# taz.de -- Müll-Tourismus: Sonderrecht für Asbest-Umzug | |
> Änderung der Abfallbeseitigungsvorschriften macht Verlagerung der | |
> Giftmülldeponie von Luthe nach Schönberg möglich. Bürgerinitiativen | |
> wehren sich. | |
Bild: Ob das auch mit Asbest funktioniert? Müll-"Einbau" in die Deponie Ihlenb… | |
HAMBURG taz | Um die Verlegung einer Asbest-Deponie aus dem | |
niedersächsischen Wunstorf-Luthe auf zwei Sondermülldeponien bei Lübeck zu | |
ermöglichen, sind eigens Vorschriften geändert worden. Nur deshalb kann der | |
Asbestschlamm einfach abgebaggert, auf Kipper verladen und mehr oder | |
weniger offen durch Norddeutschland gefahren werden. | |
Das Asbest lagert derzeit auf einer schlecht gesicherten Halde neben dem | |
ehemaligen Fulgurit-Werk in Luthe. Vor dem Verbot des Materials gehörte es | |
zu den größten Asbest-Herstellern in Deutschland. Die Halde ist nur dünn | |
mit Erde bedeckt und zum Grundwasser hin nicht dicht. | |
Die komplette Deponie - 185.000 Tonnen Asbestzementschlamm und -scherben - | |
soll abtransportiert werden, das meiste auf die Deponie Ihlenberg in | |
Mecklenburg-Vorpommern, der Rest nach Rondeshagen in Schleswig-Holstein. | |
"Das ist die größte zusammenhängende Giftmüll-Altlast, die jemals auf den | |
Straßen durch die Bundesrepublik bewegt wurde", sagt Klaus Koch vom | |
Umweltnetzwerk Hamburg. | |
2009 hatte die Region Hannover schon einmal versucht, die Halde zu | |
verlagern. Damals scheiterte sie an der Gemeinde Isernhagen, die das Asbest | |
nicht in ihrer Nähe haben wollte. Die Gemeinde klagte und verzögerte damit | |
das Verfahren so lange, bis die Betriebsgenehmigung für die angepeilte | |
Deponie auslief. | |
In seiner Eilentscheidung vom Februar 2009 kritisierte das | |
Oberverwaltungsgericht Lüneburg, dass der Asbestschlamm nur mit Schaum und | |
einer Plane abgedeckt transportiert werden sollte. Es sprächen gewichtige | |
Gründe dafür, dass dieses Vorgehen "den Standards des Kreislaufwirtschafts- | |
und Abfallgesetzes nicht genügt". | |
Das Gericht bezog sich dabei insbesondere auf die "Vollzugshilfe zur | |
Entsorgung asbesthaltiger Abfälle" der Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft | |
Abfall (Laga): Asbesthaltige Abfälle dürften nur verpackt abgelagert | |
werden. Im September 2009 wurde auf Initiative Niedersachsens eine Ausnahme | |
eingefügt: Asbesthaltige Abfälle könnten auch unverpackt abgelagert werden, | |
wenn sie "in großen Mengen bei der Sanierung von Altlasten anfallen, sofern | |
die Freisetzung von Asbestfasern durch andere Maßnahmen, wie das | |
Besprengen, zu verhindern ist". | |
Noch hat das Gewerbeaufsichtsamt in Hildesheim den Transport nicht | |
genehmigt. Gerade teste der TÜV, ob es tatsächlich ausreiche, den | |
Asbestschlamm beim Transport feucht zu halten, um das Verwehen der | |
tödlichen Fasern zu verhindern, sagte eine Sprecherin des niedersächsischen | |
Umweltministeriums. | |
Das Gericht hatte darauf hingewiesen, dass schon das offene Abbagern | |
problematisch sein und der Müllberg Überraschungen bergen könnte. "Es gibt | |
Zeitzeugen, die aussagen, dass dort reiner Asbeststaub in Jutesäcken | |
gelagert wurde", sagt Koch. Die Altlast sei im Kern von den Behörden nie | |
untersucht oder kartiert worden. Er plädiert wie die Bürgerinitiativen in | |
Ihlenberg und Rondeshagen dafür, den Asbest-Berg zu lassen, wo er ist. | |
26 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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