# taz.de -- Energieversorger EnBW: Ein Staatskonzern soll grüner werden | |
> Der "Energie Baden-Württemberg"-Konzern ist ein Atomsaurier. Kommunen und | |
> Landesregierung suchen nach einem Konzept für die Energiewende, einen | |
> Chef und viel Geld. | |
Bild: Suchen nicht nur ein neues Chefgesicht: die Anteilseigner der EnBW. | |
STUTTGART taz | In Baden-Württemberg geht gerade ein linker Traum in | |
Erfüllung und keiner merkt's: Vor fast einem Jahr ist die EnBW | |
verstaatlicht worden. Damals ein Konzern, der voll auf Atom- und Kohlestrom | |
setzte und sich über die Laufzeitverlängerung seiner AKWs freute - ein | |
Feindbild für alle, die eine Energiewende herbeisehnten. | |
Nun wendet sich das Blatt: Der Konzern muss die Energiewende hinlegen, | |
zwangsweise. Thomas Kuster, EnBW-Finanzvorstand, präsentierte am | |
Montagabend die Pläne: Ein Kohlemeiler in Karlsruhe wird zwar fertiggebaut, | |
neue Investitionen fließen aber in Windkraft an Land und auf See sowie in | |
Gaskraftwerke. | |
Manne Lucha saß mit dabei, Landtagsabgeordneter der Grünen, Stadt- und | |
Kreisrat in Ravensburg, einem der Landkreise, die sich zum "Zweckverband | |
Oberschwäbische Elektrizitätswerke" (OEW) zusammengeschlossen haben und | |
46,5 Prozent an der EnBW halten. Weitere 46,5 Prozent hält das von Grün-Rot | |
regierte Baden-Württemberg. "Wer die EnBW der Vergangenheit kennt, weiß, | |
dass das schon fast kulturhistorisch viel war", sagt Lucha. | |
Neue Zahlen über die Ausbauziele bei regenerativer Energie sind noch nicht | |
bekannt - bisher lag es bei 20 Prozent bis 2020, was gerade dem | |
bundesdeutschen Durchschnitt von heute entsprechen würde. Doch was jetzt im | |
Südwesten geschieht, steht exemplarisch für die Umwälzungen im | |
Energiesektor. | |
Der erste Punkt ist emotionaler Natur. Ehemals mächtige Konzerne fressen | |
Kreide, weil es nicht mehr anders geht: Kürzlich diskutierte Hans-Peter | |
Villis, Chef der EnBW, in Stuttgart mit Claus Schmiedel, Vorsitzendem der | |
SPD-Landtagsfraktion. | |
Schmiedel predigte auf dem Podium, dass die EnBW stärker mit Kommunen und | |
Stadtwerken kooperieren müsse. "Wir müssen raus aus der Konfrontation, rein | |
in die Kooperation." Villis wollte dem nicht widersprechen. "Wir sind nicht | |
arrogant", sagte er, "ganz im Gegenteil, wir wollen kooperieren." | |
## Bauer sucht Netz | |
Das müssen sie auch. So ist eines der Hauptgeschäfte der EnBW der Betrieb | |
von Gas- und Stromnetzen. Kommunen vergeben für zwanzig Jahre Lizenzen für | |
ihre lokalen Netze, bisher war die EnBW im Südwesten fast Monopolist, doch | |
nun laufen die Verträge aus und viele Kommunen entscheiden sich gegen die | |
EnBW - auch weil man sich nicht mehr bevormunden lassen will. | |
Lucha nennt als Beispiel den oberschwäbischen Bauern, der seine neue | |
Biogasanlage ans Netz anschließen will, darauf viel zu lange warten muss | |
und dann eine viel zu hohe Rechnung von der EnBW bekommt. "Die EnBW muss | |
lernen, von ihrem hohen Ross herabzusteigen in die Niederungen der kleinen, | |
regenerativen Wünsche", sagt Lucha. | |
Ein Muster, das sich bundesweit erkennen lässt: Die Energiekonzerne | |
verschleppten den Anschluss dezentraler Blockheizkraftwerke oder von Wind- | |
und Solarparks, weshalb Städte und Gemeinden ihre Netze lieber selbst | |
betreiben. | |
## Warum nicht über Kooperationsmodelle reden? | |
Die ertragreichsten Städte sind der EnBW der Reihe nach verloren gegangen - | |
Ludwigsburg, Göppingen, selbst Stuttgart ist so gut wie weg. Die Stadt hat | |
kürzlich ein eigenes Stadtwerk gegründet, obwohl es mit der EnBW Regional | |
AG bereits einen regionalen Versorger gibt. | |
Ein seltsames Spiel, findet der Gewerkschaftler und EnBW-Aufsichtsrat Bodo | |
Moray: Die eine öffentliche Hand konkurriere gegen die andere. "So ist die | |
Gefahr groß, dass Bürgergeld verbrannt wird. Es leuchtet nicht ein, weshalb | |
man nicht über Kooperationsmodelle redet." Immerhin, man ist im Gespräch, | |
bis Ende des Jahres wird eine Entscheidung erwartet. | |
Beteiligungen zwischen Stadtwerken und großen Energieversorgern sind nichts | |
