| # taz.de -- Familienministerin Schröder zu Zwangsehen: Die Kaffeesatzleserin | |
| > Familienministerin Schröder verzerrt die Ergebnisse einer Studie, die sie | |
| > selbst erstellen ließ. Als Grund vermutet ihr wissenschaftlicher Beirat | |
| > islamophobe Tendenzen. | |
| Bild: Islamophobe Tendenzen? Familienmisterin Kristina Schröder. | |
| Langsam fragt man sich, was diese Frau eigentlich so treibt. Wie sie denkt. | |
| Nach welchen Kriterien sie arbeitet. Und welche Maßstäbe sie hat. Denn | |
| schon wieder fällt Kristina Schröder (CDU) durch eine Peinlichkeit auf. | |
| Erst vor drei Wochen stellte die Bundesfamilienministerin eine von ihr in | |
| Auftrag gegebene Studie zu dem Thema "Zwangsverheiratung in Deutschland" in | |
| einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung vor. "Aus gutem Grund | |
| warnen viele Wissenschaftler vor zu kurzen und zu einfachen Kausalketten. | |
| Trotzdem darf uns der religiöse Aspekt nicht kaltlassen", warnte sie | |
| damals. Und schob hinterher: Den Zusammenhang zwischen Zwangsheirat und | |
| Islam dürfe man nicht leugnen. | |
| Doch jetzt wehren sich die MitgliederInnen des wissenschaftlichen Beirats | |
| und Workshops der Studie. Ihre Daten seien falsch interpretiert worden. | |
| "3.443 Fälle von Zwangsverheiratungen haben die Beratungsstellen in | |
| Deutschland für 2008 registriert", schrieb die Ministerin. Diese Zahl sei | |
| nicht richtig ausgelegt worden, kritisieren die Wissenschaftler und klagen | |
| öffentlich an: Sie könne Mehrfachnennungen beinhalten, Fälle könnten also | |
| doppelt gezählt worden sein. In 60 Prozent der Fälle sei es um die | |
| Androhung einer Heirat gegangen. | |
| Laut Schröders FAZ-Gastbeitrag sind 83,4 Prozent der Eltern von Betroffenen | |
| Muslime. Diese Behauptung sei ebenfalls falsch, erwidern die | |
| Wissenschaftler. Betroffene seien im Rahmen der Studie überhaupt nicht | |
| befragt worden, es handele sich nur um Schätzungen von Beratern. "Wer | |
| solche Differenzen als beiläufig abtut, spricht empirischen Studien | |
| implizit jeden Sinn ab. Man kann sich die Mühe dann lieber gleich sparen", | |
| so die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats. | |
| ## Eigene Schlüsse gezogen | |
| Eigentlich wollten die MitgliederInnen des wissenschaftlichen Beirats und | |
| Workshops die Religionszugehörigkeit nicht aufnehmen, um antiislamische | |
| Propaganda nicht zu unterstützen. Doch das Ministerium habe darauf | |
| bestanden. Nun fühlen sie sich in ihrer Sorge bestätigt und "hinters Licht | |
| geführt". "Dass ausgerechnet die Auftraggeberin der Studie verzerrende | |
| Interpretationen wichtiger Befunde in der Öffentlichkeit verbreitet, ist | |
| für alle Beteiligten mehr als bedauerlich." | |
| Die Frage, warum Kristina Schröder die Datengrundlage scheinbar willkürlich | |
| auslegte, blieb gestern bis zum Redaktionsschluss ohne Antwort. Lediglich | |
| ihr Pressesprecher verschickte eine Stellungnahme zu der Kaffeesatzleserei | |
| seiner Chefin: "Dass jetzt einige Beteiligte versuchen, bestimmte | |
| Forschungsergebnisse zu relativieren, und den Beratungsstellen unsaubere | |
| Dokumentationen vorwerfen, wird der menschlichen Tragödie, die hinter jedem | |
| dieser Fälle steckt, leider nicht gerecht." Dann wird es ganz pathetisch: | |
| "Eine Aufteilung zwischen Opfern erster und zweiter Klasse wäre extrem | |
| zynisch." | |
| Nicht zum ersten Mal zeigen sich bei Ministerin Schröder | |
| Differenzierungsschwierigkeiten bei dem Thema Islam und Muslime. Und es | |
| gibt genügend Gründe, an einer Besserung zu zweifeln: Als | |
| Extremismusbeauftragte der Union forderte sie, "den politischen Islam | |
| genauso zu bekämpfen wie den Terrorismus". "Es gibt eine | |
| gewaltverherrlichende Machokultur bei einigen jungen Muslimen, die auch | |
| kulturelle Wurzeln hat", sagte sie im vergangenen Jahr. Statistisch belegen | |
| konnte sie diese steile These aber nicht. | |
| 1 Dec 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| C. Akyol | |
| E. Ippolito | |
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