| # taz.de -- Pornos in Großbritannien: Zwangsfilter im Netz | |
| > In Großbritannien soll die Privatwirtschaft Pornos, Gewalt und | |
| > Extremismus aus dem Netz zensieren. Nur die Mädchen auf Seite Drei müssen | |
| > nicht dran glauben. | |
| Bild: Porno? Gewalt? Extremismus? Wird Naked Rugby in Zukunft noch zu sehen sei… | |
| "Kein Sex bitte, wir sind Briten": Dieses altgediente Motto der | |
| konservativen Kräfte von der Insel gilt künftig auch im Internet. Die | |
| Regierung Cameron hat mit den größten Providern des Landes, die satte 17 | |
| der 19 Millionen DSL- und Kabel-Internet-Kunden auf sich vereinen, | |
| Zensurverträge geschlossen, die das künftig regeln sollen. | |
| Die standardmäßig für alle Neukunden eingerichteten Netzsperren sollen | |
| vorgeblich dem Jugendschutz dienen: Wer künftig bei BT, TalkTalk, Virgin | |
| Media oder Sky einen Vertrag abschließt, muss sich um Pornos, aber auch | |
| Gewaltdarstellungen sowie rechten wie linken Extremismus keine Sorgen mehr | |
| machen. Besser noch, gelupft wird der Schleier nur auf Verlangen: Man muss | |
| dem Provider seine Neigung zum unzensierten Netz explizit mitteilen, | |
| "aktive Wahl" nennen die Provider das im Marketingslang. | |
| Was unter anderem auf die kirchennahe "Mother's Union" zurückgeht, konnten | |
| erstaunlicherweise auch die mitregierenden Liberaldemokraten nicht | |
| verhindern, die sich eigentlich als Hüter des freien Netzes verstehen, sich | |
| mit dieser Haltung aber bislang kaum durchsetzen konnten. Der Druck auf die | |
| Provider führte schließlich dazu, dass die Zensur, die unter so schönen | |
| Namen wie "HomeSafe" läuft, künftig in die Infrastruktur beigemischt wird. | |
| "Filtered Feed" nennt sich das dann, Seiten werden providerseitig | |
| vorgeblockt, statt erst auf dem PC mit einem Jugendschutzprogramm gesperrt | |
| zu werden. | |
| Was da wegzensiert wird, dürfte noch spannend werden. Es gibt keine vom | |
| Staat geführte Liste, sondern jeder Provider darf sich eines Dienstleisters | |
| bedienen. Der Größte dürfte der Anti-Viren-Spezialist McAfee sein, der | |
| beispielsweise beim Riesenprovider BT verpflichtet werden soll. Wie das | |
| britische [1][Magazin "PC Pro" berichtet], können sich die dortigen Kunden | |
| auf einiges gefasst machen. | |
| ## Studenten sollen Pornos filtern | |
| Neben automatischen Filtern, die mittels Text- und Bilderkennung nackte | |
| Tatsachen wegfiltern sollen, wird es auch ein "kleines Team" geben, dass | |
| die Zensur nachkontrolliert. Hochqualifiziert sind die Damen und Herren dem | |
| Bericht zufolge nicht: Es soll sich vor allem um Studenten handeln, die den | |
| "Filtered Feed" in so Bereiche wie "Erotik", "Pornografie", "Glücksspiel" | |
| und 30 andere sperrwürdige Kategorien klassifizieren, wenn der Computer | |
| nicht mehr weiter weiß. | |
| Ein Sicherheitsstratege der Sperrfirma, der mit "PC Pro" sprach, zeigt sich | |
| dabei erstaunlich sorglos. Die Klassifizierung sei "nicht besonders schwer" | |
| und könne vermutlich bereits nach einem Tag Training funktionieren. "Ein | |
| Problem sind noch Websites, die ins extreme linke oder rechte Spektrum | |
| gehören. Die haben manchmal Nachrichten oder sowas." | |
| Das Mädchen von Seite 3 muss dagegen vermutlich nicht dran glauben: | |
| Zeitungen wie das Murdoch-Organ "The Sun" planen, eigene Klassifizierungen | |
| in ihre Seiten zu integrieren, die der Filter dann von der Vollzensur | |
| abhält. Was dann letztlich auf der Liste landet, weiß niemand: | |
| Website-Betreiber können es nur selbst testen, die Zensurtabelle ist | |
| Geschäftsgeheimnis von McAfee. Wer sich ungerecht behandelt fühlt, kann das | |
| Privatunternehmen kontaktieren - wie die Chancen aussehen, von der Liste zu | |
| kommen, wird sich zeigen. Einen expliziten Rechtsweg sehen die | |
| Zensurverträge der Cameron-Regierung offenbar nicht vor. | |
| Und Unternehmen, die Netzsperrsysteme betreiben, standen in den vergangenen | |
| Jahren regelmäßig in der Kritik. So [2][zeigte eine Studie] der OpenNet | |
| Initiative erst im Frühjahr, dass bekannte Blockadewerkzeuge, die | |
| eigentlich für besorgte Eltern entwickelt wurden, etwa im Jemen, in den | |
| Vereinigten Arabischen Emiraten oder in Qatar zum Einsatz kommen. | |
| Praktischerweise enthalten sie auch Listen, die religiöse oder politische | |
| Debatten im Web zensieren. Es dürfte interessant werden, was der | |
| Cameronsche Zwangsfilter so alles aus dem Netz haut, was nicht mit | |
| Jugendschutz begründbar ist. | |
| 19 Oct 2011 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.pcpro.co.uk/news/broadband/370561/britains-broadband-censors-a-b… | |
| [2] http://opennet.net/west-censoring-east-the-use-western-technologies-middle-… | |
| ## AUTOREN | |
| Ben Schwan | |
| ## TAGS | |
| Pornografie | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Pornokonsum im Parlament: Very British porn | |
| Britische Abgeordnete und deren Mitarbeiter versuchten in fünf Monaten | |
| 24.000 Mal, auf Sex-Seiten zuzugreifen. Was ist da los in Westminster? | |
| Gesetzesvorhaben "SOPA" in den USA: Alle gegen geplante Netzsperren | |
| Der US-Kongress will mit dem "Stop Online Piracy Act" Medienkonzernen einen | |
| Neujahrswunsch erfüllen. Doch das Gesetz stößt auf heftigen Widerstand. | |
| Jugendschutz in Großbritannien: Regierung sperrt Porno-Seiten | |
| Britische Provider sollen künftig pornografische Seiten aus dem Netz | |
| filtern, aber optional anbieten. Kritiker fürchten, damit könne der Zensur | |
| Tür und Tor geöffnet werden. |