Neues. Neu ist der Ansatz, die Energiekonzerne zu Dienstleistern umzubauen, | |
die ihre Erfahrung zum Betrieb von Netzen anbieten. Immer mehr kleine, | |
dezentrale Kraftwerke - Solar, Wind, Wasser, Gas - sollen die großen Blöcke | |
ersetzen. Das Management dieser Systeme wird immer komplexer, gleichzeitig | |
starten Kommunen eigene Stadtwerke und brauchen Wissen. | |
## Kommunen sind Mitstreiter, nicht Konkurrenten | |
Der Grünen-Experte für Energiewirtschaft, Wolfgang Raufelder, sieht die | |
EnBW "als große Klammer", um gemeinsam mit anderen Versorgern Strategien zu | |
erarbeiten, denn sie besitze das Fachwissen, etwa für Netzbetrieb oder | |
Netzerneuerung. | |
"Wir müssen Vertrauen gewinnen bei den Kommunen, dass die EnBW nicht | |
Konkurrent, sondern Mitstreiter ist", sagte Raufelder - die EnBW als | |
Dienstleister für Stadtwerke. Wie viel für seine Partei am Ausgang des | |
EnBW-Umbaus hängt, weiß Raufelder. "Wir müssen auch beweisen, dass die | |
grüne Philosophie trägt. Alles andere wäre ein Offenbarungseid." | |
Bei der SPD will man die Energieerzeugung als Kerngeschäft halten und die | |
EnBW stärken. Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) ist das Konzept noch | |
nicht klar genug: "Die Landesregierung wird der EnBW keinen Blankocheck | |
geben, ohne dass klar ist, wohin der Konzern steuern wird", sagte er der | |
taz. | |
Das Land jedenfalls braucht für die EnBW dringend ein neues | |
Geschäftsmodell, weil ihr Wert seit der Übernahme Ende 2010 um eine | |
Milliarde Euro gesunken ist. Ministerpräsident Winfried Kretschmann soll | |
die Sache an sich gezogen haben und an Modellen arbeiten lassen. Denn an | |
der EnBW hängt auch die Frage, ob die Grünen das können, Industriepolitik | |
machen. | |
Zunächst braucht der Konzern dringend Geld. 2010 war das erfolgreichste | |
Jahr der Geschichte, im ersten Halbjahr 2011 kamen die Verluste. Zuerst | |
vergoldete die Laufzeitverlängerung für AKWs die Zahlen, dann vermasselte | |
der Atomausstieg alles wieder. Ratingagenturen stuften die Bonität von EnBW | |
herunter, das Geld für Investitionen ist nun wesentlich schwerer zu | |
beschaffen. EnBW hat vier Windparks in der Nordsee in Planung, einer ist in | |
der Ostsee in Betrieb. | |
## Neues Kapital gesucht | |
Erst am Montag stellten die Landkreise der OEW eine Kapitalerhöhung in | |
Aussicht. Die Rede ist von 400 Millionen Euro, weitere 750 Millionen will | |
der Konzern durch den Verkauf von Beteiligungen im Ausland und durch | |
Stellenabbau eintreiben, im Gespräch sind 2.500 Arbeitsplätze. | |
Auch das Land soll 400 Millionen zuschießen; sollte es dazu nicht kommen, | |
hat Ver.di-Mann Bodo Moray Widerstand bei den Entlassungen angekündigt. | |
Ministerpräsident Winfried Kretschmann kündigte am Dienstag an, er wolle | |
bis April 2012 neue kapitalkräftige Miteigentümer an Bord holen. Die Rede | |
ist von Stadtwerken oder Investoren aus dem Ausland. | |
Fraglich ist, was mit Hans-Peter Villis wird. Viele wünschen sich längst | |
einen neuen Kopf. Als Villis vor vier Jahren EnBW-Chef wurde, sagte er: | |
"Mein Traum ist es, einmal ein Kernkraftwerk zu bauen." Damals hätte Villis | |
nicht im Traum gedacht, dass einmal ein Ministerpräsident von den Grünen | |
über seinen beruflichen Werdegang zu entscheiden hat. | |
Jetzt könnte ihn die Energiewende hinwegfegen wie den scheidenden RWE-Chef | |
Jürgen Großmann. "Das Unternehmen ist komplett gelähmt", "eklatante | |
Führungsschwäche" - solche Stimmen hört man über Villis hinter | |
vorgehaltener Hand. Sein Vertrag läuft in einem Jahr aus. | |
Bis Ende 2011 müsste er verlängert werden oder ein neuer Chef muss gefunden | |
sein. Ewald Woste war im Gespräch, Chef der Thüga, ein Verbund von 90 | |
kommunalen Unternehmen. Momentan, so hört man, findet sich kein Nachfolger. | |
Immerhin, schon auf den Geschäftsbericht 2010 ließ Villis ein Windrad im | |
Meer drucken. | |
19 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
N. Michel | |
I. Arzt | |
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