# taz.de -- Machtwechsel in Kroatien: Linksbündnis "Kukuriku" gewinnt Wahl | |
> Mit mehr als 44 Prozent der Stimmen erzwingt die Linke einige Monate vor | |
> dem EU-Betritt des Landes einen Kurswechsel. Die HDZ muss arg Federn | |
> lassen. | |
Bild: Der Chef der Kukuriku-Koalition und Präsident der Sozialdemokraten Zoran… | |
SPLIT taz | Die Optimisten aus dem linksliberalen Lager haben recht | |
behalten. Die Linke hat mit über 44 Prozent der Stimmen die Macht in | |
Kroatien zurückerobert. Das Bündnisses "Kukuriku" aus Sozialdemokraten SDP, | |
der Rentnerpartei, der Kroatischen Volkspartei und der Istrischen | |
Regionalpartei konnte 78 Sitze im 151-köpfigen Parlament gewinnen. | |
Der künftige Ministerpräsident Zoran Milanovic verfügt damit über eine | |
komfortable Mehrheit. Er kann auf weitere Unterstützung zählen. Die erst | |
vor 17 Monaten gegründete Arbeiterpartei Laburisti, die links von der SDP | |
steht, errang auf Anhieb 6 Sitze. Manch Abgeordneter der 7 Vertreter der | |
Minderheiten wird sich ebenfalls auf die Seite des neuen Regierungslagers | |
schlagen. Dies gilt auch für den Humanisten Pater Don Ivan Grubisi, der in | |
Dalmatien zwischen 5 und 10 Prozent erreichte. | |
Die Kroatisch Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) muss allerdings nicht nur | |
den Machtverlust verkraften. Es besteht kein Zweifel, dass die nach der von | |
der EU erzwungenen Reform des Justizsystems rührigen Staatsanwaltschaften | |
weitere Skandale und Korruptionsaffären aufdecken werden. Ein Teil der | |
"Kleptokratie" (Nenad Popovi) der langjährigen Regierungspartei HDZ ist | |
schon unter der bisherige Ministerpräsidentin Jadranka Kosor ans Tageslicht | |
gebracht worden. | |
Bei den Siegern vergießt jedoch niemand Krokodilstränen über das etwas | |
tragische Schicksal der Jadranka Kosor. Dass ihr das Verdienst zukommt, | |
Kroatien in die EU geführt - am Freitag wird die EU auf dem Gipfel Kroatien | |
als 28. Mitglied formal akzeptieren - und den Kampf gegen die Korruption in | |
der eigenen Partei ernsthaft geführt zu haben, findet kaum eine Würdigung. | |
Zu tief sitzt die Erinnerung an ihre nationalistischen Sprüche und frühere | |
radikale Positionen. | |
Jadranka Kosor ist eine Gestalt von gestern geworden, sagt Zarko Puhovski, | |
Altoppositioneller und demokratisches Gewissen der Zivilgesellschaft. Er | |
freut sich über eine "neue demokratische Realität" in seinem Land. Die HDZ | |
hat nur noch 48 Sitze bei knapp 22 Prozent der Stimmen. | |
## Nur eine grüne Partei fehlt noch | |
Auch für den Verleger Nenad Popovic, wie Puhovski einer der führenden | |
Linksintellektuellen, beginnt nun eine neue Zeit. "Wir sind jetzt eine | |
normale westliche Demokratie geworden", sagt er. Mit den Laburisti sei eine | |
linke Opposition ins Parlament eingezogen, während auf der Rechten die | |
Partei des verurteilten Kriegsverbrechers Branomir Glavas HDSSB, die vor | |
allem in Ostslawonien stark war, mit ebenfalls 6 Sitzen auf Kosten der HDZ | |
ins Parlament kam. | |
"Unser politisches Spektrum reicht nun von Linksaußen bis rechtsradikal. | |
Nur eine grüne Partei wünsche ich mir, eine Umweltbewegung, die angesichts | |
der ökologischen Probleme einfach notwendig ist", sagt Popovic. | |
Die neue Regierung wird es nicht leicht haben, die Wirtschaftskrise zu | |
überwinden. "Das ist ja eine strukturelle Krise", betont der | |
Politwissenschaftler Nenad Zakosek, die alte Regierung habe bei der | |
Modernisierung und vor allem der Industriepolitik versagt. "Die Schulden | |
des privaten Sektors, weniger des Staats, sind zudem ungeheuerlich | |
angestiegen, weil man den Konsum mit billigen Krediten gefördert hat." | |
Zoran Milanovic, der neue Regierungschef, hat vor der prekären Lage die | |
Augen nicht verschließen können. Schon im Wahlkampf hatte er keinerlei | |
Versprechungen gemacht, sondern eine Politik der harten Arbeit und | |
empfindlichen Einschnitte verkündet. Und damit gewonnen. | |
5 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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