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# taz.de -- Peer Steinbrück und die SPD: Der Medienkanzlerkandidat
> Peer Steinbrück ist so gut wie Kanzler. Wenn es nach Helmut Schmidt und
> vielen Medien geht. Doch: Steinbrück pfeift auf die SPD - und die auf
> Fernsehkanzler.
Bild: Peer Steinbrück und seine Bühne - flankiert von Helmut Schmidt.
Helmut Schmidt sitzt in der Mitte des Saals, die Sendung dauert jetzt schon
vier Zigaretten, dazu zwei Ladungen Schnupftabak, endlich kommt die
Kandidatenfrage. Könnte Peer Steinbrück also Kanzler, will Günther Jauch
wissen. "Wir brauchen politische Führer", sinniert der Altkanzler, "die
wissen worüber sie sprechen in der Bankenkrise".
Und daneben sitzt er. Der Mann, der weiß, worüber er spricht. Ehemals
Bundesfinanzminister einer großen Koalition, Wirtschaftsminister in
Schleswig-Holstein, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen.
Warum er denn nichts sage, ulkt Jauch zum jüngeren der beiden Politrentner:
"Das Gespräch geht an mir vorbei", ulkt Steinbrück zurück. Er lacht, alle
lachen. Jetzt schleicht sich Jauch noch einmal heran. Wie ist es denn nun?
"Ich werde mich zu der Frage äußern, falls der Parteivorsitzende sie mir
stellt."
Jetzt mal Luft holen. Was für ein Theater!
Peer Steinbrück hat an diesem Abend eine Bühne bekommen, um sein Buch "Zug
um Zug" zu vermarkten, das er mit Helmut Schmidt geschrieben hat. Er hat
vor allem aber eine Bühne bekommen, um sich als Kanzlerkandidat zu
vermarkten. Dazu gab es eine Spiegel-Titelgeschichte, und in dieser Woche
gehen die Premium-Wochen für Steinbrück weiter: Am Donnerstag kommt die
Zeit mit einer großen Geschichte. Natürlich ist ihm offiziell alles etwas
unangenehm, siehe oben.
## Wen interessieren Alternativen?
Es geschieht etwas bemerkenswertes seit einigen Monaten. Peer Steinbrück
ist von einigen Medien als Kanzlerkandidat bestimmt worden. Je mehr es
geschrieben haben, desto selbstverständlicher wurde die Kandidatur, und
desto mehr schrieben es und so weiter. Für manche besteht gar kein Zweifel
mehr, es kann eigentlich nur noch Steinbrück geben. Gibt es überhaupt noch
Alternativen? Wen interessiert's?
Der ausgerufene, das macht es besonders pikant, wollte eigentlich noch nie
sonderlich viel mit der SPD zu tun haben. Ab 2009 wollte er sogar gar
nichts mehr mit der Partei zu tun haben – er legte alle Parteiämter nieder.
Steinbrück hat in der rot-grünen Regierungszeit in Nordrhein-Westfalen auch
das Verhältnis zu den Grünen zerrüttet, und als Finanzminister sich lange
gegen eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte gewehrt. Er hat vieles
genau so gemacht, wie es die Partei gerade nicht wollte, und heute schon
gar nicht mehr will.
Trotzdem lässt ihn die SPD im Moment machen. Denn die Partei ist noch immer
geschwächt von den eigenen Regierungsjahren, und da freut man sich, wenn es
einen gibt, der in der Öffentlichkeit beachtet wird. Denn in den
Regierungsjahren wurde viel Personal verbraucht, ein Teil der Partei hat
sich abgespalten, zehntausende Mitglieder gingen verloren. Die SPD hat sich
als Partei aufgegeben, um regieren zu können. Und auch heute weiß die SPD
in mancher inhaltlichen Frage noch immer nicht so recht, welcher Weg der
richtige sein könnte.
## Schluss mit Basta-Politik
Aber sie hat für sich nach 2009 immerhin beschlossen, keine Basta-Politik
mehr zulassen zu wollen. Denn Gerhard Schröders Zampano-Stil hat sie
genervt. Und mehr nach links zu rücken. Denn Schröders Agenda 2010 hat
genervt. Und jetzt kommt Steinbrück, der nicht links ist, kein Diplomat,
und der Partei den Rücken gekehrt hat. Ein Kanzler Peer Steinbrück würde
die SPD zerreißen. Das wissen viele in der SPD, aber sie halten noch still.
Zurück ins Theaterstück Steinbrück/Schmidt/Jauch.
Am Ende fragte Jauch, wo denn im politischen Spektrum Wahlen gewonnen
werden. Rechts, links, oder in der Mitte? "Es ist immer in der Mitte", sagt
Schmidt.
Wieder allgemeines Grinsen. Klar, der Steinbrück, der ist Mitte.
Aber da gibt es in der SPD immerhin zwei Kandidaten. Einer heißt
Steinbrück. Und einer Frank-Walter Steinmeier. Der ist Fraktionschef und
hält sich auffällig zurück in den letzten Wochen. Aber vielleicht kommt ja
noch ein Buch.
Moment, oder: Vielleicht bestimmt die SPD den Kanzlerkandidaten auch
einfach selbst.
24 Oct 2011
## AUTOREN
Gordon Repinski
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