# taz.de -- Flüchtlinge dürfen wiederkommen: "Jetzt können wir die Zukunft p… | |
> Nach heftiger Kritik an der Abschiebung der Familie Nguyen will das | |
> Innenministerium sie zurückholen. Die älteste Tochter Ngoc Lac war allein | |
> zurück geblieben. | |
Bild: Darf nun doch weiter in Niedersachsen zusammenleben: die Familie Nguyen. | |
taz: Frau Nguyen, es war schwierig, Sie zu erreichen. Ihr wievieltes | |
Interview heute ist das? | |
Ngoc Lan Nguyen: Ich glaube, das fünfte. Aber ich freue mich so, ich kann | |
das immer wieder erzählen, wie es gestern war. | |
Wie war es denn? | |
Abends hat mich ein Journalist angerufen, der wusste schon vorher, dass der | |
Innenminister später im Fernsehen sagen würde, dass meine Familie | |
zurückkommen darf. Da war ich sprachlos, ich konnte damit gar nicht | |
umgehen. Ich bin auf die Straße und habe herumgeschrien. | |
Als ihre Familie letzte Woche ohne Vorankündigung abgeschoben wurde, | |
mussten Sie die gemeinsame Wohnung verlassen. Wo leben Sie jetzt? | |
Ich bin bei einer Freundin untergekommen. Aber wenn meine Eltern wieder da | |
sind, gehen wir wieder in die alte Wohnung. Alle Sachen und Möbel sind ja | |
noch da drin. | |
Kann Ihr Vater auch seine Arbeit wieder aufnehmen? | |
Ja. Sein Chef hat gesagt, er kann sofort wieder arbeiten. | |
Wo ist ihre Familie jetzt? | |
Sie ist in Hanoi bei einem Onkel untergekommen. | |
Das niedersächsische Innenministerium hat seine Kehrtwendung auch damit | |
begründet, dass es ihrer Familie in Vietnam schlecht gehe. Inwiefern? | |
Ich habe sie am Tag nach der Abschiebung dort angerufen. Meine Mutter war | |
immer noch sehr erschrocken. Alles habe sich verändert. "Wir kommen hier | |
nicht klar", hat sie gesagt. Alles war eine Riesenumstellung. Und für meine | |
Geschwister ist es besonders schlimm - die waren ja noch nie da. Meine | |
Schwester ist in der dritten Klasse, mein Bruder ging hier in den | |
Kindergarten. Sie vermissen natürlich ihre Freunde. | |
Sie wurden als einzige nicht abgeschoben, weil eine Altfallregelung für sie | |
griff. Wären Sie auf Dauer allein hier geblieben? | |
Ich weiß es nicht, ich habe mich damit noch gar nicht befasst. Ich habe | |
immer noch daran geglaubt, dass meine Familie irgendwie zurück kommt. Jetzt | |
können wir endlich die Zukunft planen. | |
Wie soll ihre Zukunft denn aussehen? | |
Ich musste meine letzte Arbeit aufgeben. Als Geduldete durfte ich dort nur | |
kurz bleiben. Ich habe nach der elften Klasse als Aushilfe in einer | |
Kinderklinik in Hannover gearbeitet. Aber das war keine gelernte Tätigkeit. | |
Jetzt habe ich eine Aufenthaltserlaubnis und möchte eine Ausbildung als | |
Bankkauffrau machen. | |
Wissen Sie schon, wann ihre Familie wieder hier sein wird? | |
Nein, keine Ahnung. Sie müssen sich erst einen Pass besorgen und bei der | |
deutschen Botschaft ein Visum beantragen. | |
Ihre Familie dürfte gerettet haben, dass sie als besonders gut integriert | |
gilt. Was denken Sie über die Abschiebung anderer langjährig geduldeter | |
Familien, die keine Jobs haben, und nicht ähnlich gut Deutsch sprechen? | |
Unsere gute Integration ist bestimmt ein Grund, dass meine Familie | |
wiederkommen darf. Es wird ja schließlich auch immer Integration erwartet. | |
Was andere Familien angeht, die auch lange hier sind: Die Kinder | |
integrieren sich sowieso, das passiert ja ganz automatisch. Und die Eltern | |
… man kann denen ja auch Angebote machen, etwa Deutsch zu lernen. | |
Sind Sie Uwe Schünemann einmal persönlich begegnet? | |
Ja, vor fünf Jahren, als wir im Kirchenasyl waren. Unterstützer haben | |
tausende Postkarten für unser Bleiberecht gesammelt, ich habe sie ihm dann | |
zusammen mit Freunden im Landtagsgebäude übergeben und ihn gefragt, warum | |
wir weg sollen. Aber es war keine schöne Begegnung. Er ist nicht weiter auf | |
uns eingegangen. | |
Sind Sie ihm jetzt dankbar? | |
Ja, natürlich. Ziemlich überrascht, aber dankbar. | |
16 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |