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# taz.de -- Druckerei: Ein Liebesbrief
> Ohne die KollegInnen von Beig geht gar nichts. Eine Hommage an die
> Menschen, die mich in den Feierabend schicken.
Bild: Von anbetungswürdiger Gelassenheit: die MitarbeiterInnen der Druckerei B…
Lieber Volker, liebe Ute,
einer meiner größten Albträume beginnt mit einem Anruf. Ich wähle die
zwölfstellige Nummer, die ich auch aus dem Tiefschlaf gerissen auswendig
hersagen könnte, und keiner nimmt ab. Dann sitze ich bis tief in die Nacht
in der Redaktion, wähle wieder und wieder die Nummer. Und irgendwann weiß
ich dann: Morgen wird es keine Zeitung geben und ich werde nie wieder
Feierabend haben.
Seit drei Jahren arbeite ich nun bei der taz, und zum Glück wurde dieser
Albtraum bisher nie wahr. Denn ich weiß, Ihr seid da. Abend für Abend
wartet Ihr geduldig auf mich, manchmal viel zu lange, aber am Ende des
Tages seid Ihr immer da, um mich in den Feierabend zu schicken.
Gleich an meinem ersten Arbeitstag bekam ich Eure Nummer. "Wichtige
Nummer", wurde mir damals gesagt, "vergiss die nicht." Und es stimmt, Ihr
seid diejenigen, bei denen alles zusammenläuft - oder wie Ihr sagen würdet
"einläuft".
Ich habe Euch mal in der Druckerei A. Beig in Pinneberg besucht: Hier sitzt
Ihr vor großen Bildschirmen und begutachtet unsere Zeitungsseiten, wenn sie
einlaufen. Hier belichtet Ihr die Druckplatten und lauft dann an den
riesigen Druckmaschinen vorbei, um das gedruckte Ergebnis - die taz von
morgen - anzuschauen. Hier blättert Ihr mit schnellem Blick die ersten
gedruckten Ausgaben durch und werft sie dann auch mal direkt in große
Papiertonnen, weil die Farbe doch noch nicht stimmt.
Manchmal würde ich mich gerne hinter einer großen Papierrolle verstecken
und Euch bei der Arbeit zuhören. Kommentiert Ihr unsere Ausgaben? Wie
findet Ihr unsere Fotos, besonders bei den Farbausgaben? Lacht Ihr über den
Südwester? Oder ist Euer geschulter Blick nur für die Form da, nicht für
den Inhalt? Flucht Ihr, wenn wir Fehler machen oder spät dran sind oder
beides?
Sind wir spät dran, dann müsst Ihr das retten, haltet buchstäblich die
Maschinen oder den Lkw an, der die tazzen an unsere Leser und die Kioske
verteilt. Wärt Ihr nicht da, um im Zweifel einzugreifen, würde es teuer für
uns. Und doof für die Leser, weil die am nächsten Morgen keine Zeitung
bekommen. Das passiert zum Glück so gut wie nie.
Es gibt noch einen zweiten, nicht ganz so schlimmen Albtraum. Der geht so:
Ihr ruft mich an. Dieser Albtraum wird leider gelegentlich wahr. Dann
erklärt mir Ute, dass die Seitenzahlen falsch sind oder die eben geschickte
Ausgabe für morgen ein längst vergangenes Datum trägt. Oder Volker macht
mich mit seiner anbetungswürdigen Gelassenheit darauf aufmerksam, dass
irgendwo auf der Seite ein klitzekleiner Punkt ist, der da nicht hingehört.
Bei diesen Anrufen schlägt mir das Herz bis zum Hals. "Schickst du noch
mal", sagt Volker dann - und ich schicke.
Aber manchmal, ganz selten, da kommt auch Ihr ins Schwitzen. Wenn ich zum
Beispiel mit der nord-Ausgabe die Seiten der Berliner Mantelausgabe
überschrieben habe und Ihr das Malheur beheben müsst. Aber auch das schafft
Ihr. Und irgendwann ruft Ihr an und sagt: "Alles gut!" Und dann weiß ich,
dass wirklich alles gut ist. Morgen wird es wieder eine Zeitung geben und
ich habe jetzt Feierabend,
Eure
Annika Stenzel
5 Dec 2011
## AUTOREN
Annika Stenzel
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