# taz.de -- Kolumne Kulturbeutel: Japanischer Joggerhoppler | |
> Es gibt Renner und Läufer. Hunter S. Thompson hat diese Einteilung | |
> vorgenommen. Der drogengeile US-Sportschreiber, Politkolumnist und | |
> Extremliterat hat im Mai 1980 ... | |
Es gibt Renner und Läufer. Hunter S. Thompson hat diese Einteilung | |
vorgenommen. Der drogengeile US-Sportschreiber, Politkolumnist und | |
Extremliterat hat im Mai 1980 vom Running Magazin den Auftrag bekommen, | |
über den Honolulu-Marathon zu berichten. Er tut das auf seine Weise und | |
liefert einen Text ab, der wie er selbst ohne eine Unmenge der | |
unterschiedlichsten Drogen nur schwer zu verstehen ist. | |
Er beginnt seinen kranken Aufenthalt im verregneten Hawaii tatsächlich in | |
der Rolle des Sportreporters und baut sich am Rande der Strecke auf, um die | |
Teilnehmer des Honolulu-Marathons zu beobachten. Das reicht ihm nicht. | |
Immer einen starken Drink in der Hand pöbelt er die Läufer an: "Hey, | |
Fettsack, willst du ein Bier?" Und doch hat er Respekt - zumindest vor ein | |
paar Teilnehmern: den Rennern. "Die Könner laufen geschmeidig, mit fein | |
abgestimmtem Schrittrhythmus, ähnlich wie ein Wankelmotor. | |
Keine Energieverschwendung, kein Zweikampf mit der Straße, kein | |
Joggerhoppeln. Diese Menschen gleiten, und sie gleiten sehr schnell", | |
schreibt Thompson in "Der Fluch des Lono", das in der Übersetzung von Teja | |
Schwaner in der Hardcore-Reihe von Heyne gerade zum ersten Mal auf Deutsch | |
erschienen ist - 28 Jahre nach dem Original. | |
Die anderen, die Marathonmitläufer, kann Thompson kaum ertragen. | |
"Klatschende und stampfende Füße" sorgen für ein "Höllengetöse". Ein Renner | |
dagegen "in vollem Lauf ist ein Bild der Eleganz". Erstaunliche Worte für | |
einen, der wie Thomson in seinem Buch die Gesellschaft nur der übelsten | |
Typen sucht und der alles dafür tut, dass sein Aufenthalt in Kona zu einem | |
wahren Griff ins Klo wird, einem Irrsinnsrausch, von dem er nicht mehr | |
runterzukommen droht. Vom Laufen ist da schon lange nicht mehr die Rede. | |
Der zur Romanfigur mutierte Reporter Thompson hält sich längst für einen | |
Gott. | |
Im September 2005, fünf Monate nachdem Thompson per Kopfschuss sein | |
extremes Leben beendet hat, trainiert der japanische Großschriftsteller | |
Haruki Murakami auf einer andern Insel Hawaiis für den New-York-Marathon. | |
In seinen "Lebenserinnerungen", die unter dem Titel "Wovon ich rede, wenn | |
ich vom Laufen rede" erschienen sind, schreibt der Japaner davon, was ihm | |
das Laufen gibt. Es macht ihn zum Beispiel dünner. Murakami beschreibt sich | |
als einen, der schnell zunimmt, wenn er sich nicht bewegt. Und er schreibt, | |
wie toll es ist, die Ziele zu erreichen, die man sich als Läufer selbst | |
steckt. | |
Erschreckend banal liest sich das. 350 Kilometer ist er allein im August | |
2005 gelaufen, und heilfroh ist er, dass er nicht wie früher einen Jazzklub | |
betreibt, sondern dass er von der Schriftstellerei leben kann. Das ist | |
deshalb so schön, weil er früh ins Bett gehen kann und nicht nach | |
Mitternacht noch Biere mit den Kollegen trinken muss. Leicht fühlt sich | |
Murakami durch die Lauferei und wäre für Thomson doch nur einer der | |
trampelnden Stümper, die mit Startnummern jenseits der 1.000 in die großen | |
Massenläufe gehen. | |
Seine Bestzeit von handgestoppten 3:27 Stunden ist zwar aller Ehren wert, | |
macht ihn aber gewiss nicht zum Renner im Thompsonschen Sinn. Murakamis | |
Credo lautet: "Um größere Schaffenskraft zu erlangen, muss man seine | |
körperliche Kraft steigern." Auch das ist wenig originell. Nennen wir es | |
geistiges Joggerhoppeln. | |
28 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |