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# taz.de -- Erster Linksparteiparteitag nach der Wahl: Dagegen sein klappt eben…
> Nach dem Ausscheiden aus dem Senat sucht die Linke Gründe für das
> schlechte Wahlergebnis - und Rezepte, sie künftig zu vermeiden.
Bild: Endlich erleuchtet: Linke-Parteichef Klaus Lederer (l.). Ex-Wirtschaftsse…
Eigentlich hätten die Linken ihren Parteitag am Samstag schon nach den
ersten beiden Reden beenden können. Da hatte zunächst der Landesvorsitzende
Klaus Lederer gravierende Fehler im Landtagswahlkampf eingeräumt, hatte
erklärt, dass die Linke am Ende der rot-roten Koalition "im Klein-Klein der
Koalitionsdynamik versackt" sei, statt eine ausstrahlungsfähige Perspektive
zu entwickeln. Schließlich hatte er noch ein wenig über die kriselnden
Grünen gespöttelt sowie über den rot-schwarzen Koalitionsvertrag. Dafür
bekam Lederer den Applaus der 150 Delegierten. Im üblichen Umfang. Ohne
Begeisterung.
Dann kam Gesine Lötzsch. Die Bundesvorsitzende erwähnte die Landespolitik
nur am Rande, empörte sich stattdessen über die neofaschistische Mordserie,
schimpfte über den Verfassungsschutz und den krisengeschüttelten
Kapitalismus, forderte mehr Selbstbewusstsein der Partei, damit man sich im
Januar "erhobenen Hauptes bei der Ehrung von Rosa Luxemburg und Karl
Liebknecht wiedersehen" könne. Und schon war Stimmung in der Bude.
Zwischenapplaus gleich mehrfach. Kraftvoll. Gemeinsam. Dagegen.
So ist sie, die Linkspartei. Sie fühlt sich wohl in der Opposition gegen
das große Ganze. Da fällt der Zusammenhalt leicht. Doch mit der Umsetzung
in konkrete Politik tut sie sich immer noch schwer. Auch nach zehn Jahren
im rot-roten Senat. Und erst recht, nachdem sie aus der Regierung
rausgeflogen ist. Von 13,4 auf 11,7 Prozent war die Linke bei der Wahl am
18. September abgerutscht.Vor zehn Jahren hatte sie gar noch 22,6 Prozent
geholt.
"Berlin nach der Wahl 2011", hieß das offizielle Motto des Parteitags im
stickigen Saal des neuen Ramada-Hotels an der Karl-Liebknecht-Straße.
"Wunden lecken" wäre der passendere Titel gewesen. "Das war eine ganz
schwere Niederlage", sagte Dietmar Bartsch, stellvertretender Fraktionschef
im Bundestag. "Ärger und Frust sitzen tief", meinte die Abgeordnete Evrim
Baba-Sommer.
Auch Harald Wolf, der frisch aus dem Amt geschiedene Wirtschaftssenator,
sparte nicht mit Selbstkritik. "Wir müssen klarer darauf achten, dass wir
keine Entscheidungen treffen, die unseren Grundsätzen widersprechen", sagte
Wolf. So habe die im Jahr 2003 mitgetragene Privatisierung der
landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GSW seiner Partei noch Jahre
nachgehangen. Auch nutze es wenig, wenn sich die Funktionäre über eine
gelungene Schulreform freuten, wenn die Wähler doch vor allem erwarteten,
dass Schule funktioniere. "Das haben wir in zehn Jahren nicht erreicht", so
Wolf.
Die Kritik der Basis fiel entsprechend harsch aus. "Wir haben uns der SPD
weitgehend angepasst", schimpfte etwa Ellen Brombacher von der
kommunistischen Plattform. "Wir wurden von der SPD als billiger
Mehrheitsbeschaffer ausgenutzt", ergänzte Marianna Schauzu von der
gewerkschaftsnahen Sozialistischen Linken. "Ihr habt ohne Not die
liberalsten Ladenöffnungszeiten in Deutschland mitgetragen und die Kollegen
am Sonntag zur Arbeit geschickt", kritisierte Thomas Licher, neuer
Fraktionschef im Neuköllner Bezirksparlament. Es habe einen Mangel an
linker Politik im rot-roten Senat gegeben.
Viele der rund 45 Redner in der fast fünfstündigen Aussprache kamen immer
wieder auf zwei zentrale Punkte zu sprechen: Die dramatische Entwicklung
bei den Mieten habe die Parteiführung "über Jahre verpennt".Und sie habe
den Kontakt zu den Bewegungen verloren. Spätestens als man abgelehnt habe,
das Volksbegehren zur Offenlegung der Wasserverträge zu unterstützen, sei
"das letzte Vertrauen verspielt" worden.
Anders als die Grünen, die sich seit der Wahl mit parteininternem Streit
blockieren, führt die Auseinandersetzung bei der Linkspartei aber nicht zum
Eklat. Ein Antrag, der Landesvorstand solle als Konsequenz aus dem
Wahldebakel zurücktreten und sich einer Neuwahl stellen, fand nur
vereinzelte Unterstützer. Stattdessen wurde eine mehrseitige Analyse des
Landesvorstands abgesegnet, die weniger zurück als nach vorn schaut. So
sollen im kommenden Jahr Konzepte entwickelt werden, um die
Parteistrukturen handlungsfähiger zu machen und Mitglieder besser
einzubinden. Eine Minidebatte gab es nur darüber, ob das Papier nun den
Titel "Offensiv in die Opposition" tragen solle oder doch besser mit
"Offensive Opposition" überschrieben sei. Der Antrag wurde dann aber
zurückgezogen.
Nur Harald Wolf mag noch nicht nur über Opposition reden. Die Erfahrung aus
den letzten zehn Jahren "kann nicht sein, dass wir besser gar nicht
regieren", sagte der Exwirtschaftssenator, "sondern wir müssen besser
regieren." Davon aber müsste er erst einmal seinen Landesvorsitzenden
überzeugen. "Wir sind nicht die Regierung im Wartestand, sondern wir wollen
diese Opposition anführen", betonte Lederer.
Dann verabschiedete der Parteitag im Minutentakt noch ein paar dringliche
Resolutionen. Unterstützung des Volksbegehrens gegen die
S-Bahn-Privatisierung? Klar! Aufruf zu den Protesten gegen den Dresdner
Nazi-Aufmarsch im Februar? Keine Gegenstimme! Unterstützung der
Basisinitiative für ein umfassendes Nachtflugverbot in Schönefeld? Aber
sicher doch!
27 Nov 2011
## AUTOREN
Gereon Asmuth
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