# taz.de -- Weihnachtsfilm "Der kleine Nazi": Die Engel grüßen Adolf Hitler | |
> Petra Lüschows Kurzkomödie "Der kleine Nazi" wählt das Fest der Feste für | |
> ein heikles Thema: die allzu gern verdrängte braune Vergangenheit der | |
> eigenen Familie. | |
Bild: Gott ist Heil: böse Weihnachtsüberraschung in "Der kleine Nazi". | |
Heiligabend bei den Eltern ist immer so eine Sache: Wer sich in der | |
Weihnachtszeit zur Familie begibt, riskiert schon mal, dass alte Konflikte | |
aufbrechen, über das Jahr unter den Teppich Gekehrtes hervorwirbelt und am | |
Ende mit der kollektiv angestrebten Feiertagsharmonie ganz schnell Essig | |
ist. Dabei haben sich doch alle solche Mühe gegeben. | |
Genau diese Konstellation hat sich die Regisseurin Petra Lüschow ([1][siehe | |
auch taz vom 17.11.2010]) für ihren ersten Film ausgesucht. In "Der kleine | |
Nazi" will ein Vater mit Frau und Kindern bei seiner Mutter unter dem | |
Weihnachtsbaum sitzen. | |
Die ist schon ein bisschen tüdelig, und als ihr Enkel eine Schachtel vom | |
Urgroßvater entdeckt, die Christbaumschmuck aus unseligen Tagen enthält, | |
beschließt sie kurzerhand, den heimischen Nadelbaum damit zu bestücken. | |
Für diese Entscheidung hat die restliche Familie - den politisch | |
unbedarften Enkel ausgeschlossen - wenig Verständnis, und als die Tochter | |
des fassungslosen Ehepaares auch noch einen Freund aus Israel als Gast | |
ankündigt, ist die Katastrophe perfekt. | |
"Der kleine Nazi", ein viertelstündiger Streifen mit den Schauspielern | |
Steffi Kühnert, Oliver Stokowski und Christine Schorn in den Hauptrollen, | |
erzählt von diesem Weihnachtsalbtraum mit zielsicher gesetzten Pointen und | |
treffenden Dialogen. Überzeichnungen lassen sich bei der gedrängten Form | |
kaum umgehen, doch der Geschichte tun sie im Großen und Ganzen keinen | |
Abbruch. | |
Einen Nazi-Opa gehabt zu haben, gehört nicht gerade zu den Dingen, auf die | |
man besonders stolz sein kann. Wer nicht das Glück hatte, | |
Widerstandskämpfer oder anderweitig politisch vorbildliche Ahnen gehabt zu | |
haben, sieht sich fast zwangsläufig einem Rechtfertigungszwang ausgesetzt. | |
Ist man jetzt etwa selbst latent Nazi? Das Wissen um die eigene | |
Familiengeschichte kann sich mitunter sogar in einem angespannten | |
Philosemitismus äußern. | |
Mit diesen Empfindlichkeiten und Unsicherheiten spielt der Film geschickt, | |
entlarvt verzweifelte Versuche, die Familiengeschichte - zum Nachteil des | |
Ehepartners etwa - schön zu färben ("Mein Großvater hat noch bei Juden | |
eingekauft, da konnte man dafür schon im KZ landen") und ist dabei richtig | |
komisch. Man muss Weihnachten ja nicht immer bei den Hoppenstedts | |
verbringen. | |
24 Dec 2011 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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