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# taz.de -- Dokumentarfilm über Prostitution: Befeuert von Mezcal und Crack
> In "Whores Glory" ist der österreichische Filmemacher Michael Glawogger
> wieder der Ausbeutung auf der Spur. Dabei setzt er aber zu sehr auf
> spektakuläre Bilder.
Bild: Huren in Bangladesch in "Whores Glory".
"Der Mund ist heilig", sagt die Prostituierte, "er spricht die Suren des
Koran." Das bedeutet: Blowjobs sind verpönt. Die Frau arbeitet im
Rotlichtbezirk von Faridpur, einer Stadt in Bangladesch.
Es ist eine Stadt in der Stadt, ein Labyrinth aus engen Gassen und winzigen
Kammern, die vorherrschende Farbe ist das schmutzige Dunkelgrau der Wände,
vor dem sich die bunten, wenig Haut freigebenden Kleidungsstücke der
Prostituierten abheben. Für die, die in diesem Labyrinth leben und
arbeiten, scheint kein Weg nach draußen zu führen; kaum eine Einstellung
lässt ein Stück Horizont, ein Stück Himmel erkennen.
In Faridpur hat der österreichische Filmemacher Michael Glawogger den
Mittelteil seines neuen Films "Whores Glory" gedreht. Bereits in
"Megacities" (1999) und "Working Mans Death" (2006) dokumentierte er
ausbeuterische Arbeitsverhältnisse an fernen Orten, unter anderem den
Alltag einer Stripperin in Mexiko-Stadt. Für das Triptychon "Whores Glory"
ist er nun wieder rund um die Welt gereist, nach Bangkok, Faridpur und
Reynosa im Norden Mexikos, und wieder gilt sein Interesse den Seiten der
Misere, die spektakuläre Bilder hergeben.
Faridpur ist dabei zweifelsohne der Ort, an dem es die Prostituierten am
schwersten haben; hier gleicht ihre Existenz am meisten der eines Sklaven.
In einer Szene etwa sieht man, wie eine ältere Frau mit einer Puffmutter in
Verhandlung tritt, sie verkauft eine im Nebenraum ausharrende, apathisch
wirkende Heranwachsende; älter als 13 wird sie nicht sein. 5.000 Taka
beträgt der Preis, das sind 50 Euro.
## Hell, gläsern, leuchtend
Die Freier indes schwärmen. Ein Barbier sagt: "Ich gehe jeden Tag
mindestens ein-, zweimal." Und: "Wenn es das Hurenviertel nicht gäbe,
könnten sich die normalen Frauen nicht auf die Straße trauen."
Die Bilder, die Glawogger in Bangkok aufnimmt, sehen ganz anders aus.
Während es in Faridpur grau, eng und schmutzig ist, ist es hier hell,
gläsern, leuchtend. Die Prostituierten sitzen hinter einer Glasscheibe wie
in der Auslage eines Kaufhauses. Als Mittelsmann fungiert ein Angestellter
des Clubs, er erklärt das Preissystem und das Procedere und hilft den
Kunden, die richtige Entscheidung zu treffen. Die Frauen zeigen viel Haut
und tragen Nummern, ihr Warencharakter tritt besonders deutlich zutage.
Und in Mexiko? Geht es wüst zu. Die "zona rosa", der Rotlichtbezirk von
Reynosa, gleicht mit seinen staubigen Straßen und den einstöckigen
Häuserzeilen einer Westernstadt. Die Freier cruisen in ihren Wagen durch
die Straßen, die Prostituierten tragen auffallend oft Schuluniformen und
Stiefel, die übers Knie reichen. Freimütig geben sie Auskunft über ihre
Arbeit und ihre Gefühle, befeuert von Mezcal und Crack.
Eine ältere Prostituierte hält ihre bloßen Brüste in die Kamera, während
sie in einer längeren Sequenz davon erzählt, wie viel Spaß ihr das Gewerbe
macht. Zwei andere rauchen Crack und lümmeln auf einem Bett herum, eine von
ihnen mit nacktem Unterkörper und gespreizten Beinen, sie spielen ein
bisschen aneinander herum. Beeindruckend ist eine Szene, in der Glawogger
sich zu einem Freier ins Auto setzt und dessen delirierende Rede
aufzeichnet. Der Mann, alles andere als ein Adonis, springt zwischen
ultramisogyner Suada und verzückt-geiler Schwärmerei.
## Die Rolle der Religion
Worum es Glawogger geht, ist schnell klar: Indem er die äußeren
Unterschiede zwischen den drei Orten betont, die unterschiedlichen
Architekturen, Farben, Kleidungsstile, gibt er Aufschluss über drei
unterschiedliche Prostitutionssysteme. Von dort aus geht er einen Schritt
weiter, indem die augenfälligen Unterschiede religiös begründet.
In "Whores Glory" erscheint der Islam als besonders repressiv, deswegen, so
die These des Films, haben es die Huren in Bangladesch besonders schwer. In
Bangkok ist das Geld die einzige Religion, und in Reynosa bildet ein aus
dem mexikanischen Katholizismus gespeister Totenkult den Motor für den
Wahnsinn der Frauen. In dieser Todesbrummseligkeit wiederum zeichnet sich
ab, wie verheerend es für die Psyche der Frauen ist, wenn sie jahrelang als
Prostituierte arbeiten.
Der Nachteil dieser klaren Thesen ist, dass Glawogger nicht in den Blick
bekommt, wie die alltägliche, die feinstoffliche Seite der Prostitution
aussieht, zumal der Film zu sehr auf das spektakuläre Bild fixiert ist, auf
die Brüste und die Vagina der Mexikanerinnen, auf impressionistische
Spiegelungen in Bangkok, auf eine Keilerei zwischen zwei Frauen im
Labyrinth von Faridpur.
"Whores Glory" nimmt sich nicht die Zeit, den einzelnen Frauen
nahezukommen, von den Freiern erfährt man (mit Ausnahme der Szene im Auto)
eher wenig beziehungsweise Vorhersehbares, und vieles, was neugierig macht,
wird nicht weiter verfolgt - etwa der Umstand, dass die Prostituierten in
Bangkok Callboys engagieren, sobald ihre Schicht zu Ende ist. Kontexte
bleiben ausgespart: Wie gestaltet sich das Leben derer, die in Faridpur
anderen Berufen nachgehen? Dadurch belässt "Whores Glory" das alltägliche,
harte, auszehrende Geschäft der Prostitution letztlich dort, wo es für das
hiesige Publikum bequem bleibt: im Exotischen.
"Whores Glory". Regie: Michael Glawogger. Dokumentarfilm,
Österreich/Deutschland 2011, 118 Min. Ab 29.9. 2011
29 Sep 2011
## AUTOREN
Cristina Nord
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