# taz.de -- Neue Berggruen-Biografie: In Berlin die "Judenkarte" gespielt | |
> Vivien Stein hat eine neue Biografie des Mäzen Heinz Berggruen vorgelegt. | |
> Sie bedient darin das antijüdische Ressentiment vom guten | |
> Geschäftemacher. | |
Bild: Eine neue Berggruen-Biografie wirft dem Kunstmäzen posthum Eigennutz vor. | |
Was ist ein guter Mäzen? Ein völlig uneigennützig handelnder Mensch? Wohl | |
kaum. Heinz Berggruen, dem die Staatlichen Museen in Berlin eine große | |
Sammlung der klassischen Moderne verdanken, mit Bildern von Cézanne, Klee, | |
Matisse und Picasso, war ein guter Kaufmann und leidenschaftlicher | |
Kunsthändler, der ohne einen Blick für das eigene Interesse eine solche | |
Sammlung nie hätte zusammentragen können. | |
Ihm aus dieser Eigenschaft, vier Jahre nach seinem Tod, nun einen moralisch | |
abwertenden Strick zu drehen, ist infam. Der Versuch einer Biografin, | |
Vivien Stein, Heinz Berggruen von dem Ehrenplatz zu verjagen, den die | |
Berliner Öffentlichkeit diesem Sammler eingeräumt hat, wurde denn auch | |
rasch gekontert, nicht nur von den beteiligten Museen, sondern auch in den | |
Feuilletons vieler Zeitungen. | |
Dass Steins Buch "Heinz Berggruen - Leben und Legende" so vehemente | |
Reaktionen auslöste, lag allerdings auch an einem großen Text in der | |
Süddeutschen Zeitung von Stephan Speicher, der sich Vivien Steins Gestus | |
der Enthüllung einer verborgenen Wahrheit zu eigen machte. | |
Dabei stieß nicht nur auf, dass Stein das antijüdische Ressentiment vom | |
guten Geschäftemacher bediente, sondern auch Berggruen vorwirft, in Berlin | |
die "Judenkarte" gespielt zu haben. Denn natürlich spielte für die Stadt | |
immer eine Rolle, dass Berggruen, 1914 in Berlin geboren, Jude war, 1936 in | |
die USA emigrierte und nun trotz der Geschichte der Judenvernichtung seine | |
Sammlung hier zuerst als Leihgabe hingab und dann für einen Preis von 253 | |
Millionen D-Mark zum endgültigen Verbleib anbot. | |
## Großer Imagegewinn | |
Gerade dieses symbolische Kapital eines zurückgekehrten Emigranten, die | |
versöhnliche Geste, die auch für die Politik darin lag, diesem Kauf | |
zuzustimmen, macht den Wert der Sammlung mit aus. Sie erzählt eben auch | |
Berggruens Geschichte und schafft damit einen Zugang zur Kunst, der | |
persönlicher, lebensnäher und mit mehr historischem Atem aufgeladen ist als | |
viele andere Sammlungen. | |
Für die wiedervereinigte Stadt, die sich gleich mit mehreren Baustellen der | |
Vergangenheitsbewältigung plagte, war die Sammlung Berggruen ein großer | |
Imagegewinn. Dass sie dabei auch zu übertriebener Verehrung neigte - nun, | |
das ist eher ihr Problem. | |
Die Aufregung um das Buch und seine Rezension in der SZ hat aber noch einen | |
anderen Hintergrund. Anfang November hielt eine Studie fest, dass etwa 20 | |
Prozent der Deutschen einem latenten Antisemitismus anhängen, eine Woche | |
später folgte die skandalöse Geschichte einer jahrelang mordenden | |
Neonazi-Gang in Deutschland. | |
Vor diesem Hintergrund ist das Erschrecken über den Versuch, den | |
Kunsthändler und Sammler mit Wertungen zu belegen, die antijüdische | |
Klischees bedienen können, besonders laut geworden. | |
18 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
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