# taz.de -- Leichtathlet über Sport und Sponsoren: "Die Grenze ist überschrit… | |
> Mittelstreckenläufer Andreas Grieß über einen offenen Brief an seinen | |
> Verband, das Verhältnis des Sports zum Fernsehen und die Geringschätzung | |
> von Athleten. | |
Bild: Hochspringerin Meike Kröger gehört zu den Unterzeichnern des Briefs. <a… | |
taz: Herr Grieß, auf Ihre Initiative hin wurde ein kritischer offener Brief | |
an den Deutschen Leichtathletik-Verband verfasst, den mehr als fünfhundert | |
Athleten unterschrieben haben. Woran stören sich denn die Unterzeichner? | |
Andreas Grieß: Uns missfällt, dass schon in den vergangenen Jahren bei der | |
Organisation der Deutschen Meisterschaften eine allgemeine Geringschätzung | |
von Athleten zu spüren war, die nicht auf dem Niveau der Nationalmannschaft | |
unterwegs sind. Bei den Vorläufen werden dem Publikum etwa nicht alle | |
Starter, sondern nur jene mit Titelchancen vorgestellt. Verschärft hat sich | |
das nun auch noch dadurch, dass der DLV im Juli eine Reform beschlossen | |
hat, künftig bei den Meisterschaften die Teilnehmerfelder zu begrenzen. | |
Dann hätte man immerhin mehr Zeit, alle Teilnehmer vorzustellen. | |
Dafür gab es bislang auch genügend Zeit, nur hat man diese mit fingierten | |
Sponsorengesprächen gefüllt. Es geht uns nicht nur um die einseitige | |
Orientierung an den Spitzenleuten, sondern auch um den aufgeblasenen | |
Eventcharakter. | |
Sie sprechen von der "Aushöhlung des Sports zugunsten von TV-Sendern und | |
Sponsoren". Die Funktionäre sagen, das muss so sein, damit die Sportart | |
überlebt. | |
Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass die Zuschauer zu den Deutschen | |
Meisterschaften gehen, weil sie sagen: Das ist dort quasi wie eine Party. | |
Leichtathletik schauen sich die Deutschen nicht wie Fußball jedes | |
Wochenende an. Aber das ist doch auch in Ordnung so. | |
Ohne diese Vermarktung, so heißt es immer, ist die Förderung von | |
Spitzensportlern nicht zu finanzieren. | |
Das mag stimmen. Ich denke, man muss einen Kompromiss finden. Man hat | |
kurzfristig durch die Vermarktung die Möglichkeit, einzelne Athleten besser | |
zu fördern. Aber die breite Masse bricht weg. Langfristig ist das dann ein | |
Problem. So viel Kohle kann man mit TV-Geldern und Sponsoreneinnahmen gar | |
nicht einnehmen, um eine künstliche Elite für den Sport am Leben zu halten. | |
Außerdem: Wo Platz für die großen Sponsoren geschaffen wird und Athleten an | |
Beachtung verlieren, verlieren auch die kleinen Sponsoren, die einzelne | |
Nachwuchsathleten oder Vereine unterstützen, an Aufmerksamkeit. Wenn man | |
ehrlich ist, sind es aber gerade die, die den Sport am Leben halten. | |
Wo liegt denn die Grenze? Ab wann wird es mit der Vermarktung zu viel? | |
Letztes Jahr hatte ich bei den Meisterschaften den Eindruck, es wird | |
häufiger über irgendwelche Schuhe informiert als über die Sportler. Dadurch | |
wird der Sport an sich unattraktiv. Wenn es um die TV-Sender und ihre | |
Interessen geht: Man muss sicherlich auf deren Vorstellungen beim Zeitplan | |
eingehen. Die Grenze ist da überschritten, wo Forderungen umgesetzt werden, | |
die keinen erkennbaren Nutzen bringen. Wenn man Teilnehmerfelder begrenzen | |
will mit dem Argument, planbarer und attraktiver fürs Fernsehen zu werden, | |
ist das Unsinn. Das Fernsehen zeigt sowieso keine Vorläufe. | |
Wie haben denn die Spitzenathleten auf diesen Brief reagiert? | |
Einige haben ja unterzeichnet. Es sind mehrere amtierende oder ehemalige | |
deutsche Meister dabei. | |
Zum Beispiel? | |
Meike Kröger (Hochspringerin), oder Carsten Schmidt (Gehen), Sören Ludolph | |
(800 Meter). Diejenigen, mit denen ich gesprochen haben, fanden den Brief | |
gut. Die Nichtunterzeichner haben meist argumentiert: Wir wollen uns das in | |
Ruhe noch einmal ansehen. | |
Die Zeichnungsfrist endete vergangene Woche, weil Sie sich eine Reaktion | |
auf der DLV-Spitzensporttagung in Kienbaum versprachen. Haben Sie etwas | |
gehört? | |
Nein, eine direkte Reaktion habe ich nicht erhalten. Über die inoffiziellen | |
Kanäle habe ich gehört, dass man sich beim DLV selbst gar nicht so sicher | |
ist, wohin man mit seiner Reform überhaupt will. Dafür spricht, dass man im | |
Juli die Reform beschlossen hat und einige Eckdaten dann nach und nach | |
herauströpfelten. Die Reform des DLV ist entweder total unüberlegt oder | |
katastrophal kommuniziert. | |
Clemens Prokop, der Präsident des DLV, hat gesagt, man werde die Kritik | |
überprüfen. | |
Dann erwarte ich jetzt eine E-Mail oder einen Anruf. Wenn man einen Brief, | |
den 500 Sportler unterzeichnet haben, ernst nehmen will, muss man mit den | |
Leuten kommunizieren. Für unsere sportliche Vorbereitung auf die Saison | |
müssen wir jetzt wissen, was Sache ist. Man kann nicht erst im Januar die | |
noch unbekannten Qualifikationsmodi und -normen bekannt geben. | |
5 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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