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# taz.de -- Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe: Allein unter Linken
> Seit elf Jahren ist Bernd Saxe Bürgermeister von Lübeck. An diesem
> Sonntag will der Sozialdemokrat für weitere sechs Jahre gewählt werden.
> Besuch bei einem Pragmatiker.
Bild: Lächeln, ab und an den Kopf schütteln, das wars: Bernd Saxe bliebe gern…
LÜBECK taz | Die ruhmreiche Vergangenheit der Stadt Lübeck ist im Büro von
Bernd Saxe weit weg. Dabei ist sie eigentlich nah, denn Saxe residiert im
historischen Rathaus. Der Weg zum Amtszimmer des Bürgermeisters führt über
dunkle Treppen vorbei an der Galerie früherer Amtsinhaber. Es sind große
Bilder in schweren Rahmen.
Sie sind dunkel, nur das Gesicht und die Hände sind heller. Die Bilder sind
so hoch gehängt, dass sie über die Flur-Passanten hinwegschauen. In Saxes
Zimmer liegt heller Teppichfußboden, ein paar Büroschränke, ein
Schreibtisch, ein Besprechungstisch. Die Fenster des Büros zeigen die
Fußgängerzone, mitten in der Altstadt.
Richtig Schluss mit historischen Träumereien ist, wenn Saxe über die Lage
Lübecks spricht: "Wir haben leider", sagt er, "ein ziemlich hohes
Haushaltdefizit und einen hohen Verschuldungsstand." Die Stadt ist seit
längerem quasi pleite, hat 1,3 Milliarden Euro Schulden, allein dieses Jahr
kamen weitere 80 Millionen dazu.
Das sei das zentrale Problem, sagt Saxe. Neben der Arbeitslosigkeit. "Wir
werden den Haushalt in den Griff bekommen müssen." Die Situation ist so
verheerend, dass die Kommunalaufsicht des Kieler Innenministeriums den
Lübeckern schon mal bei den Finanzplänen reinredet.
Die Stadt war einige Zeit im Mittelalter die reichste und stolzeste Stadt
der Hanse. "Die Lübecker lassen sich gerne erzählen, dass Lübeck vor 500
Jahren etwa zehnmal so groß war wie Hamburg", sagt Saxe. Doch mit der
bemerkenswerten Größe ist es vorbei: Rund 210.000 Menschen leben heute
hier, und geblieben ist vor allem der Stolz - auch auf die Überbleibsel der
Hansezeit: die Altstadt samt Rathaus, die vielen Kirchen.
An diesem Sonntag entscheiden die Lübecker über den zukünftigen
Bürgermeister. Saxe steht nach elf Jahren Amtszeit wieder zur Wahl. Fünf
Konkurrenten treten gegen ihn an: Die ehemalige Hamburger Bildungssenatorin
Alexandra Dinges-Dierig (CDU) und der grüne Landtagsabgeordnete Thorsten
Fürter gelten als Saxes aussichtsreichste Mitbewerber.
Daneben gibt es einen Kandidaten der Linkspartei und zwei Unabhängige. Die
Konkurrenten wollen eine sozialere oder grünere Politik machen als Saxe,
sagen sie. Oder schlicht die Verwaltung anders managen.
Der 57-Jährige ist ein Mann des zweiten Bildungswegs. Saxe schloss die
Schule mit der Mittleren Reife ab, lernte in Dortmund Industriekaufmann und
studierte anschließend an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in
Hamburg. Heute ist er Diplom-Sozialwirt.
Nicht nur der brummelnde Klang seiner Stimme erinnert an den ehemaligen
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). "Ich bin ein Pragmatiker", sagt Saxe,
"der eher die praktischen Dinge des Lebens zu regeln versucht, als die
Wolken von der rechten Seite des Himmels auf die linke zu schieben." Nicht
eben klassisch sozialdemokratisch klingen seine Antworten auf die
politischen Erfordernisse: Man müssen sparen, auch wenn es Ärger gebe. Und
Arbeitslosigkeit senken durch die Ansiedlung neuer Betriebe.
Nun ist Bernd Saxe allerdings nur Chef der Verwaltung: Über den Haushalt
entscheidet in Lübeck die Bürgerschaft, der Bürgermeister macht Vorschläge.
In der Gemeindevertretung hatte Saxe es in den vergangenen Jahren mit
wechselnden Mehrheiten zu tun: erst mit Rot-Grün, dann mit einer absoluten
CDU-Mehrheit, schließlich mit einem rot-rot-grünen Bündnis. Da sollen also
ein linkes Bündnis im Stadtparlament und ein eher rechter Sozialdemokrat an
einem Strang ziehen. Kann das klappen? "Wir müssen das hinkriegen", sagt
Saxe.
