# taz.de -- Migration nach Deutschland: Opa ackerte schon in Alemania | |
> Egal ob in Spanien oder Griechenland: Viele Menschen verlieren in der | |
> Krise ihren Job - und wandern jetzt nach Deutschland ein. | |
Bild: Sie haben noch einen Job und kommen nicht: Schauspieler in Pamplona, Span… | |
## Migration I: Spanien | |
Alejandro García ist fast am Ziel. "Irgendwann in den nächsten Tagen werden | |
sie mir den Vertrag zukommen lassen", ist sich der 47-jährige Ingenieur | |
sicher. "Sie", das ist eine deutsche Firma - "ein ganz großer Name in der | |
Branche". Mehr möchte er nicht verraten, "bevor ich tatsächlich | |
unterschrieben habe". | |
"Ich wandere aus, weil ich hier keine Stelle finde", sagt García, der seit | |
Ende 2010 arbeitslos ist. 23 Jahre hat er beim Bau der | |
Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken in Spanien gearbeitet. Mit der Krise ging | |
der Regierung das Geld aus. Die an den Baukonsortien beteiligten Firmen | |
bauten Stellen ab. "Die Dienstältesten wurden zuerst entlassen, schließlich | |
verdienten wir am besten", berichtet García. | |
Die Hoffnung des Ingenieurs, schnell wieder einen Job zu finden, zerschlug | |
sich bald. Bewerbungen auf Stellenanzeigen spanischer Firmen im Internet, | |
seine Kontakte und Beziehungen in der Branche, es half alles nichts. Als | |
dann im März 2011 "la Merkel", wie die Spanier die deutsche Bundeskanzlerin | |
nennen, bei einem Madridbesuch davon sprach, dass die deutsche Industrie | |
spanische Fachkräfte einstellen würde, reifte bei García die Idee, | |
auszuwandern. | |
"Ich hatte bereits vor 20 Jahren Deutsch gelernt, einfach so, aus Interesse | |
an Sprache und Kultur", berichtet er. Intensivkurse bei der Sprachschule | |
Tandem frischten die Kenntnisse jetzt auf. "Deklinieren, Konjugieren … es | |
ist keine leichte Sprache, aber es hat sich gelohnt", erzählt García. Drei | |
Gespräche am Telefon und eines direkt im Firmensitz bei Berlin habe er | |
geführt. "Auf Deutsch mit allen technischen Fachausdrücken", berichtet er | |
nicht ohne Stolz. | |
Alejandro García ist kein Einzelfall. Mehr als eine halbe Million Spanier | |
sind 2011 ausgewandert. Hunderttausende spielen mit dem Gedanken. Mehr als | |
die Hälfte wollen nach Deutschland. Anders als in den 1960er und 1970er | |
Jahren sind es meist junge Menschen mit Hochschulabschluss, die Spanien | |
verlassen wollen. Architekten, Ingenieure und Ärzte führen die Liste an. | |
Der 25-jährige Ricardo Esclapes ist einer derer, die im Schnellverfahren | |
die Sprache erlernen. Das Geld dazu verdient der Bauingenieur als Mädchen | |
für alles in einem Partyservice. "Seit die Baubranche zusammengebrochen | |
ist, gibt es keine Arbeit in meinem Beruf", berichtet Esclapes. "Deutsch | |
lernen ist nicht leicht, aber wenn du weißt, wofür, dann geht das schon", | |
fügt er hinzu. Spätestens nächsten Sommer will Esclapes gehen. Zwei | |
Kolleginnen aus der Uni haben bereits in Süddeutschland Arbeit gefunden, | |
als Zeichnerinnen in einem Architekturbüro. "Mein Großvater war | |
Gastarbeiter in Deutschland, und jetzt werde auch ich mein Glück dort | |
versuchen", sagt Esclapes und verabschiedet sich auf Deutsch. | |
## Migration II: Griechenland | |
Elias Soulides sitzt innerlich auf gepackten Koffern. "Wenn ich nur könnte, | |
dann würde ich gleich morgen früh nach Deutschland kommen", sagt der | |
Auswanderungswillige. Das Land seiner Sehnsucht ist auch der Ort seiner | |
Kindheitserinnerungen. Soulides ist in der Nähe von Hannover aufgewachsen. | |
Dort haben seine Eltern jahrelang geschuftet und sich eine Existenz | |
aufbauen können, fernab vom bitterarmen Nachkriegsgriechenland. | |
Auch der junge Elias hatte in Deutschland erste Berufserfahrung gesammelt | |
als Mitarbeiter eines Großwarenhändlers, der griechische Restaurants | |
beliefert. Trotzdem hapert es bei ihm mit der deutschen Sprache. | |
"Ehrlich gesagt kümmerte ich mich damals nicht so sehr darum, richtig | |
Deutsch zu lernen; ich habe eher den Deutschen etwas Griechisch beigebracht | |
während all der Jahre", sagt der 40-jährige Familienvater lächelnd, aber | |
durchaus selbstkritisch. Er ist ein fröhlicher, unbekümmerter Mensch. Eine | |
Berufsausbildung oder ein Studium hat er nicht vorzuweisen. Nachdem er nach | |
Griechenland gekommen war, machte er einen Gelegenheitsjob nach dem andern. | |
Genauere Vorstellungen über eine mögliche Arbeit in Deutschland hat er | |
nicht. Doch er erhofft sich in Deutschland eine bessere Zukunft, auch für | |
seine kleine Tochter. | |
Soulides besucht die Sprachschule "Müller", die eine promovierte | |
Germanistin vor 25 Jahren in Athen gegründet hat. Erst um neun Uhr abends | |
beginnt der berufsbegleitende Intensivkurs für Erwachsene. Trotz später | |
Stunde sind alle acht Kursteilnehmer konzentriert bei der Sache. Sie wollen | |
in kürzester Zeit möglichst gut Deutsch lernen, um ihre | |
Berufsqualifikationen zu verbessern oder gleich auszuwandern. | |
Ioanna Gavreel geht die Sache etwas entspannter an. Immerhin hat sie noch | |
einen Job als Verwaltungsfachangestellte, wenn auch nur auf Teilzeitbasis. | |
Damit kommt sie einigermaßen über die Runden, aber klar, auch Deutschland | |
sei eine Option. "Aber in erster Linie möchte ich meine Deutschkenntnisse | |
allein schon deswegen verbessern, weil ich in diesem Land viele Freunde | |
habe und die deutsche Mentalität sehr schätze", erklärt die 50-jährige | |
Frau. Nach Berlin oder Hamburg würde sie am liebsten ziehen, wenn es so | |
weit kommen sollte, sagt Ioanna. Vorerst bleibt es bei den Sprachübungen im | |
Athener Klassenraum. | |
2011 seien die Schülerzahlen bei den Erwachsenen um 30 Prozent gestiegen, | |
berichtet der Inhaber der Sprachschule, Klaus Müller-Batsalias. Viele der | |
Lernwilligen stellen gleich Fragen zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen in | |
Deutschland. Nach jüngsten Umfragen wären 40 Prozent aller Griechen bereit, | |
das Land zu verlassen, um anderswo einen Job zu finden. | |
22 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
R. Wandler | |
J. Papadimitriou | |
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