# taz.de -- Gesundheit: Für Asbest ist keiner zuständig | |
> Im Niebuhr-Hochhaus an der Reeperbahn ist bei Renovierungsarbeiten mit | |
> asbesthaltigen Bauabfällen hantiert worden. Ohne jeglichen Schutz für die | |
> Mieter. | |
Bild: Gehen nur noch mit Atemmaske durchs Haus: BewohnerInnen des Niebuhr-Hochh… | |
Asbestalarm auf dem Kiez: Die BewohnerInnen des NiebuhrHochhauses an der | |
Reeperbahn 157 leben in Angst und gehen nur noch mit Mundschutz durch das | |
Gebäude. Denn analysierte Materialproben haben Gewissheit gebracht, dass | |
bei der Umwandlung von mindestens neun der 30 leerstehenden Mietwohnungen | |
in Eigentum Asbest freigesetzt ist. Die Mieter Mathias und Veronique | |
Wichmann haben in Vertretung der Mieterinitiative eine Einstweilige | |
Verfügung beim Verwaltungsgericht beantragt, die Sanierungs- und | |
Renovierungsarbeiten sofort zu stoppen - und Strafantrag wegen | |
Körperverletzung gestellt. | |
150 Wohnungen befinden sich in dem 15-stöckigen Hochhaus am Nobistor. 2010 | |
hatte die Oldesloer "Excelsior GmbH & Co KG" für das als "Nuttenbunker" | |
verschrieene Hochhaus Abgeschlossenheitserklärungen erhalten - die | |
Vorrausetzung dafür, die Wohneinheiten zu sanieren oder zusammenzulegen und | |
als Eigentumswohnungen zu verkaufen. Dass sich in Bodenplatten und | |
Balkonbrüstungen von Wohnungen Asbest befindet, bestreitet Excelsior in | |
einem Mieter-Anschreiben nicht mehr. Dennoch ist munter mit der Sanierung | |
begonnen worden. | |
"Bei einer Asbestsanierung muss jedoch eine Gefahrenanalyse gemacht werden, | |
wie man die Bewohner schützen kann", sagt Mieteranwalt Mathias Wagner. | |
Stattdessen berichten die Mieter von chaotischen Zuständen: Arbeiter würde | |
ohne Mundschutz und Schutzkleidung asbesthaltigen Bauschutt durch das | |
Treppenhaus sowie mit dem Fahrstuhl abtransportieren und in einen offenen | |
Anhänger mit polnischem Kennzeichen verladen. | |
Seit sich Widerstand rege, seien die Arbeiten sogar "verschärft" worden, | |
sagt Wagner - offenkundig, um vor einem Baustopp vollendete Tatsachen zu | |
schaffen. "Die haben Dienstagabend bis neun Uhr gearbeitet", berichtet | |
Mathias Wichmann. "Und das gesamte vergangen Wochenende." Die gerufene | |
Polizei habe zwar widerwillig eine Probe genommen, diese sei aber | |
verschwunden, weil die Polizei sich nicht zuständig fühle, sagt Wichmann. | |
Die untersuchte Probe der Mieterinitiative sei jedenfalls "Asbest positiv" | |
gewesen. | |
Das Amt für Arbeitsschutz erklärte sich nach zwei Ortsbegehungen zunächst | |
ebenfalls für "nicht zuständig" und übergab den Fall der Bauaufsicht des | |
Bezirksamtes, da keine Beschäftigten angetroffen worden seien. "Man wälzt | |
immer alles auf uns ab, wir sind aber nicht zuständig", beklagt | |
Bezirksamtssprecher Lars Schmidt-von Koss. Zu Recht: Denn jüngst mussten | |
die Arbeitsschützer eingestehen, dass sie nicht nur "für den Schutz der | |
Arbeitnehmer" bei Abriss oder Sanierungsarbeiten zuständig seien, sondern | |
"solange diese Arbeiten stattfinden, schließt dies auch den Schutz Dritter | |
mit ein, beispielweise von Bewohnern", schreibt Sabine Eligehausen von der | |
Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz. Dennoch könne das Amt "keinen | |
Sanierungsstopp bewirken". | |
Denn die in einem Pkw-Anhänger gefundenen asbesthaltigen Materialien | |
könnten keiner Wohnung mehr zugeordnet werden. In dem Fall hat die | |
Wasserschutzpolizei Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Abfallrecht | |
eingeleitet. Und der im 13. Stock entfernte asbesthaltige Bodenbelag sei | |
von einer "zugelassenen Fachfirma ordnungsgemäß durchgeführt und | |
abgeschlossen worden". | |
Das beruhigt die Mieter nicht. Am Mittwoch hat Wichmann nach einer | |
Probenanalyse die Bestätigung bekommen, dass Wasser mit Baustaub aus einem | |
Abflussrohr, das kürzlich seinen Balkon überschwemmte, ebenfalls | |
asbesthaltig war. | |
26 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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