# taz.de -- Immer weniger Führerscheinprüflinge: Ohne Lappen geht's doch auch | |
> Immer mehr junge Leute verzichten bewusst darauf, einen Führerschein zu | |
> machen. Vor allem in den Städten verliert das Auto seinen Wert als | |
> Statussymbol. | |
Bild: Lieber auf zwei, als auf vier Rädern. | |
BERLIN taz | "Führerschein? Brauch' ich nicht!", sagt der 18-jährige | |
Berliner Felix Weinreich. Deshalb steht er auf der Verkehrsmesse CleanTech | |
World, die auf dem Gelände des ehemalige Flughafens Berlin-Tempelhof noch | |
bis Sonntag alles rund ums Thema Elektromobilität präsentiert, bei den | |
Elektrofahrrädern. "Die sind geil, damit kann man einen 30er-Schnitt | |
fahren", sind er und seine Freunde sich einig. | |
Laut Claus Tully, Experte für Mobilität und Umwelt am Deutschen | |
Jugendinstitut (DJI) in München, sieht genau so der künftige Prototyp der | |
jungen StadtbewohnerInnen aus. Für sie zählen drei Dinge: Mit | |
Verkehrssystemen flexibel unterwegs zu sein, Dinge nebenher erledigen zu | |
können und fit zu bleiben. "Das kann das individuelle Auto im Gegensatz zum | |
Fahrrad nicht bieten, auch wenn die Hersteller noch so viel Elektronik | |
einbauen", sagt Tully. | |
Aktuelle Zahlen des Kraftfahrbundesamtes zeichnen ein ähnliches Bild: Im | |
Vergleich zu 2007 ist die Zahl der männlichen Führerscheinprüflinge bis 24 | |
Jahre im Jahr 2010 um elf Prozent gesunken. Bei den gleichaltrigen Frauen | |
gab es einen Rückgang von zehn Prozent. Dass der Trend nichts mit dem | |
demografischen Wandel zu tun hat, zeigen Untersuchungen der | |
Verkehrswissenschaftler Weert Canzler und Andreas Knie vom | |
Wissenschaftszentrum Berlin. Demnach nahm die Rate der Führerscheinanwärter | |
in der gesamten Altersgruppe bis 26 Jahre bereits zwischen 2000 und 2008 | |
von 90,5 auf 75,5 Prozent ab. | |
"Zumindest in der Stadt ist das Auto ist nicht mehr der Schlüssel zur | |
Freiheit", so Knie. Stattdessen nutzen die jungen Städter den Öffentlichen | |
Personennahverkehr (ÖPNV), und ihr Geld fließt in die neuen Symbole für | |
Unabhängigkeit: Tablet-Computer, Smartphones, teure Räder. | |
## Urbane Konzepte mit Elektrofahrrädern und Elektrobussen | |
Die Trendwende spürt auch die deutsche Automobilwirtschaft. Willi Diez, | |
Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule für | |
Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, sieht als einen Grund für die | |
sinkenden Zulassungszahlen für Personenkraftwagen auch die Umorientierung | |
der Jugendlichen. Darauf reagierten die Produzenten nun langsam. Zwar | |
stünden weiterhin die Fahrzeugantriebe selbst im Mittelpunkt. "Aber | |
Carsharing und Elektromobilität gehen meist Hand in Hand, und die großen | |
Anbieter von VW über Daimler bis BMW orientieren sich in Richtung | |
Verkehrsdienstleistung", so Diez. | |
Dies spüren BesucherInnen auch auf der Clean Tech World, wo neben | |
individualisiertem Elektroverkehr vor allem urbane Verbandskonzepte mit | |
Elektrofahrrädern und Elektrobussen präsentiert werden. Während der | |
Geschäftsbereich Carsharing mit 190.000 NutzerInnen 2010 in Deutschland | |
noch in den Kinderschuhen steckt, hat man in Frankreich bereits gute | |
Erfahrungen gemacht. Für das Carsharingmodell Autolib, das am Freitag in | |
Paris an den Start ging, bewarben sich im vergangenen Jahr gemeinsame | |
Konsortien aus Automobilwirtschaft und ÖPNV auf Ausschreibungen. Klassische | |
Grenzen zwischen den Konkurrenten verschwammen so. | |
Eine ähnlich enge Zusammenarbeit für starke öffentliche Infrastruktur | |
erhoffen sich viele Wissenschaftler auch für Deutschland. Denn bisher hat | |
der Trend weg vom eigenen Auto einen Bruch - spätestens ab 30 Jahren haben | |
laut Knie wieder 90 Prozent der Deutschen einen Führerschein. Auch Felix | |
Weinreich will irgendwann Auto fahren dürfen. Knie: "Leute wie diese | |
könnten aber trotzdem vom motorisierten Individualverkehr weggebracht | |
werden, wenn durch flächendeckende Parkgebühren endlich mehr Raum für den | |
öffentlichen Verkehr frei wird." | |
1 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Karen Grass | |
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