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# taz.de -- Rocker-Prozess: Falschparker vor Gericht
> Wars Landfriedensbruch - oder doch nur Pöbelei? Kommunikations- und
> Ermittlungs-Panne der Bremer Polizei bringt Anklage bei Verfahren gegen
> Anführer der Mongols-Rocker unverhofft ins Wanken.
Bild: Wenigstens mit Motorrad: Rocker der Hells Angels versammeln sich vor ihre…
BREMEN taz | Wegen Landfriedensbruchs muss sich seit Montag Ibrahim M. vorm
Bremer Landgericht verantworten. Der 38-Jährige ist Anführer der
motorradfreien Rockerbande Mongols. Der erste Verhandlungstag hat indes
eher interne Kommunikationsprobleme der Polizei offengelegt, als den
Tatvorwurf zu erhärten.
Möglicherweise nämlich waren Polizisten schon zu Beginn der Attacke der
Mongols am späten Abend des 7. Mai aufs citynahe Vereinsheim der Hells
Angels zugegen. "Das wären Top-Zeugen", sagt Richter Reinhard Wacker, "die
bräuchten wir hier." Geladen sind sie allerdings noch nicht. Denn der
ermittelnde Kriminalhauptkommissar wusste bis gestern nichts von ihnen,
anders als Einsatzleiter Stefan Kiprowski. Der nämlich erwähnt die
stationierten Kollegen drei Tage nach dem Geschehen in einem Bericht an
Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) - ohne seinerseits das Schreiben zu den
Akten zu geben.
Aufgespürt hat es nun die Verteidigung: Anwalt Albert Timmer hatte, als
Entgegnung auf die Anklage, die Befürchtung geäußert, die Akte sei
"selektiv zusammengestellt", die zügig erstellte Anklage politisch
motiviert - und getragen von "Hysterie, weil mein Mandant einen bestimmten
Nachnamen führt".
Dem widersprach Staatsanwalt Hilal Öztürk energisch: Politischen Druck auf
die Ermittlungen habe es nicht gegeben, und selbstverständlich sei die
Anklage ohne Ansehen der Person verfasst. Was die öffentliche Wahrnehmung
betrifft, ist am Hysterie-Vorwurf allerdings was dran: Ibrahim M. ist
Mitglied einer in Bremen weltbekannten kurdisch-libanesischen Großfamilie,
auf deren Konto zahlreiche Straftaten gehen. Allein bei ihm liegt die
Deliktzahl laut Polizei im dreistelligen Bereich.
Bei der Mai-Klopperei sollen 20 ihrer Mitglieder involviert gewesen sein.
Die lokale Bildzeitung schwadronierte etwas von der "neuen Achse des
Bösen". Reißerisch war fast überall die Berichterstattung: brutale
Rockernacht, Schlachtgetümmel, fließendes Blut - das sind so die Stichworte
der Chronisten. Es gab fünf Verletzte: Ein Polizist wurde von einem
Polizeihund gebissen, drei Mongols trugen Blessuren davon. Und bei Ibrahim
M. musste eine klaffende Wunde am Hinterkopf im Krankenhaus behandelt
werden.
Was beängstigend für die Anlieger war und den Frontberichterstatter im
Lokalreporter weckte, klingt in der Anklage wenig spektakulär: Ibrahim M.
sei an jenem Abend mit Gleichgesinnten und als deren Anführer mit PKWs zum
Vereinsheim der Hells Angels gefahren. Dort hätten falsch parkende Mongols
ihre Feinde mit Flaschen beworfen und mit den Worten: "Hurensöhne, kommt
raus, wir werden euch ficken" gekränkt.
Ob das Verfahren zu Recht beim Landgericht liegt, sollen Nach-Ermittlungen
erweisen. Die müssen klären, ob sich tatsächlich Polizisten in Tatortnähe
aufhielten, wenn ja, welche, was sie sahen - und wie viele Rocker ins
Geschehen verwickelt waren. Denn der Landfriede kann laut Strafgesetzbuch
nur "aus einer Menschenmenge heraus" gebrochen werden. Weniger als zehn, so
die Faustregel, gelten nicht als Menge. Zwar gab es im Laufe des Abends
insgesamt 61 Festnahmen. Doch nicht auf einen Schlag und nicht alle vorm
Hells Angels-Heim. Und das nun aufgetauchte Schreiben des Einsatzleiters
legt laut Richter Wacker nahe, dass sich dort anfangs "nur ein paar people"
aufgehalten hätten.
Ein Scheitern des Prozesses würde die Position von Innensenator Mäurer
schwächen. Denn auch dessen Maßnahmen gegen Rocker-Gewalt beschäftigen
derzeit die Gerichte: Zur Befriedung der City hatte er nach einem weiteren
Hells-Angels-Überfall der Mongols den Verein und allgemein das Tragen so
genannter Rocker-Kutten verboten. Untersagt hatte er zudem abendliche
City-Durchfahrten per Motorrad. Doch die Mongols haben ohnehin nur PKW, das
Kuttenverbot wurde vergangene Woche vom Oberverwaltungsgericht per
Eilentscheidung kassiert. Anhängig ist dort noch die Klage gegen die
Zwangsauflösung des Clubs.
7 Nov 2011
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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