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# taz.de -- Tacheles: Bilder in Geiselhaft
> Nach der Stürmung einer Ausstellung im räumungsbedrohten Künstlerhaus
> bleiben die Werke gesperrt. Weißrussischer Maler erhält Solidarität aus
> der Künstlerszene.
Bild: Das Kunsthaus Tacheles - zu besseren Zeiten.
"In meinem Land, da hätte ich das verstanden", sagt der weißrussische
Künstler Alexander Rodin leise. "Aber doch nicht hier." Rodin, 64, steht im
vierten Stock des Künstlerhauses Tacheles in Mitte, in einer dicken
schwarzen Jacke, durch die Maueröffnungen der Ruine weht kalter Wind.
Besucher streifen zwischen Tischen umher, auf denen Kunstdrucke von Rodins
Bildern liegen, in DIN A4. Die Originale stehen ein Stockwerk höher. Seit
Januar stellt der Künstler dort aus, nächste Woche sollte das im
Kunstverlag Hatje Cantz erschienene Buch über sein Lebenswerk dort
vorgestellt werden.
Doch die Tür zur Ausstellung ist verriegelt, Sicherheitsleute schirmen den
5. Stock ab. Am Mittwoch, gegen 8 Uhr, habe es geklopft, erzählt Rodin,
"ich war am Malen, ich habe nicht reagiert." Auf einmal sei die Tür
aufgebrochen worden, 30 schwarzgekleidete Männer einer privaten
Security-Firma stürmten herein und drängten ihn aus dem Raum. Dann war die
Tür zu - und seine Werke drin. "Ich weiß nicht, ob etwas zerstört ist. Ich
kann nicht arbeiten", sagt Rodin, immer wieder sieht er sich unsicher um.
"Für mich ist das eine dramatische Situation."
Das Tacheles, das seit 22 Jahren als Künstlerhaus genutzt wird und weltweit
Bekanntheit erlangt hat, ist seit der Pleite des vorherigen Eigentümers im
Besitz der HSH Nordbank, der Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein.
Das Haus wird von der Kanzlei Schwemer, Titz und Tötter zwangsverwaltet.
Der Eigentümer versucht seit Monaten, das Gebäude zu räumen, um das
Grundstück an einen Investor verkaufen zu können. Ein Teil der Nutzer
verließ gegen Abfindungen bereits das Gebäude. Der Rest indes ist
entschlossen zu bleiben und setzt den Kunstbetrieb - Ausstellungen,
Theateraufführung, Performances - trotz längst ausgelaufener Mietverträge
fort.
Auch gegen Rodin lief als Nutzer des 5. Stockwerkes eine Klage. "Aber die
ist nicht entschieden, es gab kein Urteil", sagt Linda Cerna, Sprecherin
des Hauses. Die Kanzlei habe eine Sicherheitsfirma engagiert und auf eigene
Faust den 5. Stock räumen lassen. "Vermutlich ist ihnen klargewesen, dass
das auf juristischer Ebene eine langwierige und möglicherweise wenig
aussichtsreiche Sache wird - da haben sie auf Faustrecht gesetzt." Rodin
sei vermutlich als erster im Gebäude betroffen gewesen, weil sein Name
bekannt war - ein Künstler, der sein Heimatland wegen Repressionen verließ.
Für Ärger sorgt insbesondere, dass der Zwangsverwalter sich weigert, die
Werke herauszugeben. Offenbar beruft er sich darauf, dass keine schlüssigen
Eigentumsnachweise vorgelegt seien, die dies rechtfertigen würden. "Das ist
ein Alptraum für jeden hier", so Cerna. "Die Künstler sollen
eingeschüchtert werden."
Die HSH Nordbank als Eigentümerin des Gebäudes sagt, es handle sich um eine
Maßnahme des Zwangsverwalters. Dieser sei nicht im Auftrag der Bank tätig.
Die Bank gab keine Auskunft, ob sie über das Vorgehen informiert gewesen
sei. Die Nutzer werfen ihr vor, vor der für Januar geplanten
Zwangsversteigerung das Gebäude weitgehend räumen zu wollen. Im April war
ein erster Termin für eine Versteigerung abgesagt worden. Die Kanzlei
Schwemer, Titz und Tötter weigert sich, zu dem Vorfall Stellung zu nehmen.
Solidarität gab es von Künstler, Unterstützern und Besuchern. Der ehemalige
Organisator der Loveparade, Matthias Roeingh alias Dr. Motte, forderte,
Rodin müsse sofort seine Werke zurückerhalten. "Es kann nicht angehen, dass
im 21. Jahrhundert nackte Gewalt gegen Künstler wieder opportun ist." Die
Berliner Staatskapelle wird am heutigen Samstag ein Konzert unter dem Motto
"Klassik supports Tacheles" aufführen. Laut Tacheles-Sprecherin Cerna ist
jetzt die Politik gefragt. Außer "Lippenbekenntnissen" habe es bisher kaum
Unterstützung für das Künstlerhaus gegeben.
9 Dec 2011
## AUTOREN
Juliane Schumacher
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einen Zaun um das Haus aufbauen will, um sie auszusperren.
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