# taz.de -- Gewerkschaftstag der IG Metall: Basis verteilt Trostpflaster | |
> Erst lehnt die Basis der IG Metall eine Verkleinerung des Vorstands ab. | |
> Dann wählt sie ihren Ersten Vorsitzende Berthold Huber mit einem | |
> historischen Ergebnis wieder. | |
Bild: "Ob fünf oder sieben Vorstände, das ist keine existenzielle Frage für … | |
KARLSRUHE taz | Die Delegierten der IG Metall haben am Dienstagnachmittag | |
auf dem Gewerkschaftstag in Karlsruhe den Antrag des eigenen Vorstands | |
abgelehnt, künftig nur noch mit einer fünf- statt einer siebenköpfigen | |
Führungsspitze zu arbeiten. 305 Delegierte stimmten für die Verkleinerung, | |
166 dagegen. Die nötige Zweidrittelmehrheit wurde um neun Stimmen verpasst. | |
Nur zwei Stunden später bescherten die Metaller dann ihrem ersten | |
Vorsitzenden Berthold Huber als Trostpflaster eine historische Wiederwahl. | |
Huber wurde mit 96,2 Prozent im Amt bestätigt, sein bisher bestes Ergebnis. | |
2007 waren es 92,6 Prozent. Sein Vize Detlef Wetzel, führender Kopf hinter | |
der Organisationsreform, erhielt jedoch nur 83,8 Prozent Zustimmung, knapp | |
vier Prozentpunkte weniger als 2007. | |
Huber dankte den Delegierten für die "extrem hohe Zustimmung". Er | |
versprach, "die Einheit der Organisation zu stärken", und mahnte zugleich: | |
"Veränderungen sind die Bedingung, dass wir in der Zeit bleiben." | |
## "Der Souverän hat entschieden" | |
Die Veränderung in Sachen Vorstandsgröße hatte die Basis jedoch nicht | |
mittragen wollen. Direkt nach Bekanntgabe der geplatzten Reform und vor | |
seiner Wiederwahl war Huber zum Mikrofon geschritten: "Der Souverän hat | |
entschieden, das ist zu respektieren. Dafür werde ich als überzeugter | |
Demokrat immer eintreten." Huber bemühte sich, das Ergebnis, das auch eine | |
persönliche Niederlage für den 61-Jährigen ist, klein zu reden. | |
"Wir sollten bestimmte Dinge nicht überhöhen, ob fünf oder sieben, das ist | |
keine existenzielle Frage für die IG Metall." Wichtiger sei es | |
beispielsweise, in künftigen Krisen den Grundsatz "keine Entlassungen" | |
durchzusetzen. Auch die Organisationsreform gehe weiter. "Ein neues, | |
kooperatives Führungsmodell in der IG Metall zu verankern, darin sehe ich | |
meine Hauptaufgabe." | |
Der Abstimmung vorausgegangen war eine mehrstündige Kontroverse. Einige | |
Delegierte befürchteten, unter einer Verkleinerung des geschäftsführenden | |
Vorstandes leide auch die Meinungsvielfalt an der Spitze. Zudem hätte bei | |
nur noch fünf Posten neben Wolfgang Rhode, der nicht mehr antreten wollte, | |
auch die 61-Jährige Regina Görner ihren Stuhl räumen müssen. Sie besitzt | |
als Einzige im inneren Führungszirkel ein CDU-Parteibuch. | |
## CDU-Arbeitnehmerschaft im Vorstand halten | |
Görner hatte bereits am Montag davor gewarnt, dass sich die Gewerkschaft | |
schwächt: Das "schwarze Mandat war immer ein bewusst gesetztes Zeichen. Es | |
hieß: In der IG Metall sind Minderheiten willkommen." Auch Walter Mann, | |
Delegierter aus Würzburg, widersprach: "Wir verabschieden uns davon, die | |
christdemokratische Arbeitnehmerschaft im Vorstand zu repräsentieren. Das | |
ist nicht richtig." | |
Andere Delegierte hielten dagegen: "Wir sind kein Rundfunkrat, den sich die | |
politischen Parteien nach Interessen untereinander aufteilen", sagte Thomas | |
Pretzl aus Ingolstadt. Und Ulrike Kletezka aus Nordrhein-Westfalen sagte: | |
Es sei ja auch nicht nötig, dass die Grünen in der IG-Metall-Spitze | |
