# taz.de -- Debatte Deutsche Politiker: Die Stimme der Kohlsuppe | |
> Das deutsche TV hat mehr zu bieten als die Instinktlosigkeit der | |
> Minister. Wer keine Kraft zum Polit-Fremdschämen mehr hat, sollte "Voice | |
> of Germany" schauen. | |
Bild: Wer untalentierte Politiker nicht mehr eträgt, sollte sich diese faire C… | |
Ein Geständnis vorab: Auch ich schaue neuerdings gern "Voice of Germany". | |
Jenen Liederwettbewerb also, in dem die Jury den Sängern zunächst den | |
Rücken zudreht, sodass auch die zeitlos Gekleideten und Dicken eine Chance | |
haben. Die Hauptattraktion der Sendung besteht allerdings darin, dass die | |
hier wetteifernden Menschen allesamt singen können, in dieser Show mithin | |
Leute nicht präsentiert werden, damit sie auf die Nase fallen, sondern | |
damit sie tatsächlich vorhandene Fähigkeiten einsetzen, zum Wohl und zur | |
Freude der Allgemeinheit. | |
Das ist ein unbezahlbares Alleinstellungsmerkmal in einer Zeit, in der die | |
Fernsehsender nicht nur überquellen vor "Formaten", in der verwirrte Seelen | |
animiert werden, vor einem Millionenpublikum die Hosen runterzulassen. | |
Sondern auch die Übergänge zwischen diesen Blamiershows und den | |
Nachrichtensendungen sind ja längst gleitend geworden. Ich sage nur: unsere | |
regierenden Minister! | |
Als hätte irgendwer einen Wettbewerb im Fettnapfrutschen und | |
Porzellanzerschmeißen ausgelobt, bieten unsere Jungs und Mädels gegen | |
Jahresende noch mal geballte politische Instinktlosigkeit in einem solchen | |
Maße auf, dass die Menge an Fremdscham, die sich während einer | |
durchschnittlichen "Tagesschau" über das Wahlvolk senkt, ohne | |
professionelle Seelsorge gar nicht mehr zu bewältigen ist. | |
## Inkompetenz, Einfallslosigkeit und Peinlichkeit | |
Gern möchte ich an dieser Stelle jenen Exminister übergehen, der allen | |
Ernstes hofft, sich gleichsam trotz Fälschens seiner Abgangszeugnisse nach | |
einem Dreivierteljahr Schmollen ("Okay, ich hab mich erwischen lassen, aber | |
beweist das nicht, dass ich nichts Böses im Sinn hatte?") wieder in die | |
Herzen der Wähler pomadisieren zu können. | |
Ich spreche auch weder von unserem Außenminister, den seine eigene Partei | |
als Anführer abgesetzt hat und der seither gerade noch gut genug ist, unser | |
Land mit exzellenten Fremdsprachenkenntnissen als Woiss off Dschömenie in | |
aller Welt zu vertreten, noch von seinem Parteierben, einem chronisch | |
unrasierten Gesundheitsminister, von dem es dank seiner | |
beratungsresistenten Mimik mehr peinliche Videoclips auf Youtube gibt als | |
von jedem Möchtegern-Topmodel mit angeklebten falschen Haaren. | |
All diese Gestalten, die einfach nur lächerlich und peinlich sind, mal | |
beiseitegelassen: Ernste Sorgen bereiten die anderen Kabinettsmitglieder, | |
deren Inkompetenz, Einfallslosigkeit und rechte Agenda zu einer Gefahr für | |
uns alle geworden ist. Denken wir an Hans-Peter Friedrich, der in der | |
stetig absteigenden Linie unserer Innenminister seit (und inklusive) Schily | |
ein neues Untergeschoss gräbt und dessen sonstiges "Programm" sich auf die | |
beiden Punkte Vorratsdatenspeicherung und Zentralisierung beschränkt. | |
## Die Reflexe des Ministers F. | |
Das Thema Vorratsdatenspeicherung ist bei ihm gleichsam zum Reflex | |
geworden, und selbst wenn der Mond Keuchhusten hätte oder in einem | |
brandenburgischen Naturschutzgebiet ein neuer Borkenkäfer gesichtet würde, | |
würde Friedrich sofort aus seinem Kellergeschoss auftauchen wie das | |
Kasperle im Puppentheater und verkünden, mit Vorratsdatenspeicherung könne | |
das nicht mehr passieren. | |
Seine Forderung nach Kontrolle aller Landesbehörden durch ein zentrales | |
Organ wiederum ist im selben Maße überzeugend wie die Summe der bisherigen | |
Ermittlungsleistungen im Kampf gegen den rechten Terror. Nachdenklich | |
gestimmt hat mich in diesem Zusammenhang erst die Feststellung der jüngsten | |
