# taz.de -- Abschluss des Papstbesuchs: Oberhirte fordert mehr Treue zu Rom | |
> Benedikt XVI. beendet seinen Deutschlandbesuch. Zum Ende ist der Gast | |
> etwas unhöflich geworden gegenüber seinen Schäfchen in Deutschland. | |
Bild: Abgang. Vorhang zu. Der Papst lässt die deutschen Katholiken ohne harmon… | |
FREIBURG taz | Mit zwei Paukenschlägen ist der viertägige Besuch des | |
Papstes in seinem Heimatland am Sonntagabend zu Ende gegangen - und man | |
kann sagen, dass der Gast Benedikt XVI. am Ende sogar etwas unhöflich | |
geworden ist. Sowohl während seiner Abschiedsmesse auf dem Flughafengelände | |
von Freiburg wie bei seiner Rede im Konzerthaus der südbadischen Stadt | |
verurteilte er durch die Blume die katholische Kirche Deutschlands, die ihn | |
doch eigentlich eingeladen hatte. | |
Vor seinen Auftritten in Freiburg hatte der Papst in Erfurt Opfer sexuellen | |
Missbrauchs durch Priester und kirchliche Mitarbeiter getroffen. Für | |
Organisationen, die sich um Betroffene kümmern, war das nur eine hohle | |
Geste. | |
Rund 100.000 Gläubige besuchten am Sonntagmorgen die Messe, die der Papst | |
auf dem Flughafen Freiburg abhielt - ein prächtiges Ambiente, denn bei | |
strahlendem Wetter schien der Schwarzwald ganz nahe. Doch schon beim | |
Treffen mit der Spitze der katholischen Laien, dem Zentralkomitee der | |
deutschen Katholiken (ZdK), am Vortag hatte der Papst kaum verhüllte Kritik | |
an den Strukturen im deutschen Katholizismus geübt. Er sprach von einem | |
"Überhang an Strukturen gegenüber dem Geist" Gottes - die deutsche | |
katholische Kirche gilt im Weltmaßstab als eine sehr reiche, in Jahrzehnten | |
vielfältig mit der Gesellschaft verwobene Gemeinschaft, in der die Laien | |
überdurchschnittlich viel Einfluss auf das kirchliche Leben haben. Auf | |
Deutsch: Ihr seid zu satt geworden. | |
Die Predigt auf dem Flughafengelände ging in die gleiche Richtung, und zwar | |
mit Verweis auf die Hohepriester, denen Jesus im Mätthaus-Evangelium | |
vorwirft, sie hätten seine Botschaft zwar gehört, seien ihr aber nicht | |
gefolgt - während die Außenseiter, nämlich "Zöllner und Dirnen", ihm | |
geglaubt hätten. Der Papst sprach von "kirchlichen Routiniers", die in der | |
Kirche "nur noch den Apparat sehen, ohne dass ihr Herz von Glauben berührt | |
wäre". | |
Der Ausweg des Papstes: Umkehr, "erneuerter Glaube" und mehr Treue zu Rom. | |
Demut empfahl er den widerspenstigen deutschen Katholiken zudem. | |
## Die kleine, brave Truppe | |
Noch deutlicher wurde Benedikt XVI. im Konzerthaus zu Freiburg. Zunächst | |
stellte er rhetorisch die Frage: "Muss die Kirche sich ändern? Muss sie | |
sich nicht der Gegenwart anpassen, um die suchenden und zweifelnden | |
Menschen von heute zu erreichen?" Die erwartbare Antwort: "Es ist | |
Änderungsbedarf vorhanden. Jeder Christ und die Gemeinschaft der Gläubigen | |
sind zur stetigen Änderung aufgerufen." | |
Aber dann schlug der Papst zu: "Um ihre Sendung zu verwirklichen", werde | |
die Kirche "immer wieder auf Distanz zu ihrer Umgebung gehen, sie hat sich | |
gewissermaßen zu ent-weltlichen". Denn es gebe immer die Tendenz, dass sich | |
die Kirche zu sehr "in dieser Welt einrichtet, selbstgenügsam wird und sich | |
den Maßstäben der Welt angleicht. Sie gibt Organisation und | |
Institutionalisierung größeres Gewicht als ihrer Berufung zur Offenheit." | |
Das war ein Vorwurf an die deutsche Tochterkirche, die sich wie kaum eine | |
andere Kirche auf "die Welt" eingelassen hat und zum Beispiel darüber | |
diskutiert, ob Frauen nicht Priesterinnen werden sollten oder der | |
Zwangszölibat fallen sollte. | |
Demgegenüber empfahl der Papst, die Kirche müsse sich entschlacken, müsse | |
ärmer werden. Denn: "Die geschichtlichen Beispiele zeigen: Das | |
missionarische Zeugnis der entweltlichten Kirche tritt klarer zutage. Die | |
von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche kann sich besser | |
und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich | |
weltoffen sein." Es sei "Zeit, die Weltlichkeit der Kirche beherzt | |
abzulegen". | |
Man kann die Botschaft der letzten beiden großen Ansprachen des Papstes vor | |
seinem Rückflug nach Rom etwas überspitzt so zusammenfassen: Die Laien | |
sollen weltabgewandter, unpolitischer und romtreuer werden, die Hierarchie | |
ärmer, braver und strenger gegenüber dem Kirchenvolk. Es ist das, was sich | |
im Episkopat des jetzigen Papstes seit langem zeigt, nämlich eine römische | |
Sehnsucht nach der kleinen, braven Truppe im weiten Abstand zur bösen Welt | |
da draußen. | |
25 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Philipp Gessler | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Susan Sarandon über den Papst: "Der Nazi, den wir gerade haben" | |
Papst-Bashing, Runde zwei: US-Schauspielerin Susan Sarandon hat Benedikt | |
XVI. bei einem Filmfestival offenbar als "Nazi" bezeichnet. Religiöse | |
Bürgerrechtsorganisationen sind entsetzt. | |
Kommentar Papstbesuch: Die Kirche boxt weiter | |
Die Säkularisierung Deutschlands wird voranschreiten, auch ein noch so | |
prächtiger Papstbesuch kann sie nicht aufhalten. So war das Ganze nur ein | |
halber Erfolg für den Papst. | |
Papst in Freiburg: "Vielleicht irgendwann" | |
Gehirnwäsche? Personenkult? Instrumentalisierung? Der Papst hat vor | |
Jugendlichen das Abendgebet in Freiburg gehalten. Was für eine Show! | |
Kolumne Mit dem Papst im Himmel: Volle Fahrt voraus | |
Was bedeutet Nähe so nahe am Papst? Dass man selbst als VAMP kein Interview | |
mit ihm bekommt, immerhin aber über abgesperrte Straßen eskortiert wird. | |
Papst trifft Protestanten: Schöne Worte, leere Hände | |
Das Treffen des Papstes mit Vertretern der Evangelischen Kirche im Erfurter | |
Augustinerkloster ist historisch, die Ergebnisse sind es nicht. Reformator | |
Luther bleibt weiter gebannt. |