# taz.de -- Arzneikommissionschef über Krebstherapie: "Eine bestechend unanst�… | |
> Der Chef der Arzneimittelkommission, Wolf-Dieter Ludwig, über den Vorstoß | |
> der Medizinfirma Roche, Kliniken bei erfolgloser Therapie die | |
> Behandlungskosten zu erstatten. | |
Bild: Stellt das fragwürdige Krebs-Medikament Avastin her: Der Chef von Roche,… | |
taz: Herr Ludwig, wenn ein Krebsmedikament wirkungslos ist, gibt es künftig | |
Geld zurück. Das jedenfalls bietet der Pharmahersteller Roche | |
Krankenhäusern an, die Patienten mit seinem Präparat Avastin behandeln. | |
Eine bestechende Idee, um die extremen Arzneimitteltherapiekosten im | |
Gesundheitssystem zu senken? | |
Wolf-Dieter Ludwig: Die Idee ist vor allem bestechend unanständig. Roche | |
versucht hier, per Vertrag Anreize zu geben, dass Ärzte in Krankenhäusern | |
ein bestimmtes Medikament verordnen. Ein Medikament überdies, an dem es bei | |
einigen Indikationen erhebliche Zweifel gibt, was den therapeutischen | |
Nutzen angeht. Die amerikanische Zulassungsbehörde wird demnächst aller | |
Voraussicht nach die Zulassung von Avastin zur Behandlung von Brustkrebs | |
widerrufen. Fragwürdig erscheint die Gabe von Avastin auch bei anderen | |
Indikationen. In dieser Situation bietet der Hersteller Verträge an, die | |
seinem hinsichtlich Zusatznutzen umstrittenen Präparat zu neuem Aufschwung | |
verhelfen sollen. Besonders bedenklich finde ich, dass das Krankenhaus | |
ausgerechnet dann verdienen soll, wenn das Medikament nicht wirkt. | |
Welcher Schaden droht den an Krebs erkrankten Patientinnen und Patienten? | |
Schlimmstenfalls werden sie mit einem Medikament behandelt, das ihnen nicht | |
hilft. Weil es ihr Leben nicht verlängert, sie aber unter erheblichen | |
Nebenwirkungen leiden lässt, also die Lebensqualität mindert. | |
Der Vertrag besagt nur, dass die Therapiekosten bei Nichterfolg erstattet | |
werden. Die Ärzte sind nicht verpflichtet, Avastin per se zu verordnen. | |
Ich sehe die Gefahr, dass solche Verträge dazu führen, dass Arzneimittel zu | |
früh und zu schnell eingesetzt werden könnten - mit der Begründung, dass | |
das Risiko ja dadurch minimiert sei, dass es im Zweifel Geld zurück gibt. | |
Pay-for-Performance-Verträge sind also generell pfui? | |
Keineswegs. Wenn klar ist, dass es um eine bessere Qualität der Versorgung | |
geht und dies auch wissenschaftlich begleitet wird, dann können solche | |
Verträge sinnvoll sein. Wir brauchen kontrollierte klinische Studien und | |
Register, in denen die Nebenwirkungen erfasst werden. Das aber findet nicht | |
statt. | |
Sind solche Verträge der neue aggressive Trend der Pharmaindustrie, am | |
Markt zu bestehen? | |
In dieser Form ist es ein Einzelfall. Aber ich könnte mir vorstellen, dass | |
solche Verträge künftig zunehmen. Immer dann, wenn der Hersteller erkennt, | |
dass sein Medikament hinsichtlich des Nutzens oder der Sicherheit nicht | |
eindeutig ist. | |
Warum? | |
Fair wäre, dass der Hersteller in einem solchen Fall den Preis senkt. Das | |
aber fürchtet er wie der Teufel das Weihwasser. Denn jede Preissenkung | |
hierzulande bedeutet, dass europaweit die Referenzpreise sinken. Also geben | |
die Hersteller lieber indirekt Geld zurück. | |
Wie ist es überhaupt möglich, dass die Kliniken die Kosten erstattet | |
bekommen sollen? Tatsächlich bezahlen doch die Krankenkassen die | |
Medikamente. | |
Diese Konstruktion der Rückerstattung erscheint mir absurd. Einige Kassen | |
und auch Krankenhäuser prüfen bereits, ob der von Roche angebotene Vertrag | |
juristisch Bestand hat. | |
24 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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