# taz.de -- Obdachlosen-Politik: Zahlenspiele fürs Klo | |
> Die veranschlagten Kosten für das geplante Toilettenhaus an der | |
> Kersten-Miles-Brücke könnten sich als Luftnummer erweisen. Denn der Bau | |
> scheint überdimensioniert zu sein. | |
Bild: In den Augen aufgebrachter Bürger droht ein solcher Luxusabort für die … | |
HAMBURG taz | In der Diskussion um das geplante Toilettenhaus an der | |
Kersten-Miles-Brücke sind Zweifel an der Höhe der bislang veranschlagten | |
Kosten aufgekommen. Das Haus war eine der Ideen, die ein runder Tisch | |
entwickelt hatte, um das Miteinander von Anwohnern, Touristen und | |
Obdachlosen zu entspannen. Der Leiter des Bezirksamts Mitte, Markus | |
Schreiber (SPD), hatte für ein Toilettenhaus mit 14 Kabinen die Summe von | |
500.000 Euro genannt. | |
Dieser Preis war ihm auf Anfrage in einem Bericht der Behörde für | |
Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) genannt worden, die für öffentliche | |
Toiletten in der Stadt zuständig ist. Daraufhin war in verschiedenen Medien | |
mit Überschriften wie "Luxusklo für Obdachlose" eine Debatte um die | |
Angemessenheit der Ausgabe geführt worden. Das Bauressort hatte in seinem | |
Gutachten jedoch darauf verwiesen, dass der Bau überdimensioniert sei, was | |
Amtschef Schreiber dem runden Tisch aber nicht weitergegeben hatte. | |
Dazu sagt der Sprecher des Bezirksamts, Lars Schmidt-von Koss, dass es die | |
gemeinsame Vorstellung des runden Tischs gewesen sei, ein festes Haus statt | |
einer Dixi-Toilette zu errichten, die sofort umgeworfen würde. Man sei | |
davon ausgegangen, dass die als öffentliche Toilette gedachte Anlage eine | |
ganze "Busladung" von Touristen ohne lange Wartezeit versorgen müsse. Der | |
Einwand der Baubehörde, dass das Haus überdimensioniert sei, sei zudem | |
durch die Anmerkung relativiert worden, dass sich die Existenz einer solche | |
Anlage schnell herumsprechen und damit für mehr Gäste sorgen würde. | |
Nach einem Bericht des Straßenmagazins Hinz&Kunzt sind die genannten Zahlen | |
fragwürdig. Die Kosten für ein Toilettenhaus dieser Größe veranschlagt der | |
Marktführer Hering Bau demnach mit 300.000 Euro plus Mehrwertsteuer. | |
Bedeutsamer noch erscheint der Einwand, dass unter der Kersten-Miles Brücke | |
ohnehin kein Platz für eine Toilette dieser Größe sei, sondern lediglich | |
für eine Ein-bis-zwei-Zellen-Toilette, deren Kosten laut Hinz&Kunzt bei | |
30.000 bis 90.000 Euro liegen würden. | |
Wer die übernehmen würde, war in der Vergangenheit strittig. Der Bezirk | |
Mitte hatte nachdrücklich darauf verwiesen, keine Mittel dafür zur | |
Verfügung zu haben. "Wir konnten uns nur den Zaun leisten", sagt | |
Amtssprecher Schmidt-von Koss. Den hatte der Bezirk Ende September für | |
18.000 Euro aufstellen lassen, um die Obdachlosen unter der | |
Kersten-Miles-Brücke zu vertreiben. Nach Demonstrationen und heftigen | |
Protesten der Opposition war der Zaun nach knapp zwei Wochen wieder | |
abgebaut worden. Im Anschluss suchte ein runder Tisch aus Vertretern von | |
Bezirksamt, Sozialbehörde, Polizei, Diakonischem Werk und einem Vertreter | |
von Hinz&Kunzt nach Lösungen für ein besseres Miteinander an der Brücke. | |
Neben dem Toilettenbau verständigte man sich auf ein Regelwerk zu den | |
Themen Sauberkeit und Ruhestörung. Ein Team mobiler Sozialarbeiter soll | |
Kontakt zu allen betroffenen Gruppen pflegen. | |
Inzwischen ist die Federführung für das Projekt an das Sozialressort | |
übergegangen, da es dabei um den Umgang mit Obdachlosen gehe, so die | |
Sprecherin der Behörde. Genaueres zum Konzept soll erst am 1. November zu | |
erfahren sein, wenn die Sozialbehörde ihr Winternotprogramm vorstellt. | |
21 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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