vertreten sind, obwohl sie nun mehr Prozente als früher bekommen: "Lasst | |
uns unsere Arbeit gut erledigten, dann werden die regierenden Parteien | |
nicht an uns vorbeikommen." Auch Huber vertritt im Kern diese Position. | |
Er hatte nach der Abstimmungsniederlage am Dienstnachmittag zu Beratungen | |
im Hinterzimmer zusammengerufen, der Kongress wurde für rund zwei Stunden | |
unterbrochen. Gegen 18 Uhr stand dann fest, dass Görner sich nicht zur | |
Wiederwahl stellt. Für Görner und Rhode schickte der Vorstand zwei neue | |
Gesichter ins Rennen: Die 43-Jährige Christiane Benner aus Aachen und den | |
42-Jährigen Jürgen Kerner aus Augsburg, ein SPD-Mitglied. | |
GegenkandidatInnen gab es allerdings keine. Freuen konnte sich jedoch | |
bereits Hauptkassierer Bertin Eichler: Er bekam 97,9 Prozent Zustimmung und | |
steigerte sich gegenüber 2007 noch einmal um rund einen Prozentpunkt. | |
## 20 Millionen mehr für die Basis | |
Die gescheiterte Verkleinerung des geschäftsführenden Vorstands - daneben | |
gibt es noch einen 29-köpfigen, ehrenamtlichen Vorstand - war als Teil | |
einer größeren Umstrukturierung gedacht, die die IG Metall seit 2007 | |
eingeleitet hat. Sie steht unter dem Motto, oben Ressourcen einzusparen, um | |
mehr Geld an die Verwaltungsstellen durchreichen zu können. So hat die | |
Gewerkschaft in den vergangenen Jahren bereits über 100 Stellen in der | |
Vorstandszentrale gestrichen. 20 Millionen Euro fließen dadurch pro Jahr | |
zusätzlich an die Basis. | |
Der Modernisierungsprozess, den sich die mit 2,27 Millionen Mitgliedern | |
weltweit größte Gewerkschaft verordnet hat, beinhaltet auch eine Verjüngung | |
der Vorstandsspitze, die mit Benner und Kerner begonnen hat. Huber hat sich | |
dafür noch einen besonderen Coup ausgedacht: Offiziell tritt er für die | |
nächsten vier Jahre an. | |
Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass die Gewerkschaft bereits in | |
zwei Jahren das Personalkarussell erneut drehen wird, wahrscheinlich auf | |
einem außerordentlichen Gewerkschaftstag. Der 61-Jährige Huber wird dann | |
wohl seinen Hut nehmen, um seinem Vize Wetzel, heute 58 Jahre alt, eine | |
volle vierjährige Amtszeit zu ermöglichen. | |
11 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Merkel auf Gewerkschaftstag der IG Metall: Lob fürs Maßhalten | |
Die Bundeskanzlerin bedankt sich bei der IG Metall für die gute | |
Zusammenarbeit in der letzten Wirtschaftskrise. Ansonsten liegt man weit | |
auseinander. | |
IG Metall Gewerkschaftstag: Chef verordnet Verjüngungskur | |
Die IG Metall will mehr Geld in die Jugendarbeit stecken. Sie fordert auch | |
eine Debatte über eine "neue Kultur der Arbeit" und ein | |
Investitionsprogramm für ökologische Industriepolitik. | |
Kommentar IG-Metall-Gewerkschaftstag: Eine halbe Niederlage | |
Die IG-Metall-Spitze wird nicht verkleinert, so haben die Delegierten auf | |
dem Gewerkschaftstag entschieden. Das ist kein Drama. Wichtig ist, dass die | |
Basis gestärkt wird. | |
Kommentar IG Metall: Vor dem nächsten Sturm | |
Die IG Metall hat endlich den Aderlass bei den Mitgliedern gestoppt. Doch | |
zu viel Optimismus ist fehl am Platz: Bald könnten erneute | |
Konjunktureinbrüche auf sie zukommen. | |
Gewerkschaftstag der IG Metall: Traditionelles in Rottönen | |
Auf dem Gewerkschaftstag diskutiert die IG Metall ihren Kurs. | |
Bundespräsident Wulff geißelt die Finanzmärkte, IG-Metall-Chef Berthold | |
Huber rügt die Bundesregierung. |