Vision vor | |
Augen hat. | |
Als er kürzlich überraschend zukunftsweisend Hamburg als "big city" | |
entwarf, nahm er Anleihen beim Harvard-Ökonomen Edward Glaeser und beim | |
zehn Jahre alten CDU-Leitbild der "wachsenden Stadt". Beides schrumpfte der | |
gebürtige Osnabrücker auf die eindimensionale These zusammen, Hamburg müsse | |
in Zukunft höher bauen, um die Stadt so mehr zu verdichten. | |
## Der Hafen hat Priorität | |
Der Fokus des neuen Hamburger Bürgermeisters liegt auf der Wirtschaft | |
Hamburgs und hier, ganz konservativ, bei der Bedeutung des Hafens. Er hat | |
der aktuellen Umwelthauptstadt eine ökologische Diät verordnet. | |
Hohe Energiestandards, die die Bauwirtschaft hemmen, und verkehrspolitische | |
Innovationen, die den motorisierten Individualverkehr ausbremsen, sind vom | |
Menü verschwunden. Hinter der Begründung "nicht finanzierbar" wird | |
politische Paradigmenwechsel versteckt. | |
Gerade weil die Scholzsche Welt als ideologiefreie Zone daherkommt, lieben | |
ihn die der wertegeschwängerten Scharmützel zwischen Schwarz und Grün müden | |
Hamburger. Noch immer liegt die Scholz-SPD in Umfragen nahe an ihrem | |
Wahltriumph einsam an der Spitze, 27 Prozent vor der CDU und gar 33 Punkte | |
vor den Grünen. | |
## Zurück an die Tröge | |
Ohne das schwarz-grüne Chaos des vergangenen Jahres, ohne die | |
sozialdemokratische Selbstzerfleischung der Ära vor Scholz wäre dies nicht | |
möglich. Während die Wähler Scholz die eingekehrte Ruhe und Ordnung danken, | |
fressen die Genossen dem Mann, der sie zurück an die Tröge der Macht | |
führte, brav aus der Hand - noch. | |
Wie lange dieser Hamburger Frieden vorhalten wird, wagt kaum ein | |
politischer Beobachter zu prophezeien. Wann werden die Wähler von Scholz | |
gnadenlos gelangweilt sein? Und wann ballen sich in der von Scholz | |
gleichgeschalteten Partei die Fäuste in der Tasche? | |
Wer ganz oben ist, das weiß auch Scholz, für den kann es fortan nur noch | |
bergab gehen. Auch das werden die Sozialdemokraten im Bund aufmerksam | |
verfolgen. | |
23 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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