Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Familienplanung: Keine Pille für Arme
> Bremen setzt die Ankündigung des Koalitionsvertrags, armen Menschen die
> Kosten für Verhütungsmittel zu erstatten, nicht um. Andere Kommunen sind
> weiter
Bild: Die Anti-Baby-Pille: Für viele Frauen unbezahlbar
Keine Bremer Lösung wird es vorerst für das Problem geben, dass sich seit
den Hartz-IV-Reformen arme Menschen oft keine Verhütungsmittel mehr leisten
können. Zwar heißt es im Koalitionsvertrag: "Familienplanung darf nicht an
der finanziellen Situation der Familien scheitern." Und dass Bremen
zumindest bei Menschen "mit besonderen sozialen Schwierigkeiten" wie
Substituierten und Wohnungslosen die Kosten für Kontrazeptiva übernehmen
wolle. Doch noch nicht einmal dieser Personengruppe - nach Angaben der
Sozialbehörde 3.000 bis 5.000 Frauen - wird derzeit geholfen. Woran dies
genau liegt, kann der Sprecher der Sozialsenatorin, Bernd Schneider, nicht
erklären. Auch eine Frist, bis zu der die Ankündigung der rot-grünen
Koalition umgesetzt werden soll, nennt er nicht. Schneider verweist darauf,
dass der Koalitionsvertrag erst im Juni geschlossen wurde und seine Inhalte
langsam abgearbeitet würden.
Barbara Dennis, Gynäkologin in Bremen-Nord, dauert dies zu lange. "Ich
erlebe es seit Jahren täglich in meiner Praxis, dass Frauen die Pille
absetzen oder für drei Monate unterbrechen, weil sie das Geld einfach nicht
haben", sagt Dennis. Und damit meint sie nicht nur die im Koalitionsvertrag
Genannten. Sondern alle, die wenig haben, also Arbeitslosengeld II beziehen
oder schlecht verdienen.
"Die Leute bemühen sich, aber das Geld reicht hinten und vorne nicht", ist
auch die Erfahrung von Annegret Siebe, Geschäftsführerin des Bremer
Landesverbands von Pro Familia. Die Organisation berät zu Fragen der
Familienplanung. Eine Pillenpackung koste zwischen sechs und 18 Euro im
Monat, rechnet Siebe vor. Die günstigeren Preise gebe es allerdings nur,
wenn man gleich eine Drei- oder Sechsmonatspackung kaufe. Noch schwieriger
zu finanzieren sei die Spirale, die zwar lange halten kann, dafür aber
einmalig mindestens 100 Euro kostet. "Wie soll eine Frau das bezahlen, wenn
sie im Monat nur 364 Euro für ihren Lebensunterhalt bekommt?", fragt Siebe.
Seit Jahren setzt sich Pro Familia für die Kostenübernahme ein. Zuletzt
hatte sie im Mai gemeinsam mit der Ärztin Dennis und 39 Organisationen
sowie 1.782 EinzelunterzeichnerInnen in einem offenen Brief die Bremer
Landesregierung aufgefordert, "umgehend" eine Regelung zu schaffen. Mit dem
Verweis darauf, dass andere Kommunen dies bereits getan hätten. Berlin, das
finanziell nicht besser da steht als Bremen, gibt beispielsweise jährlich
2,6 Millionen Euro für Pille und Co. aus. Das sei zwar viel Geld, sagt die
Sprecherin der Berliner Sozialsenatorin, rechne sich aber, weil Folgekosten
- etwa für Schwangerschaftsabbrüche - gespart würden.
Doch in Bremen sieht man das anders. Die sozialpolitische Sprecherin der
Grünen-Fraktion in der bremischen Bürgerschaft, Susanne Wendland, sagt, sie
halte die Kostenübernahme für Geringverdiener und Arbeitslose zwar für
wünschenswert, sehe aber nicht, wie das finanziert werden solle. Und der
Sprecher der Sozialsenatorin verweist darauf, dass es rechtliche Bedenken
gebe. Schließlich seien Kosten für Verhütungsmittel bereits in dem
Regelsatz enthalten, den Arbeitslose vom Jobcenter bekommen. 15 Euro sind
darin für "Gesundheitspflege" vorgesehen. Deshalb, so Schneider, könne es
theoretisch sein, dass das Geld für die Pille wieder an anderer Stelle
abgezogen würde.
Die rot-grüne Vorgängerregierung in Bremen hatte daher versucht, auf
Bundesebene eine Lösung zu finden, war damit aber an der schwarz-gelben
Bundesregierung gescheitert, die den Regelsatz nicht anheben will.
Erfolglos war auch ein Vorstoß, die Krankenkassen zu einer Kostenübernahme
zu bewegen. Diese zahlen weiterhin nur Kontrazeptiva für Frauen bis 20
Jahre.
Annegret Siebe von Pro Familia ärgert sich darüber, dass es an der
Finanzierung scheitern soll. "Es gibt ein UN-Recht auf selbstbestimmte
Sexualität und Reproduktion." Doch in Deutschland denke man dabei nur an
Entwicklungsländer.
26 Sep 2011
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.