Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streit um Gegendarstellungen in Italien: Die Macht der Wikipedia
> Die italienische Wikipedia kann einen Erfolg verbuchen. Die "Blog-Killer"
> Passage in einem geplanten Abhörgesetz wurde nach ihrem Streik vorerst
> entfernt. Doch die Aktion ist umstritten.
Bild: Nix mehr sehen, nix mehr hören, nix mehr sagen. So stellen sich Demonstr…
Das ging schnell: nicht einmal einen Tag nachdem die italienische Wikipedia
aus Protest gegen eine Passage im Gesetzentwurf zur einschränkenden
Abhörpraxis
[1][//taz.de/Berlusconi-will-Maulkorb-fuers-Internet/%2179366/%E2%80%9C:off
line ging], gibt es schon gute Nachrichten aus dem Parlament: der
zuständige Ausschuss hat den Gesetzestext über eilig eingebrachte
Änderungsanträge so entschärft, dass nicht mehr jede Person ein Recht auf
Richtigstellung habe, egal wie "richtig" diese sei. Seit Donnerstag ist die
Wikipedia deshalb wieder online.
Ganz sicher sind sich die Wikipedia-Aktivisten jedoch noch nicht: Denn die
Beratungen über das Gesetz sind noch nicht abgeschlossen. Das Parlament
könnte also das Gesetz in ihrer ursprünglichen Form verabschieden, das die
Internetaktivisten "Blog-Killer" getauft haben. Gerade in Italien könnte
ein Gegendarstellungsgesetz ohne Richtervorbehalt herbe Konsequenzen haben.
So kursiert gerade wieder einmal ein
[2][//taz.de/Weitere-Peinlichkeiten-von-Berlusconi/%2178300/%E2%80%9C:Mitsc
hnitt eines Telefongesprächs] von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, in
der er sich selbst als "Freizeit-Regierungschef" outete. Mit der
juristischen Keule und Strafen von 12.000 Euro, könnten Blogger einen
Knebel verpasst bekommen. Denn die in dem Gesetzentwurf vorgegebene
Reaktionszeit von 48 Stunden mag ausreichen, um bei den großen
Rundfunkanstalten die interne Rechtsabteilung zu alarmieren. Für einen
privaten Blogger wäre es aber kaum möglich, Rechtsrat einzuholen.
Auch Wikipedianer befürchten Schlimmes: Theoretisch sei es möglich, dass
jeder einzelne Wikipedia-Autor oder Administrator in Italien gezwungen sei
Änderungen vorzunehmen.
## Online-Enzyklopädie mobilisiert Hunderttausende
Internetnutzer hatten in den letzten Wochen vergeblich versucht, die
Öffentlichkeit über diese neue Einschränkung der Meinungsfreiheit zu
alarmieren. Bei Protestaktionen kamen nur wenige Italiener zusammen. Ganz
anders jedoch die Reaktion, als Wikipedia sich in den Streit einschaltete:
Die Presse berichtete weltweit.
Einer
[3][//www.facebook.com/pages/Rivogliamo-Wikipedia-No-alla-legge-bavaglio/18
5745561500946%E2%80%9C:Protest-Gruppe auf Facebook] haben sich mittlerweile
280.000 Menschen angeschlossen. "Die Nutzer haben erstmals verstanden, was
tatsächlich vorgeht, worüber im Parlament überhaupt debattiert wird", sagt
einer der Initiatoren des Protestes, Ilario Valdelli, gegenüber taz.de.
"Die italienische Community hat die neutrale Information über das Gesetz
weit verbreitet."
Um den Protest nicht absterben zu lassen, wirde nach der Aufhebung der
Totalblockade immer noch ein Informationskasten über das geplante Gesetz in
jeden Artikel auf der italienischen Wikipedia eingeblendet. Die Wikimedia
Foundation mit Sitz in San Francisco hat sich hinter den Protest
gestellt:“Die Stiftung steht zu den Freiwilligen in Italien, die das
DDL-Gesetz angreifen“, heißt es in einer Stellungnahme. Unterstützung gab
es auch aus der Community. In der deutschen Wikipedia unterschrieben
[4][fast 700 Nutzer eine Solidaritätserklärung], auch Wikimedia Serbien
erklärte sich mit den Protestlern solidarisch.
## Wikipedianer befürchten Politisierung
Doch innerhalb der Community finden sich auch sehr kritische Stimmen. So
war dem radikalen Schritt keine breit angelegte Diskussion von Tausenden
Wikipedia-Autoren vorweggegangen. Weniger als 50 Wikipedianer stimmten in
einer eiligst angesetzten Abstimmung dem Abschalten der Wikipedia zu. Die
Wikimedia Foundation wurde erst gar nicht informiert, sondern vor
vollendete Tatsachen gestellt.
Dass damit der breiten Öffentlichkeit die Informationen der Wikipedia
entzogen wurde, erscheint manchen als widersinnig. Wenn eine Handvoll
Wikipedianer schlagartig die Online-Enzyklopädie abschalten können, sehen
sie den Informationsauftrag – eigentlich das höchste Ziel der Wikipedia –
gefährdet.
Teilweise wird den Organisatoren auch Falschinformation der Öffentlichkeit
vorgeworfen: "Hier geht es lediglich um einen Gesetzentwurf, der seit 2008
in keiner der beiden Kammern des italienischen Parlaments überhaupt
diskutiert wurde",
[5][//meta.wikimedia.org/wiki/Wikimedia_Forum/Italian_Wikipedia#It.27s_only
_a_drama_.28with_political_purpose.29_-_Please_stop_this_nonsense%E2%80%9C:
erklärt] zum Beispiel ein Wikipedia-Nutzer, der sich selbst als Anwalt
identifiziert. Die von den Protestlern als Bedrohungsszenario beschriebene
Sperrung der Wikipedia sieht er als pure Show: "Das hat gar nichts mit
diesem blöden Gestz zu tun", schreibt er.
In der Tat wäre Wikipedia von dem Gesetz wahrscheinlich überhaupt nicht
betroffen, da das Angebot von den USA aus betrieben wird. Trotzdem erhält
der Anwalt direkt Widerspruch von einem anderen Wikipedia-Aktivisten: "Du
hast eins übersehen: Wikipedia ist politisch. Wir treten ein für freie Rede
und Information." Dass Wikipedia für diese Werte als Kampagnenplattform
benutzt werde, sei daher mehr als gerechtfertigt.
7 Oct 2011
## LINKS
[1] http://typo3/%E2%80%9Chttp
[2] http://typo3/%E2%80%9Chttp
[3] http://typo3/%E2%80%9Chttp
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Solidarit%C3%A4tserkl%C3%A4rung_mit_…
[5] http://typo3/%E2%80%9Chttp
## AUTOREN
Torsten Kleinz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neue Datenplattform für Wikipedia: Fakten sollen zentralisiert werden
Die Online-Enzyklopädie Wikipedia startet ein neues Großprojekt:
Basis-Fakten wie Geburtstage oder Einwohnerzahlen sollen in einer zentralen
Datenbank gebündelt werden.
Berlusconi will Maulkorb fürs Internet: Wikipedia streikt
Italiens Regierung will jeder Person erlauben, Richtigstellungen im
Internet durchzusetzen. Egal wie richtig sie sind. Machen die
Seitenbetreiber nicht mit, drohen deftige Strafen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.