# taz.de -- Leiter der Kultusminister-Konferenz: "Jedem Schüler gerecht werden" | |
> Was sind zentrale Aufgaben für die Kultusminister-Konferenz? Die Qualität | |
> des Unterrichts und die individuelle Einbeziehung der Lernenden, meint | |
> der neue Generalsekretär Udo Michallik. | |
Bild: Fordern kann man vieles, gelernt wird, was an der Tafel steht. | |
taz: Herr Michallik, wie ist es, neuer Generalsekretär einer Konferenz zu | |
sein, die niemand mehr haben will? | |
Udo Michallik: Abschaffungsversuche der Kultusministerkonferenz wurden und | |
werden in schönster Regelmäßigkeit laut. Ich habe dieses Amt angetreten, um | |
darzustellen, wie gut wir sind und was wir in diesem Lande leisten. | |
Das kommt nicht so richtig an. Die Kultusministerkonferenz, kurz KMK, wird | |
als träges Bürokratiemonster wahrgenommen. | |
Also, wir im Sekretariat sind eine schlanke und schlagkräftige Truppe. Und | |
es gibt sehr viele gemeinsame Beschlüsse der KMK. Beeindruckendes Beispiel | |
ist der Beschluss nach Pisa zur Entwicklung von Bildungsstandards. Wir sind | |
jetzt dabei, diese Standards in allen Fächern zu entwickeln und in die | |
Schulen hineinzubringen. Was an Herausforderungen an die Kultusminister | |
herangetragen wurde, haben sie bar jeder ideologischen Diskussion zusammen | |
angepackt. | |
Wie kommt es dann, dass jedes Bundesland seine eigene Bildungspolitik | |
fährt: eine Berliner Grundschullehrerin ist nicht für Bayern ausgebildet, | |
Sachsens Sonderpädagogen können nicht in Berlin eingesetzt werden? | |
Die Kultusministerkonferenz hat bereits einheitliche Standards der | |
Lehrerbildung entwickelt … | |
… aber die werden nicht umgesetzt. | |
Da kann man der KMK keinen Vorwurf machen, es ist Sache der einzelnen | |
Länder, sie umzusetzen. Das Thema Lehrerbildung steht aber definitiv auf | |
der Agenda der nächsten Jahre. Wir haben bereits eine Arbeitsgruppe | |
eingerichtet, in den nächsten Monaten wird man davon hören. | |
Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf? Sie waren ja vor Kurzem noch im | |
Kultusministerium Mecklenburg-Vorpommern für das Thema verantwortlich. | |
Ja, ich habe ein Lehrerbildungsgesetz begleitet. Praxiselemente, | |
Psychologie und Methoden - solche Inhalte müssen in die erste Phase der | |
Lehrerausbildung integriert werden. Wer Lehrer werden will, muss bereits am | |
Anfang seiner Ausbildung wissen, ob das der richtige Beruf für ihn oder sie | |
ist. | |
Die Bundesbildungsministerin Annette Schavan hält es für möglich, dass es | |
in drei Jahren ein zentrales Abitur gibt. Ist das in Ihren Augen | |
realistisch? | |
Ich halte es für realistisch. Zurzeit beraten einige Bundesländer über | |
einen gemeinsamen Aufgabenpool, mit gleichen Anforderungen. | |
Mecklenburg-Vorpommern hat im Fach Englisch die Federführung übernommen, in | |
drei Jahren wollen wir das erste Abitur unter dieser Maßgabe durchführen. | |
Wie viele Länder sich dann daran beteiligen, werden wir sehen. Aber auch | |
der Hamburger SPD-Bildungssenator und künftige KMK-Präsident, Ties Rabe, | |
hat sich zu diesem Ziel bekannt. | |
Das bedeutet aber, wenn Schüler ähnliche Abituraufgaben bekommen, müssen | |
sie in den Jahren davor auch das Gleiche lernen? | |
Die Frist von drei Jahren beinhaltet genau die Zeit, in der die betroffenen | |
Schülerinnen und Schüler auf dieses Aufgabenformat vorbereitet werden | |
sollen. | |
Ihre Partei, die CDU, hat sich vorsichtig für ein bundeseinheitliches | |
Schulmodell ausgesprochen mit zwei wesentlichen Säulen - Gymnasium und | |
Oberschule. Ein Schritt in die Moderne? | |
Ein Schritt, um die leidige Strukturdebatte zu überwinden. Viel | |
interessanter als Strukturen finde ich persönlich die Lehrinhalte. Wir | |
müssen uns mehr darum kümmern, wie wir Kinder individuell fördern können, | |
wie Unterricht aussieht, der auf heterogene Gruppen ausgerichtet ist. | |
Sie klingen so begeistert, haben Sie da ein konkretes Beispiel vor Augen? | |
Ja, auf Rügen haben wir in einem Modellversuch getestet, wie Inklusion im | |
Unterricht funktioniert. Die Ergebnisse haben mich überzeugt. Die Lehrer | |
schaffen es, die Kinder so zu fördern, dass sie jedem Einzelnen gerecht | |
werden. Die schlauen Schüler langweilen sich nicht, die langsamen werden | |
motiviert. Wir schauen bei Förderschülern sonst immer, was sie nicht | |
können, und setzen bei den Schwächen mit der Förderung an. Wer aber die | |
Perspektive wechselt, sieht, wozu diese Kinder fähig sind. Die Lehrer auf | |
Rügen haben für jedes Kind Entwicklungsberichte angelegt, und die Kurven | |
zeigen bei allen Kindern am Ende des Schuljahres nach oben. Das geht. | |
Also, Rügen für die ganze Bundesrepublik? | |
Das wäre ja vermessen. Es gibt viele andere gute Beispiele. Aber das Thema | |
Inklusion und Unterrichtsqualität wird auf jeden Fall einer meiner | |
Schwerpunkte sein. | |
27 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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