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# taz.de -- Echt-Schlagzeuger jetzt Kindergärtner: "Ich habe die Band geliebt"
> Auf die Zeit, als er noch Schlagzeuger der Band "Echt" war, schaut er ein
> bisschen stolz, aber ganz ohne Wehmut zurück. Denn Florian Sump kann sich
> als Kindergärtner weiterhin kreativ entfalten und seiner Leidenschaft,
> der Musik, frönen.
Bild: Verzichtet bei seinen Hip-Hop-Songs für Kinder auf den pädagogischen An…
taz: Herr Sump, Ihre Band "Echt" hat sich 2002 getrennt, da waren Sie 21.
Hatten Sie damals schon einen Plan B für Ihr Leben?
Florian Sump: Nee, gar nicht. Mein Plan war erst mal, keinen Plan zu haben.
Schließlich war mein Leben die fünf Jahre davor komplett durchgeplant. Wir
haben ja die Band gegründet als wir elf waren und ab da eigentlich immer
nur Musik gemacht. Als unser erstes Video auf dem Musiksender Viva gespielt
wurde und alles ganz groß wurde, waren wir 16. Da stellte sich noch nicht
die Frage, was man später mal machen möchte, wie es danach weitergeht.
Was haben Sie aus Ihrer neu gewonnenen Freizeit gemacht?
Ich habe erst mal gechillt, zweimal am Tag beim Pizzaservice angerufen, war
viel feiern, habe Zeit mit Freunden und Familie verbracht. Ich habe das
nachgeholt, was vorher immer auf der Strecke geblieben ist. Ein Jahr habe
ich wirklich nur herumgehangen. Dann fing es aber an, total langweilig zu
werden, und ich musste mir überlegen, was ich nun mache. Anfangs fiel es
mir schwer, mich festzulegen: Ich habe auf dem Markt Fleisch verkauft, in
der Videothek gearbeitet. Ich war sogar für ein paar Tage Reinigungskraft
in einem Hotel. Ich hatte Bock, viele Sachen auszuprobieren, habe es
genossen, mein Geld mit etwas zu verdienen, was nicht meine Leidenschaft
ist. Ich hatte das Gefühl, das wäre die andere Seite, die ich auch mal
kennenlernen muss.
Heute arbeiten Sie als Kindergärtner. Wie kam es dazu?
Als ich meinen Zivildienst im Kindergarten nachgeholt habe, habe ich
gemerkt, dass das etwas ist, auf das ich mich festlegen kann - zumindest
für ein paar Jahre. In diesem Job herrscht ganz viel Bewegung. Täglich
ändern sich Dinge, weil die Kinder sich so schnell verändern. Ich hatte
aber auch das Gefühl, dass das ein Job ist, bei dem ich mich mit meinem
eigenen Style gut einbringen kann
Wie kann man sich Ihren Style vorstellen?
Als Mann bin ich eher für die Actionsachen zuständig. Es ist natürlich
nicht so, dass meine Kolleginnen den ganzen Tag mit der Bastelschere am
Tisch sitzen, aber als Quereinsteiger, der gar keine Ausbildung gemacht
hat, habe ich sehr viel Raum, in dem ich mich frei entfalten kann. Wer
nicht total faul ist und da auch Bock drauf hat, kann total kreativ sein
und echt tolle Sachen erleben. Das ist nicht jeden Tag so, aber oft genug,
sodass ich sagen kann, ich bin echt glücklich mit meinem Job.
Auf welche Art bringen Sie sich kreativ ein?
Ich bin nach wie vor durch und durch Musiker, daher habe ich irgendwann
angefangen, auch mit den Kindern Musik zu machen. Ich mache mit ihnen
Übungen, bei denen es um Bewegung und Rhythmusgefühl geht, will ihnen
vermitteln, wie viel Spaß Musik machen kann. Meistens machen wir zusammen
Hip-Hop - eine Musikrichtung, mit der ich mich seit fünf Jahren intensiv
beschäftige. Ich finde es wichtig, mit den Kindern etwas Cooles zu machen,
wo nicht unbedingt die Akustik-Gitarre plänkelt. Ist zwar auch ganz schön,
aber ich wollte ein bisschen mehr Action.
Was ist das pädagogisch Wertvolle am Hip-Hop?
Ein wichtiges Element des Hip-Hop ist es, sich gegenseitig Respekt zu
geben. Auch wenn zwei Kinder sonst nicht so viel miteinander spielen,
machen wir in dem Moment alle etwas zusammen und geben uns gegenseitig
Respekt. Es ist cool zu sehen, wenn der schüchterne Karl-Heinz drei Wochen
lang den Mund nicht aufkriegt, sich dann doch überwindet und Reime darüber
vorträgt, was er gerne mag. Die anderen Kinder jubeln ihm dann zu und
nicken mit den Köpfen, sodass er dann das nächste Mal noch ein bisschen
selbstbewusster ist. Das sind die kleinen Erfolge, bei denen ich weiß,
wofür ich das mache.
Reichen einem Vollblut-Musiker, der früher groß gefeiert wurde, die kleinen
Erfolge?
Mittlerweile habe ich einen Weg gefunden, mich trotz meines Vollzeitjobs
als Kindergärtner musikalisch zu verwirklichen. Schon kurz nach der
Trennung von "Echt" habe ich das Hip-Hop-Projekt "Jim Pansen" auf die Beine
gestellt und spiele regelmäßig Konzerte oder auf Festivals. Anfang dieses
Jahres ist mir während meiner Arbeit aber eine Idee für ein weiteres, ganz
neues Projekt gekommen. Als ich unsere CDs im Kindergarten sortiert habe,
habe ich festgestellt, dass die Kindermusik, die ich gut finde aus den
70er-, 80er-Jahren stammt. Und mir ist aufgefallen, dass das, was heute
gemacht wird, oft ganz lieblose Musik von ein paar gewitzten Produzenten
ist. Dann habe ich angefangen, mit zwei Freunden ein Kinder-Hip-Hop-Album
aufzunehmen. Meine Arbeit lieferte dabei den besten Stoff für Texte.
Was sind es für Themen, die Sie aus Ihrer Arbeit im Kindergarten mitnehmen?
Viele Lieder für Kinder folgen ganz dem Motto "Tu dies nicht, tu das nicht"
- immer mit so einem leicht angestaubten pädagogischen Ansatz. Wir wollten
es mit einem entgegengesetzten Dreh versuchen. Wir wollten nicht den
Kindern erzählen, an was für Regeln sie sich halten müssen, sondern wollten
Themen aus ihrer Sicht behandeln. Ich zeige Verständnis für Kinder, die
keine Lust haben, aufzuräumen und die Spielverderber doof finden. Wir
verzichten auf den pädagogischen Ansatz. Wir gesellen uns zu den Kindern
und nehmen Abstand von der Ansicht, dass Kindermusik Erziehung sein muss.
An wen richten Sie sich in den Liedern?
Wir haben ein Lied, das sich speziell an Eltern richtet: "Klein sein". Es
beschäftigt sich damit, dass heutzutage viele Kinder unter großem
Leistungsdruck stehen, für die es immer heißt "Mach, mach, mach". Das Lied
richtet sich an Eltern aus der Sicht eines Kindes, das einfach nur klein
sein und einfach manchmal nur Mist bauen will. Ansonsten ist meine Musik
aber nichts für die Eltern, sondern nur für die Kinder.
Finden sich Ihre Kindergartenkinder in Ihren Texten wieder?
Ja, total. Die sind meine Jury. Ich teste meine Lieder immer an ihnen. Als
ich die ersten Aufnahmen mitgebracht habe, habe ich nicht gesagt, dass das
meine Musik ist, sondern die Musik einfach angestellt und geguckt, wie sie
darauf reagieren. Mein Konzept ist zum Glück aufgegangen. Den Kindern haben
meine Lieder so gut gefallen, dass ich mit meiner Arbeit weitermachen
wollte.
Wissen Ihre Kindergartenkinder von Ihrer Vergangenheit als berühmter
Popstar?
Ich mache kein Geheimnis daraus, sage aber auch nicht "Guten Tag, ich bin
Flo, ich habe mal bei ,Echt' gespielt". Das sollen die selbst herausfinden.
Vor Kurzem haben wir "Ich packe meinen Koffer" gespielt und ein Mädchen hat
die Popgruppe "Echt" mit eingepackt. Das fand ich sehr gut, da hat sie gute
Musik dabei.
Können Sie sich mit Ihrer Musik von damals noch identifizieren?
Absolut. Ich hab die Band geliebt und auch die Musik, die wir gemacht
haben. Witzigerweise begegne ich oft Menschen, die davon ausgehen, dass ich
mich für meine "Echt"-Vergangenheit schäme. Gerade bei Liedern wie "Wir
habens getan" könnte man ja auf den Gedanken kommen. Aber trotzdem gibt es
Teile unserer Bandgeschichte, auf die ich echt stolz bin. Damals gab es
noch keine Juli, Silbermond oder Wir sind Helden. Da waren Dr. Alban,
Captain Jack und Nana angesagt, und mit dem, was wir gemacht haben, sind
wir nicht auf irgendeinen Zug aufgehüpft. Wir haben nicht nachgemacht, was
gerade angesagt war - und das finde ich nach wie vor gut.
Wie sieht die Zukunft für "Jim Pansen" und Ihren Kinder-Hip-Hop aus?
"Jim Pansen" ist ein Liebhaberprojekt und wird ewig weitergehen. Ich
schreib ab und zu was, und wenn ich Lust habe, nehme ich ein paar Auftritte
mit. Damit ist es aber auch gut. Bei der Kinder-Hip-Hop-Sache sind wir,
glaube ich, auf einem guten Weg und befinden uns gerade im Gespräch mit
einer großen Plattenfirma. Die Platte ist fertig und wir haben uns auch
überlegt, ein Theaterstück draus zu machen, mit dem wir durch Kindertheater
touren können.
Was passiert mit Ihrem Job als Kindergärtner, wenn Sie mit Ihrem Album
Erfolg haben?
Ewig werde ich meinen Job im Kindergarten wahrscheinlich nicht machen
können, denn irgendwann wäre mir die Lautstärke zu gesundheitsgefährdend.
Wir dachten früher, dass Konzerte mit 2.000 kreischenden Teenies eine
Belastung für unsere Ohren wären. Es ist aber nichts gegen 15 Kinder, die
du acht Stunden am Tag um dich herum hast. Ich würde aber versuchen, weiter
im Kindergarten zu bleiben. Die Musikindustrie hat solche Umsatzeinbrüche
erlitten, dass sogar Mitglieder von mittelmäßig erfolgreichen Bands noch
Nebenjobs haben, weil sie ein geregeltes Leben haben wollen. Ich hätte
allerdings nichts dagegen, mal ein bisschen weniger zu arbeiten und ein
bisschen mehr auf Tour zu sein. Von meinem Arbeitgeber aus habe ich aber
auch die Möglichkeit, mal für ein halbes Jahr zu sagen: "Ich bin mal eben
auf Theatertour." Es muss nur alles gut durchdacht und geplant sein, dann
ist alles möglich.
20 Nov 2011
## AUTOREN
Katharina Gipp
## TAGS
Musical
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