Innenministerkonferenz, dass man auch in Zukunft V-Leute braucht, weil man | |
ohne sie weniger Informationen über die Nazi-Szene hätte. Ich habe fix | |
nachgerechnet: Dann kämen wir ja bereits in den Minusbereich! | |
Statt wie bisher null verwertbare Hinweise von den V-Leuten zu erhalten, | |
müsste der Verfassungsschutz also von sich aus Nazis mit Informationen | |
versorgen, finanziert aus Steuermitteln! Billiger kämen wir wohl, wenn sich | |
Friedrich bereit erklären würde, jedes Mal, wenn er | |
"Vorratsdatenspeicherung" sagt, 2 Euro in einen Sondertopf zu zahlen; dann | |
könnten wir BürgerInnen uns eigene V-Leute im BKA kaufen. | |
## Schröders fehlerhafte Interpretation der Statistik zur Zwangsehe | |
Doch vergessen wir nicht, dass die Kernkompetenz fürs rechte Netzwerk | |
ohnehin im Familienministerium angesiedelt ist. Unter anderem als "Expertin | |
für Extremismus" ist Kristina Schröder einst angetreten. | |
Seither jagt sie auf Schulhöfen die Feinde von Saumagen und Kartoffel, | |
verwendet den Begriff "Extremismus" großzügig - in Richtung der Linken; | |
verlinkte von ihrer Homepage zu Politically Incorrect und wird für ihre | |
islamophoben Tendenzen in rechten Blogs gefeiert; wollte das Budget | |
antiextremistischer Initiativen um 2 Millionen Euro kürzen; | |
missinterpretierte die Statistiken des Kriminologen Pfeiffer und kürzlich | |
die selbst in Auftrag gegebene Studie zur Zwangsehe derart, dass die | |
Wissenschaftler sie zurechtwiesen. | |
## Höchst heterogener Beraterstab | |
Erstaunlich an dieser Frau ist auch ihr häufiger Tonartenwechsel; manche | |
Leute halten Schröder für noch gefährlicher als Friedrich, für eine | |
hinterhältige Schlange. Ich dagegen vermute, dass die Ministerin einen | |
höchst heterogenen Beraterstab hat, und wenn der eine, der eher Forsche, | |
Dienst hat und sagt, sie soll auf den Putz hauen, dann haut sie, und wenn | |
ein anderer sagt: "Friss Kreide!", dann frisst sie. Die Anbahnerin | |
glücklicher blonder Familien, die Stimme der diskriminierten deutschen | |
Kohlsuppe: So klingt sie! | |
Auch vergangenen Donnerstag sollte die Familienministerin wieder irgendwo | |
im TV auftreten und wurde als "Dr. Kristina Schröder" angekündigt. Die | |
Moderatorin betonte das "Doktor" auf eine Weise, dass man sich noch Minuten | |
später fragte, ob diese Betonung dem Respekt geschuldet war oder nicht doch | |
einen süffisanten Beiklang hatte. Aber dann hatte ich keine Lust mehr, mich | |
länger damit zu befassen, sondern schaltete zu jener bereits erwähnten | |
Musikshow, in der Dick und Dünn und Jung und Mittelalt aus voller Kehle | |
singen, Frauen mit pumucklroten Haaren rocken und eine Afrodeutsche mit | |
schönstem Schmelz eine Popballade hinlegte. Die Massen tobten vor | |
Begeisterung, und ein Juror sagte: "The Voice of Germany: Hier ist sie!" | |
Recht hat er. | |
14 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Hilal Sezgin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bundespräsident Wulff in der Bredouille: Ein Freund, ein guter Freund | |
Gemeinsame Zeiten in Niedersachsen verbinden: FDP-Chef Rösler springt | |
Christian Wulff in der Debatte um dessen Finanzgebaren zur Seite. Die | |
Grünen sehen die ganze Affäre nicht so locker. | |
Kommentar Kredit für Bundespräsidenten: Wiederholungstäter Wulff | |
Bei dieser Affäre geht es nicht um die formale Korrektheit der Annahme | |
eines Privatkredits. Hier geht es um moralische Integrität, denn Wulff ist | |
kein Bürokrat, sondern Präsident. | |
Verdacht auf Täuschung des Landtages: Bundespräsident Wulff in Erklärungsnot | |
Wulffs Glaubwürdigkeit ist angekratzt. Während er in Kuwait weilt, kommen | |
weitere Details über den 500.000 Euro-Privatkredit ans Licht. Die Grünen | |
fühlen sich getäuscht. | |
Kommentar Niedersachsen-CDU: Abwiegeln, deckeln, lügen | |
Die CDU-Fraktion ist zu einem Saustall verkommen, der die Wiederwahl von | |
McAllister gefährdet. |