# taz.de -- Pränataldiagnostik in der Diakonie: Diskussion um Spätabbrüche | |
> Die Zahl der späten Schwangerschaftsabbrüche bei den Diakonischen | |
> Diensten Hannover ist gestiegen. Laut ansässiger Geburtsklinik werde | |
> kontrovers diskutiert - wie bei allen ethisch heiklen Gesundheitsfragen. | |
Bild: Ethisch korrekt? Die Diakonischen Dienste Hannover führen vermehrt Schwa… | |
BREMEN taz | Darf ein evangelisch geprägtes Krankenhaus | |
Schwangerschaftsabbrüche nach der 12. Woche durchführen? Diese Frage | |
beschäftigt derzeit Angestellte der Diakonischen Dienste Hannover (DDH). | |
Der Anlass ist, dass die Fallzahlen gestiegen sind, seitdem ein | |
renommierter Pränataldiagnostiker die Klinik für Geburtshilfe leitet. | |
Wurden im Jahr 2009 nur 14 Schwangerschaften zwischen der 10. und 22. Woche | |
wegen einer vor der Geburt diagnostizierten Behinderung abgebrochen, waren | |
es im Jahr darauf schon 35. Nach der 22. Woche wurden sieben | |
Schwangerschaften abgebrochen. | |
"Das Thema wird bei uns kontrovers diskutiert", sagte der taz Achim | |
Balkhoff, Leiter der Unternehmenskommunikation der gemeinnützigen | |
Gesellschaft DDH, am gestrigen Dienstag. Unter dem Dach der DDH sind drei | |
Kliniken und weitere diakonische Dienste zusammengefasst, darunter auch | |
einer, der Behinderte bei der Berufsausbildung unterstützt. Dessen Leiter | |
war in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung mit den Worten zitiert worden, | |
solche Eingriffe seien eine "schwer erträgliche Hypothek" für die | |
Diakonischen Dienste. Seitdem äußert er sich nicht mehr öffentlich und | |
verweist auf den Sprecher Balkhoff. | |
Der wiederum zitiert aus einem Beschluss des Aufsichtsrates der DDH vom 19. | |
September, der auch den MitarbeiterInnen zur Verfügung gestellt wurde. | |
Darin heißt es: "Schwangerschaftsabbrüche nach Pränataldiagnostik sollen in | |
unserem Haus seltene Ausnahme aus jeweils besonders schwerwiegendem Grunde | |
bleiben." Weiter heißt es: "Sicherzustellen ist, dass weder denen, die | |
diese Eingriffe vornehmen, noch denen, die diese Eingriffe und eine | |
berufliche Mitwirkung daran ablehnen, Vorwürfe gemacht werden oder | |
Nachteile entstehen." | |
Der Betriebsrat der DDH bestätigte, dass niemand gezwungen sei, sich an den | |
Eingriffen zu beteiligen. "Wir sind eine so große Klinik, das lässt sich | |
sogar kurzfristig organisieren", sagte der Betriebsratsvorsitzende Georg | |
Cravillon. Dass sich jemand weigere, einen Abbruch durchzuführen oder dabei | |
zu assistieren, komme allerdings selten vor. "Und wenn doch, dann ohne | |
Drama." Laut Cravillon gehörten komplexe ethische Fragen, auf die es keine | |
eindeutige Antwort gebe, in einer Klinik zum Alltag. Beispielsweise wenn es | |
um Organentnahmen und lebensverlängernde Maßnahmen gehe. | |
Nach Darstellung des Unternehmenssprechers Balkhoff befinden sich die DDH | |
in einem Diskussionsprozess. "Das ist kein hausgemachtes Dilemma", sagte | |
er, sondern eines, dem sich die Gesellschaft als Ganzes stellen müsse. In | |
einem von ihm verfassten Schreiben heißt es: "Die Konflikte um einen | |
möglichen Spätabbruch einer Schwangerschaft zählen zu den schwersten, die | |
uns in der diakonischen Praxis begegnen, da es immer auch um das Leben | |
eines Kindes geht, das nicht für sich selbst sprechen kann." Und: | |
"Gleichzeitig steht uns die Not, die Unsicherheit, die Angst und die | |
Überforderung der Paare mit ihren gesundheitlichen Risiken deutlich vor | |
Augen und wir wissen, dass wir das Leben eines Kindes nur mit, nicht gegen | |
den Willen der Eltern / der Mutter bewahren können." | |
Im Übrigen würde ein Viertel derjenigen abgewiesen, die mit dem Anliegen | |
eines Spätabbruchs in die Klinik kämen, weil die ÄrztInnen die Indikation | |
dafür nicht erkennen könnten. | |
Die Klinik - mit 3.500 Geburten die zweitgrößte in Deutschland - arbeitet | |
im "Netzwerk Pränataldiagnostik Hannover" unter anderem zusammen mit | |
Schwangerenberatungsstellen. Martina Weiß, Ärztin und Psychotherapeutin | |
beim Beratungs- und Therapiezentrum, sagte, die Entscheidung für oder gegen | |
einen Abbruch wegen einer Behinderung sei eine "massive Krise" für die | |
Betroffenen. Vor allem die Mütter würden sich schwere Selbstvorwürfe | |
machen. "Diese Leute sind verzweifelt und hoch belastet." Es wäre aus ihrer | |
Sicht keine Lösung, sich aus deren Betreuung zurückzuziehen. | |
1 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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