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# taz.de -- Kritik am Werbeträger unerwünscht: Felix Sturm boxt um seinen Ruf
> Mittelgewichtler Felix Sturm kämpft gegen den ungeschlagenen Martin
> Murray. Sturm will beweisen, dass er keine verblendeten Ringrichter
> braucht, um Fights zu gewinnen.
Bild: Felix Sturm (l.) und Martin Murray beim "Stare-down".
BERLIN taz | Am Ende der Qualen lehnte sich der jugendliche Held auf das
oberste Ringseil, beide Fäuste steckten noch im schmutzig-weißen
Tapeverband. Ein paar lautlose Momente vergingen, bis er das runde Dutzend
Knipser und Schreiber, das seiner Vorstellung beiwohnen durfte, gemustert
hatte. Dann kam die Ansage, kühl und knapp hervorgepresst: "Sonst
vielleicht noch jemand?"
Felix Sturm - bürgerlicher Name: Adnan Catic - brauchte nach dem Training
vor einigen Wochen keine neugierigen Reporter mehr; seine beiden
Chefschinder Clive Salz (Kondition) und Fritz Sdunek (Strategie) hatten ihm
in seinen eigenen vier Gym-Wänden im Kölner Süden bereits alles abverlangt.
Aber der Wunsch, die allzeit skeptische Meute herauszufordern, war einfach
zu stark.
Sosehr er sie braucht, um sich in der weiten Welt zu spiegeln, reibt er
sich doch immer wieder an ihr. Es ist über vier Monate her, seit der
32-jährige WBA-Champion im Mittelgewicht (36 Siege, 1 Unentschieden, 2
Niederlagen) von seinem irischen Herausforderer Matthew Macklin weit mehr
Schläge einstecken musste als erwartet.
Aber nicht nur der, auch Vertreter der Medien hieben danach auf ihn ein.
Selbst für seine Freunde hatte der Leverkusener Profi maximal ein Remis
verdient. Für kritischere Geister war er ausgepunktet worden, und der große
Lennox Lewis, Schwergewichtsweltmeister im Ruhestand, nannte jene zwei
Juroren, die ihn am Ende vorne hatten, "Straßenräuber".
So viel Kritik brennt dem Ausnahmeboxer, der sich an den Besten der Welt
orientieren will, heftig unter der Haut. Alle, die ihn schon im leichten
Abschwung wähnen, würde er am liebsten leibhaftig bestrafen. Es gibt aber
noch ein probateres Mittel, sie zu überzeugen. Am Samstag kann er sich in
Mannheim am bisher ungeschlagenen Engländer Martin Murray so fulminant
abarbeiten, dass seine Poleposition unter deutschen Berufsboxern gefestigt
ist. Das ist ja der Nimbus, der ihn seit Jahren umgibt.
## Reuiger Schüler gelobt Besserung
Bisher ist die Marke Sturm, die laut eigener Aussage "noch vier, fünf
Jahre" am Markt bestehen soll, einigermaßen unbeschädigt. Glaubt man der
Agentur, die seine Marketingrechte handelt, gibt es sogar einen veritablen
Run auf langfristige Kooperationen. Da wäre zum vierten Kampf unter eigener
Promotion-Regie kaum etwas wichtiger, als die sportliche Kernkompetenz zu
unterstreichen.
"Er muss mehr aus der Bewegung heraus boxen", mahnt Sdunek aktivere
Beinarbeit an, "und sich immer wieder neu zum Gegner stellen." Der
64-jährige Trainerguru fühlte sich regelrecht düpiert, als Sturm gegen
Macklin eigenmächtig einen zweiten Dariusz Michalczewski gab: viel
austeilen, lange stehen bleiben, viel nehmen.
Darum hat er gern gehört, wie sein reuiger Schüler dieser Tage überall
Besserung gelobte. Das sei wohl "nicht so gelaufen, wie wirs besprochen
hatten", räumt Sturm im Rückblick ein - weil er sich als Neopromoter "um zu
viele Sachen gekümmert" und im Ring "mit der Brechstange" agiert habe.
Vorbei und vergessen: In Mannheim soll die Boxwelt wieder den flexiblen,
technisch überlegenen Weltmeister sehen.
## Das Calvin-Klein-Testimonial
Außer Sdunek aber darf im Sturm-Kosmos offenbar niemand Kritik üben.
Livekommentator Wolff-Christoph Fuss, der manche Dinge zuletzt beim Namen
nannte, ist nun durch Alexander von der Groeben ersetzt worden. Dazu muss
Kokommentator Axel Schulz, der während der Übertragung fröhlich für Macklin
punktete, dem Exweltmeister Markus Beyer Platz machen. Auch wenn der Sender
direkte Zusammenhänge abstreitet, deutet das auf eine bedenkliche Tendenz
hin: Wer allzu laut am stolzen Calvin-Klein-Testimonial herummäkelt, wird
mit unsichtbarer Pinzette aus seinem Dunstkreis entfernt.
Die Entscheider von Sat1 müssen wenig Angst haben vor Martin Murray: Der
29-jährige Commonwealth-Champion ist im Ring so geradlinig wie berechenbar.
Ihr Respekt vor Thomas Gottschalk ("Wetten, dass..?") und Dieter Bohlen
("Das Supertalent") ist dagegen ungleich größer: Weil beide am Samstag
populäre Showformate moderieren, wurde die Boxgala auf den weniger
umkämpften Freitag vorverlegt. Es gibt ja zwielichtige Figuren, vor denen
man selbst einen von sich überzeugten Faustkämpfer besser in Schutz nimmt.
2 Dec 2011
## AUTOREN
Bertram Job
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