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# taz.de -- Eröffnung des Aufbau-Hauses in Kreuzberg: Betongewordene Idee
> Der neue Sitz des Aufbau Verlags in Berlin-Kreuzberg wurde mit viel Pomp
> eröffnet. Entstanden ist ein Miteinander von Hochkultur,
> Selbermach-Aktivismus und Manufactum-Flair.
Bild: Der frühere DDR-Traditionsverlag Aufbau hat eine neue Heimat in Berlin-K…
BERLIN taz | "Ist das schon Gentrifizierung, was hier passiert?" fragte
sich am Freitagmittag Klaus Wowereit im Lichthof des Aufbau Hauses am
Berliner Moritzplatz. Es war natürlich eine rhetorische Frage, die der
Regierende Bürgermeister in seiner Eröffnungsrede für das Haus stellte. Vor
Presse und geladenen Gästen lobte Wowereit das neue Domizil des Aufbau
Verlags als Beispiel für verantwortungsbewußte Immobilienentwicklung. Aus
einer leerstehenden Klavierfabrik sei dank des Engagements von Idealisten
ein Ort geworden, der den Kulturstandort Berlin und eine bislang vergessene
Ecke Kreuzbergs beflügle.
Der Betonbau, der sich seit ein paar Monaten zwischen Imbissbuden,
Discountern und einer uncharmanten Verkehrsinsel erhebt, ist das neue
Gesicht des Moritzplatzes. Und ein seltenes Beispiel dafür, was Politik und
Verwaltung umsetzen können - wenn sie nur wollen. Ein Einkaufszentrum war
geplant auf der innerstädtischen Brache mit der leer stehenden Pianofabrik.
Geworden ist daraus zum Glück etwas ganz anderes: ein 17.000 Quadratmeter
großer Komplex, in dem unter anderem eine Buchhandlung, eine Galerie für
Sinti-und Roma-Kunst, ein städtischer Kindergarten und ein Großmarkt für
Kreativbedarf untergebracht sind.
Die Spinnerei von ein paar Kreuzberger Kreativen überzeugte Bezirk,
Liegenschaftsfonds und Senat, der Unternehmer Matthias Koch brachte
Kapital, den Aufbau Verlag und den Traum seiner Familie von einem
Künstlerhaus mit ein. Dass das Aufbau Haus am Moritzplatz entstand, ist
kein Zufall. Es manifestiert am deutlichsten den Geist, den benachbarte
Initiativen wie das urban-gardening-Projekt Prinzessinnengarten und der
co-working-space betahaus verkörpern: Die Liebe zu Ideen, schönen Dingen
und zur Improvisation.
Den Charme des Selbstgemachten verkörpert im Aufbau Haus der
Materialgroßhändler Modulor. Rund um eine Ladenfläche voller
Modellbauzubehör und Künstlerbedarf gruppieren sich Handwerksbetriebe, bei
denen man das Erworbene nach eigenen Vorstellungen fräsen, plotten,
bedrucken und nähen lassen kann. Oder lernen kann, es selbst zu tun. Aus
Konsumenten vorgefertigter Stangenware selbstbewußte Bastler zu machen, ist
der Erziehungsauftrag des Unternehmens, das sich als "urbane Ideenguerilla"
begreift.
Auch gute Ideen müssen sich aber finanziell tragen, wie Aufbau-Eigentümer
Matthias Koch sagte - wohl in Anspielung auf den insolventen Frankfurter
Eichborn Verlag, der ein Übernahmeangebot Kochs am Donnerstag endgültig
abgelehnt hatte. Wer in die für Eichborn reservierten Räume einziehen soll,
blieb am Freitag offen. Dass für die finanzielle Balance des Hauses gesorgt
ist, demonstrierten die Mieter, die ihre Läden im Lichthof und an den
Außenfassaden geöffnet hatten: Fotostudios, Läden für Designermöbel und
-Türklinken, eine Fläche für Gourmet-Events und Kochzubehör. Die Kür für
den Kiez bilden ein Ausbildungsprojekt für Jugendliche, der Kindergarten im
Dachgeschoss und das Theater TAK, das sich kulturellen Minderheiten
verpflichtet sieht.
Wie dieses Miteinander von Hochkultur, Selbermach-Aktivismus und
Manufactum-Flair in den Kreuzberger Kiez hinein wirkt, wird sich zeigen.
Die Absichten jedenfalls sind gut, wie Koch betonte. Als "rot-grünes
Projekt" biete man niedrige und langfristige Mieten. "Das Gegenteil von
Gentrifizierung ist der Fall", beruhigte Koch und zog eine Parallele vom
Programm des Hauses zum Verlagsprofil: Statt Beliebigkeit und leichter
Amüsier-Kunst wolle man Solidität und Anspruch bieten. Solide war das
Auftaktprogramm allemal: Zwei Fotoausstellungen, eine Theater-Performance
und ein Konzert der Frauen-Bläser-Combo "Venus Brass" bildeten den Auftakt
für eine zweitägige Sause, die das neue Haus am Moritzplatz bestimmt auf
die Karte der Berliner Event-Locations rücken wird.
30 Sep 2011
## AUTOREN
Nina Apin
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