Immerhin: Eher links steht in Lübeck auch seine Partei. Die Herkunftsstadt
von Willy Brandt ist eigentlich keine Hochburg der Schröderianer. "Wir
können ganz gut miteinander leben", sagt Saxe, das Verhältnis sei
"konstruktiv". Auch sein Vorgänger Michael Bouteiller war ein Linker. Er
verließ die SPD 2002, Mitten in der Schröder-Ära. Seine alte politische
Heimat sei eine "Ja-Sager-Partei", "kapitalhörig" und "unsozial", erklärte
er damals.
Saxe war früher SPD-Abgeordneter im Kieler Landtag. Irgendwann war ihm das
nicht mehr genug. "Die reden immer darüber, dass man dieses oder jenes tun
soll", sagt er. "Aber sie tun es nicht. Das tun dann andere."
Als einer dieser anderen setzte Saxe sich für den umstrittenen Flughafen
Blankensee bei Lübeck ein: ein Regionalflughafen, nur rund eine Stunde mit
dem Zug oder Auto entfernt vom Airport in Hamburg-Fuhlsbüttel. Er wird von
der Stadt betrieben, macht Verluste, ja: reißt weitere Löcher in den
ohnehin gebeutelten Haushalt. Die rot-rot-grüne Bürgerschaftsmehrheit
beschloss, ihn nicht weiter zu subventionieren, was das Aus bedeutet hätte.
Die Lübecker Wahlberechtigten aber stimmten in einem Bürgerentscheid
mehrheitlich dafür, den Flughafen weiter zu betreiben.
Saxe gehörte stets zu den Flughafen-Freunden, stellte sich gegen die
Stadtparlamentarier. Ja, Lübeck brauche einen eigenen Flughafen, verteidigt
er seine Haltung. "Wir sind eine Tourismusstadt." Man müsse auf allen Wegen
erreichbar sein. Eine Fluglinie nach Italien habe mehr Übernachtungen von
Italienern gebracht.
Einiger waren sich die stolzen Hansestädter, als ein Teil ihrer Universität
abgewickelt zu werden drohte: Die Schließung des Medizin-Studiengangs in
Lübeck hatte die Landesregierung schon beschlossen. Sein Ende wäre auch das
der Uni insgesamt geworden. Die Lübecker protestierten, organisierten
Großdemonstrationen. Wenn Saxe darüber spricht, dann wird er geradezu
pathetisch. "Das waren schon eine außerordentlich bewegende Erfahrung",
sagt er. "Dass so etwas am Schluss auch Erfolg haben kann, ist ja nichts,
was man in 60 Jahren Demokratie in Deutschland besonders oft erlebt hat."
In seinem Büro hängen ein paar Bilder aus dem städtischen Museum. Saxe hat
sie selbst ausgesucht, die Namen der Künstler kennt er nicht. Im Raum steht
auch ein kleiner Quader, mit Filz überzogen. Das Kunstwerk, sagt Saxe,
trage den Titel "Lübecker Filz". Dazu befragt, erzählt er bereitwillig über
den Kampf gegen die Korruption in der Verwaltung. Sechs Fälle habe er
verfolgt, es habe Haftstrafen gegeben. "Man kann nicht für 3.000 Leute die
Hand ins Feuer legen."
Für die Verwaltung der Stadt hat bis 2009 Matthias Erz gearbeitet, der nun
gegen Saxe ins Bürgermeisterrennen zieht. Der frühere Stadtsprecher ist auf
Saxe nicht gut zu sprechen: Der Amtsinhaber unterstütze Mobbing im Rathaus,
überwache Mitarbeiter der Stadt und der Bürgerschaftsfraktionen. Was man
wissen muss: Die Stadt hatte Erz im Jahr 2003 gekündigt, wogegen er mit
Erfolg klagte. Um dann später freiwillig zu gehen.
Im Wahlkampf treffen Saxe und die Konkurrenz aufeinander: Im Lübecker
Innovationszentrum hat der DGB zur Podiumsdiskussion geladen. Erz greift
Saxe an, wird laut, schimpft. Behauptet, Saxe kenne seine eigene Verwaltung
gar nicht - und das nach elf Jahren!
Saxe kann das locker weglächeln, schüttelt ab und an den Kopf, das ist
alles. Erz aufbrausende Art kommt nicht richtig gut an beim Publikum, Saxes
Nüchternheit schon eher. Dabei sind hier längst nicht alles Fans. Er spielt
mit norddeutschem Understatement. "Ich glaube", sagt er, "dass ich nicht
alles falsch gemacht habe."
4 Nov 2011
## AUTOREN
Daniel Kummetz
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