# taz.de -- GESUNDHEIT: Keine Brust für arme Kinder | |
> Mütter ohne Schulabschluss stillen ihr Kind wesentlich seltener und | |
> kürzer als Abiturientinnen, hat eine aktuelle Studie des Gesundheitsamtes | |
> herausgefunden | |
Bild: Frauen mit hohem Bildungsgrad stillen häufiger und länger als geringer … | |
Ob und wie lange ein Kind gestillt wird, hängt vom Alter und Schulabschluss | |
seiner Mutter ab. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Studie des | |
Bremer Gesundheitsamtes unter Leitung des Kinderarztes und Sozialmediziners | |
Eberhard Zimmermann, die der taz vorliegt. Danach gab ein Viertel der | |
befragten Mütter ohne Schulabschluss im Land Bremen ihren Kindern nie die | |
Brust, ein Drittel nicht länger als drei Monate. Mütter unter 26 Jahren | |
hatten zu 17,9 Prozent nie und zu 29,1 Prozent kürzer als drei Monate | |
gestillt. | |
Zimmermann, Leiter der sozialpädiatrischen Abteilung des Gesundheitsamtes, | |
bezeichnete diese Zahlen als alarmierend. "Es ist nicht hinnehmbar, dass | |
Informationen über die Vorteile des Stillens und gegebenenfalls | |
erforderliche Unterstützung nicht alle Bevölkerungsgruppen erreichen und | |
deshalb nicht für alle Kinder gleiche Rahmenbedingungen für ein gesundes | |
Aufwachsen gegeben sind." Offenbar würden bildungsferne Frauen nicht oder | |
nur ungenügend vom Gesundheitssystem erreicht. | |
Dafür sprächen auch Antworten zur Frage danach, wo sich die Frauen zum | |
Thema Stillen hatten beraten oder beeinflussen lassen: 81 Prozent der | |
Abiturientinnen gaben die Hebamme an, diese Zahl verringerte sich über die | |
verschiedenen Schulformen sukzessive auf 38,1 Prozent bei denjenigen ohne | |
Abschluss. Ähnlich verhielt es sich bei Geburtsvorbereitungskursen und | |
Ratgeberliteratur. Keine der 21 Mütter ohne Abschluss hatte zu letzterer | |
gegriffen. "Mit Flyern brauchen sie dieser Gruppe also nicht kommen", | |
folgert Zimmermann. Neben einem verstärkten Einsatz von Familienhebammen - | |
ein Angebot des Gesundheitsamtes - seien Jugendhilfe und Schule gefragt. | |
Auch Stillcafés seien eine Möglichkeit: "Dann aber bitte im Schwimmbad in | |
Tenever und nicht nur im Klinikum Mitte in Peterswerder." | |
Für Frauen mit hohem Bildungsgrad bestehen der Studie zufolge weniger | |
Stillhindernisse. Drei Viertel der Abiturientinnen stillten länger als | |
sechs Monate, also auch dann noch, wenn Kinder auch schon andere Nahrung zu | |
sich nehmen. 42,3 Prozent von ihnen gaben länger als zehn Monate die Brust, | |
fast genau so hoch war dieser Anteil bei Müttern über 35 Jahre. "Das wird | |
daran liegen, dass diese in höherem Maße Mutterschaft und Stillen gezielt | |
in die Lebens- und Karriereplanung einbauen", vermutet Zimmermann. | |
Als bedenklich wertete der Sozialpädiater die Tatsache, dass fast neun | |
Prozent aller Befragten auch im zehnten bis 13. Lebensmonat ihre Kinder | |
ausschließlich mit Muttermilch ernährten. "Das ist nicht gut, weil sie dann | |
nicht alle Nährstoffe bekommen, die sie in dem Alter brauchen." | |
Auch Gründe für das Abstillen wurden in der Studie abgefragt. Nur ein | |
Viertel der Mütter sagte, sie hätten bei der Rückkehr in den Beruf die | |
Stillbeziehung aufgegeben. Davon wiederum begründete dies weniger als ein | |
Viertel mit der Unvereinbarkeit von Berufstätigkeit und Stillen. Und | |
immerhin 173 von 738 Befragten arbeiteten, während sie stillten, 34 von | |
ihnen in Vollzeit. Auch eine Entbindung per Kaiserschnitt führt nicht dazu, | |
dass ein Kind nicht oder kürzer gestillt wird: Es gab keine signifikanten | |
Unterschiede, wenn die Geburtsarten verglichen wurden. Am häufigsten | |
nannten die Befragten äußere Umstände, die es ihnen erschwerten, ihrem Kind | |
die Brust zu geben. Dazu zählen Lärm, fehlende Möglichkeiten im | |
öffentlichen Raum und am Arbeitsplatz sowie "Stress bei Behördenbesuchen". | |
Und ältere Geschwister: Je mehr, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass | |
ein Kind nicht oder nur kurz gestillt wird. | |
Ein Migrationshintergrund der Mutter hingegen erhöht die Chancen: Diese | |
stillen statistisch betrachtet häufiger und länger. | |
Für die Studie - die erste ihrer Art in Bremen und eine der wenigen | |
bundesweit - wurden 1913 Mütter im Land Bremen angeschrieben, deren Kinder | |
zwischen August und November 2009 geboren wurden. 45,5 Prozent von ihnen | |
antworteten, Mütter ohne Migrationshintergrund und mit hohem Bildungsgrad | |
weitaus häufiger als die anderen Gruppen. | |
25 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |