# taz.de -- Hells Angels in der Heide: Missratene Imagepflege | |
> Die "Walsroder Zeitung" verschwieg mögliche Hintergründe des Anschlags | |
> auf das Haus eines örtlichen Rechtsanwalts. Dann versuchte sie, dies aus | |
> ihrem eigenen Wikipedia-Eintrag zu tilgen | |
Bild: Eine brennende Mülltonne und die Parole "Eine Kugel reicht" sollten den … | |
Der Vorwurf traf bei der Walsroder Zeitung (WZ) offenbar einen | |
empfindlichen Nerv: Als in der Online-Enzyklopädie Wikipedia zu lesen war, | |
dass die Lokalzeitung Fakten im Zusammenhang mit dem in Walsrode mächtigen | |
Rockerclub Hells Angels verschweige, reagierte die WZ sofort - in dem sie | |
den missliebigen Wikipedia-Passus löschte. Der Ver.di-Fachbereich Medien | |
spricht von "Zensur". | |
Anfang November hatten Unbekannte eine Drohung an das Haus des Walsroder | |
Rechtsanwalts Thomas Lasthaus gesprüht: "Eine Kugel reicht", dazu ein | |
Fadenkreuz, eine daneben stehende Mülltonne wurde angezündet. Lasthaus ist | |
einer der wenigen Bürger in Walsrode, die sich kritisch über den | |
umstrittenen Unternehmer und Hells Angels-Schatzmeister Wolfgang Heer | |
geäußert haben. Für die überregionalen Medien war klar, dass dieser Umstand | |
Teil der Berichterstattung sein muss. Der WZ war es keine Zeile wert - sie | |
verschwieg Lasthaus Positionierung. "Jegliche Hinterfragung" und "jegliche | |
Verurteilung" habe er bei der WZ vermisst, sagt Lasthaus, obwohl die | |
Lokaljournalisten genau im Bild gewesen seien. | |
Am 11. November berichtete das NDR-Medienmagazin "Zapp" über den | |
eigenwilligen Umgang der WZ mit dem Anschlag auf den Anwalt. "Zahnlos gegen | |
die Hells Angels", lautete der Titel des Beitrags über das "auffällig | |
unauffällige" Lokalblatt. Ein Wikipedia-Nutzer ergänzte daraufhin den | |
Eintrag über die WZ: Die habe "bei mit den ,Hells Angels' in Zusammenhang | |
stehenden Vorfällen im Gegensatz zu anderen Zeitungen den Zusammenhang | |
verschwiegen", schrieb er. Kurz darauf wurde die Ergänzung gelöscht. Die | |
IP-Nummer zeigte, dass die bislang nicht rückgängig gemachte Löschung von | |
der WZ selbst gekommen sein muss. | |
Am Mittwoch war der Herausgeber der WZ, Martin Röhrbein, für die taz nicht | |
zu erreichen. Gegenüber dem NDR bezeichnete der die Löschung aber "als | |
Fehler". Der Löschversuch sei nicht mit der Leitung des Hauses abgestimmt | |
gewesen. Röhrbein verwies allerdings auf die Ziffer 13 des Pressekodex, in | |
dem von der Unschuldsvermutung in der Berichterstattung die Rede ist. | |
Beim Presserat ruft der Vorfall Kopfschütteln hervor: Das sei der | |
"unglückliche Versuch eines Verlages, unliebsame Informationen über das | |
eigene Haus zu vertuschen," sagt Ella Wassink. "Zensur" sei allerdings "ein | |
zu hartes Wort". Jeder wisse, wie transparent Wikipedia sei und dass | |
Manipulationen nachvollziehbar seien. Zudem handele es sich nicht um einen | |
staatlichen Versuch, Berichterstattung von Medien einzuschränken. | |
Es ist nicht das erste Mal, dass die WZ in den Verdacht gerät, es sich mit | |
den Hells Angels nicht verderben zu wollen. Als vor einiger Zeit zwei Autos | |
von Kindern des Walsroder Ratsherrn Detlef Gieseke (Grüne) demoliert | |
wurden, schrieb die WZ nichts darüber. Viele hielten den Anschlag für eine | |
Drohung, denn Gieseke ist der prominenteste Hells Angels-Kritiker in der | |
kleinen Stadt. Er hatte eine Podiumsdiskussion über die Hells Angels | |
geladen. Erst eine Zeitung aus Verden machte den Angriff auf Giesekes | |
Kinder öffentlich und interviewte Heer. Der stritt jede Beteiligung an dem | |
Anschlag ab. | |
Heers Familie besitzt eine ganze Reihe von Betrieben, nicht nur aus der | |
Rotlichtbranche in Walsrode, beschäftigt über 100 Menschen. Und sehr häufig | |
erscheinen in der WZ Anzeigen für seine Unternehmen. "Bei der WZ liegen die | |
Nerven offenbar blank", sagt Gieseke über den Wikipedia-Löschversuch. "Bei | |
allen Dingen, die mit Hells Angels und Heer in Zusammenhang stehen, gibt es | |
eine Zurückhaltung, die ich nicht nachvollziehen kann," sagt Anwalt | |
Lasthaus. Diese Zurückhaltung missfällt offenbar nicht jedem. Als die | |
Walsroder Bürgermeisterin im Sommer einen Runden Tisch zum Thema Hells | |
Angels organisierte, verwehrte sie Pressevertretern den Einlass - mit einer | |
Ausnahme: Die Walsroder Zeitung durfte zuhören. | |
23 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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