| # taz.de -- Prozessbeginn gegen den "Maskenmann": Die zwei Gesichter des Martin… | |
| > Der Mörder von drei Kindern hat als falscher "Sozialarbeiter" und | |
| > Pflegevater ein Doppelleben geführt. Seinen Nachlass übergab die Kripo | |
| > dem Entrümpler und übersah dabei Hinweise auf die Verbrechen. | |
| Bild: In der Kritik: die Polizeiarbeit bei den Ermittlungen im "Maskenmann"-Fal… | |
| BREMEN taz | Was geht im dem 40-jährigen Mann vor sich, der am Montag mit | |
| Handschellen zur Anklagebank der Strafkammer in Stade geführt wurde, | |
| nachdem er gestanden hatte, drei Kinder ermordet und unzählige sexuell | |
| missbraucht zu haben? Er scheint regungslos, als die Anklageschrift | |
| verlesen wird. | |
| In seiner Wohnung in Hamburg standen Bücher, die Pädophilie als Liebe | |
| verklären. Vor allem aber Kinderspielzeug war in der Wohnung des | |
| unverheirateten, kinderlosen Mannes, Buntstifte und Bastelpapier und | |
| dazwischen eine Einwegspritze. Martin N. hatte oft Kinderbesuch und spielte | |
| gern mit kleinen Kindern. Die Vermieterin, eine 76-jährige Rentnerin, hatte | |
| "Gestöhne und Gequieke" aus dem Schlafzimmer gehört. "Was geht es mich an, | |
| was der da oben treibt?", sagt sie. Und: "Mich hat nur interessiert, dass | |
| der pünktlich seine Miete zahlt." | |
| Für 500 Euro hat die Stern-Redakteurin Kerstin Herrnkind, die früher bei | |
| der taz in Bremen gearbeitet hat, Müllsäcke und sechs Kisten aus dem | |
| Nachlass des Kindermörders dem Entrümplungsunternehmer nach Räumung der | |
| Wohnung und Freigabe durch die Kripo abgekauft. Dabei war das "Spiel des | |
| Wissens", ein Puzzle vom Bremer Weserstadion und ein Schachspiel. Unter dem | |
| grünen Filz des Kartons, in dem die Figuren liegen, findet sie eine | |
| vergilbte Liste, die die Kripo Übersehen haben muss: 22 Kindernamen, mit | |
| Schreibmaschine getippt, dazu "Kenn-Nr. 8013". An neunter Stelle der Liste | |
| steht der Name des Jungen, den Martin N. 1997 missbraucht hat. | |
| "Kenn-Nr. 8013", das fand der Stern heraus, ist die Nummer einer Fahrt der | |
| Bremer Sportjugend in die Pfalz, die Liste ist die Liste der Teilnehmer. | |
| Das spätere Opfer war damals zehn Jahre alt, vier Jahre später klingelte | |
| Martin N. an seiner Haustür - eine schwarze Maske über dem Kopf, eine | |
| Pistole in der Hand. Der Junge öffnete ihm und wurde missbraucht. In seiner | |
| Vernehmung im Jahr 2011 meinte Martin N., er habe den Jungen schon bei der | |
| Sportjugend-Fahrt "total gut gefunden". Offensichtlich "verfolgte" er | |
| potentielle Opfer über Jahre hinweg. In den Medien galt er wegen seiner | |
| Verkleidung als der "schwarze Mann". Aber er war gleichzeitig auch der | |
| nette Onkel von nebenan. | |
| Im Juli 1995 entführte Martin N. den achtjährigen Dennis aus einem | |
| Zeltlager bei Schleswig. Er habe mit dem Kind Ausflüge unternommen, | |
| erklärte N. bei der Vernehmung. Nach ein paar Tagen sei ihm klar geworden, | |
| dass er Dennis nicht mehr zurückbringen könne. Deshalb habe er ihn erwürgt | |
| und seine nackte Leiche mit einer "ollen Schaufel" im Sand vergraben. | |
| "Irgend so eine Spielzeugschaufel." In einer der Kisten, die nach der | |
| Wohnungsauflösung verkauft wurden, lag eine Spielzeugschaufel - in einer | |
| Plastiktüte verpackt. Die Schaufel ist vom Rost zersetzt, in der Tüte ist | |
| Erde und Sand. | |
| Ein Jahr nach dem Mord an Dennis bewarb sich Martin N. beim Jugendamt in | |
| Bremen um einen Pflegesohn. Der Kindermörder meldete sich auf eine | |
| Zeitungsannonce des Amtes für Soziale Dienste, das damals Pflegeeltern | |
| suchte. Das Pflegekind, ein inzwischen erwachsener Mann, war völlig | |
| überrascht, als er hörte, dass er über Jahre in der Hand eines Mörders war. | |
| Nie habe N. ihn missbraucht, versicherte er der Kripo. | |
| Martin N. hatte offenbar auch eine andere Seite, die ihn so normal | |
| erscheinen ließ. Als Wehrdienstverweigerer wurde er problemlos anerkannt. | |
| "Ein Menschenleben ist das Kostbarste überhaupt", begründete er seine | |
| Verweigerung. Seinen Zivildienst leistete er in einem katholischen | |
| Krankenhaus ab - still und höflich, hilfsbereit. Er wohnte im | |
| Schwesternwohnheim. Geflirtet habe er nie, erinnert sich eine der | |
| Schwestern. | |
| Im Jahr 2000 bewarb er sich in Hamburg als Sozialpädagoge bei einer | |
| Stiftung der evangelischen Jugendhilfe. Die staatliche Anerkennung und das | |
| Hochschulzeugnis, das er vorlegte, waren gefälscht. Er arbeitete acht Jahre | |
| in der Einrichtung und betreute Jugendliche aus Problemfamilien. Gekündigt | |
| wurde er 2008, als gegen ihn wegen Kinderpornographie ermittelt wurde und | |
| die Staatsanwaltschaft seinen Arbeitgeber informierte. | |
| 40 Fälle von Missbrauch hat die Kripo ermittelt, einige davon sind | |
| verjährt. Über die Dunkelziffer darf spekuliert werden. Der letzte | |
| ermittelte Fall liegt erst wenige Monate zurück: Martin N. soll im Februar | |
| 2011 noch einen Jungen in Bremen überfallen haben. | |
| Stern-Redakteurin Kerstin Herrnkind bekam am vergangenen Freitag Besuch. | |
| Ein Beamter der Soko Dennis holte sich die Beweismittel, die die | |
| Journalistin im Hausrat des Mörders gefunden hatte. | |
| 10 Oct 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Wolschner | |
| Klaus Wolschner | |
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| Missbrauch | |
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