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# taz.de -- Streitgespräch: Drehscheibe dreht sich weiter
> SPD und Grüne wollen den Umschlag von Brennelementen in Bremen stoppen.
> Doch die meisten der Urantransporte erfasst das geplante Gesetz nicht
Bild: Atomkraftgegner Bernhard Stoevesandt (re.) wirft der grünen Energiepolit…
taz: Herr Stoevesandt, SPD und Grüne wollen die bremischen Häfen für
Kernbrennstoffe sperren. Sie haben eine Petition eingereicht, weil Ihnen
das nicht weit genug geht. Weshalb?
Bernhard Stoevesandt: Die Teilentwidmung der Häfen ist grundsätzlich ein
guter Ansatz. Aber die meisten Transporte, die über die Häfen laufen, sind
davon nicht betroffen. 2011 beispielsweise wäre durch das geplante Gesetz
nicht ein einziger Transport verhindert worden.
Warum nicht?
Stoevesandt: Nur Kernbrennstoffe sollen nicht mehr umgeschlagen werden
dürfen. Uranhexafluorid oder sogenannte Yellowcake-Uranverbindungen sind
nicht erfasst. Genau diese Transporte aber halten den weltweiten Uranhandel
im Gang und dienen dazu, dass überall in der Welt weiter Atomkraftwerke
betrieben werden können. Sie machen die meisten Transporte aus.
Warum ist Bremen so wichtig?
Stoevesandt: In Gronau nahe der niederländischen Grenze steht eine
Uranfabrik des britischen Unternehmens Urenco. Von dort wird in die ganze
Welt exportiert. Bremen ist ein wichtiger Umschlagplatz für den Transport
zu und von dieser Fabrik.
Warum wollen Sie nicht auch diese Transporte stoppen, Frau Schierenbeck?
Anne Schierenbeck: Es ist seit der letzten Legislaturperiode der Wille von
SPD und Grünen auch diese Transporte zu verbieten. Wir haben dazu
Rechtsgutachter befragt. Die erste Option war: Wir verbieten den Umschlag
von Kernbrennstoffen und allen anderen radioaktiven Stoffen. Dies wäre
jedoch zu unspezifisch für ein Gesetz.
Stoevesandt: Das ist nur eine Frage der Formulierung. Im Atomgesetz ist die
Rede von "allen radioaktiven Stoffen, die durch Isotopenanreicherung zu
Brennstoffen gemacht worden sind". Das ließe sich ganz leicht ergänzen: Man
nimmt die Stoffe mit dazu, die zu Brennstoffen gemacht werden können.
Schierenbeck: Das kann niemand kontrollieren, diese Stoffe sind nicht
meldepflichtig.
Stoevesandt: Sind sie wohl. Das sind Gefahrentransporte, die muss man
vorher bei der Hafenbehörde anmelden.
Schierenbeck: Nach Meinung der Juristen ist das nicht so.
Stoevesandt: Da irren die sich.
Kann man nicht einfach das Uranhexafluorid verbieten? Schierenbeck: Das ist
rechtlich nicht möglich, weil dies einem Unternehmensboykott gegen Urenco
gleichkäme. Nur die produzieren Uranhexafluorid.
Und ein Transportverbot wäre ein Angriff auf deren unternehmerische
Freiheit?
Schierenbeck: Ja. Für dieses Problem konnte kein Gutachter eine Lösung
aufzeigen. Auch nicht der Gutachter, den die Linkspartei beauftragt hat.
Wir wollen das gern erweitern, aber es wird massive Angriffe gegen dieses
Gesetz geben. Bremen ist da der Vorreiter. Das Umweltministerium wird
klagen, die Atomwirtschaft sowieso.
Stoevesandt: Es ist wahr, dass die Bundesregierung klagen wird, weil das
jetzt von der Bürgerschaft geplante Gesetz die Transporte aus Sellafield
verhindern würde. Diese Klage kommt, egal ob man das Uranhexafluorid mit
reinnimmt oder nicht. Und die Chancen, dass das Gesetz vor Gericht Bestand
hat, sind in beiden Fällen gleich groß.
Frau Schierenbeck, was spricht dagegen, ein umfassendes Gesetz zu
verabschieden und es auf eine gerichtliche Überprüfung ankommen zu lassen -
statt es in vorauseilendem Gehorsam selbst zu beschneiden?
Schierenbeck: Das ist eine strategische Frage und eine der politischen
Ernsthaftigkeit. Wir wollen das so wasserdicht wie möglich. Und dazu müssen
wir uns auf den Sachverstand der Gutachter verlassen. Wir könnten natürlich
solange suchen, bis wir einen Gutachter finden, der uns sagt, dass das okay
ist. Aber das wäre vielleicht nicht sachdienlich.
Ist es denn sachdienlich, zu akzeptieren, dass dem Löwenanteil des Problems
nicht beizukommen sein soll?
Schierenbeck: Die Entwidmung ist richtig, auch wenn im ersten Schritt die
meisten Transporte nicht erfasst sind. Ich finde auch nicht gut, dass wir
Uran für die ganze Welt produzieren. Das bremische Hafenbetriebsgesetz
allein wird aber sicher nicht die Atomwirtschaft stoppen. Ich würde das
jetzt gern beschließen und gucken, wie die anderen Bundesländer reagieren.
Das Hauptziel ist: weniger AKWs.
Stoevesandt: Und dafür ist es notwendig, die Kette der Urananreicherung zu
unterbrechen.
Waren an der juristischen Beratung des Gesetzes auch Juristen des
Umweltressorts beteiligt?
Schierenbeck: Nein. Die Gutachter wurden vom Senat ausgesucht. Es ist
dasselbe Büro, das schon die rot-grüne Bundesregierung beraten hat.
Zum Senat gehört das SPD-geführte Hafenressort. Das hat sich früher sehr
kritisch gegenüber der Hafenentwidmung gezeigt. Es fürchtete eine Erosion
des Status als sogenannter Universalhafen.
Schierenbeck: Der Universalhafen ist den Hafenpolitikern ein hohes Gut. Und
es gibt von ihnen deutliche Signale: Wir machen nur diese eine Entwidmung
mit, aber sonst nix. Was die Atomtransporte angeht, sind wir aber
koalitionsintern geeint.
Stoevesandt: Man wollte sich beim Gutachtenauftrag auf Kernbrennstoffe
beschränken. Die Gutachter waren von vornherein auf die falsche Spur
gebracht. Das hat sich bei der Anhörung im Hafenausschuss gezeigt.
Schierenbeck: Der ursprüngliche Gutachtenauftrag war möglicherweise zu eng
gefasst, aber im Hafenausschuss ging es darum, wie wir das erweitern
können. Da haben wir sehr wohl auch nach den anderen Stoffen gefragt, sonst
hätten wir uns da ja gar nicht treffen müssen.
Die Petition läuft bis zum 6. Januar. Werden Sie dies berücksichtigen, Frau
Schierenbeck?
Schierenbeck: Das zentrale Argument der Petition ist: Die Juristen haben
unrecht. Aber wir haben das geprüft, und wir haben immer die gleiche
Antwort gekriegt. Wir wollen das Gesetz im Januar beschließen - ohne die
Erweiterung auf andere Stoffe. Wir wollen, dass sich möglichst viele
Hafenstädte anschließen.
Herr Stoevesandt, hätten Sie sich Ihre Petition sparen können?
Stoevesandt: Ich bestreite, dass es unmöglich ist, das Gesetz weiter zu
fassen. Die Gutachter haben das vertreten, wozu sie am Anfang beauftragt
wurden. Das ist normal - aber im Bezug auf die Urantransporte nicht
richtig. Und deswegen haben wir die Petition eingereicht: Um darauf
hinzuweisen, dass da sehr wohl noch mehr geht. In Hamburg gibt es noch
keine Regelung. Wenn Bremen effektiv entwidmen würde, würde der Druck auf
Hamburg sehr hoch werden. Diese Bremer Regierung wird nur das eine Gesetz
zu dem Thema beschließen. Stehen die wichtigsten Dinge da nicht drin, wird
es später kein besseres geben.
29 Dec 2011
## AUTOREN
Christian Jakob
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